Vorfahrt für Diplomatie
25. September 2013Anspannung in New York: Bei den beiden drängendsten internationalen Krisenherden könnten in der Woche der UN-Vollversammlung entscheidende Fortschritte erzielt werden. Es könnte aber auch ganz anders kommen - mit noch kaum überschaubaren Folgen. Viel steht auf dem Spiel.
Obama besteht auf robuster Syrien-Resolution
Der Syrienkonflikt und die Auseinandersetzung um das iranische Atomprogramm verdrängen alle anderen Themen. Sie bestimmen nicht nur die zahlreichen Treffen der Regierungschefs und Außenminister am Rande der Vollversammlung. Sie stehen auch im Mittelpunkt des einwöchigen Redereigens.
Dass in beiden Fällen Diplomatie Vorrang vor militärischer Gewalt hat, machte gleich zu Beginn US-Präsident Barack Obama klar. Allerdings forderte er eindringlich, dass den Worten auch Taten folgen müssten. Was das im Falle der gegenwärtig mit Russland verhandelten UN-Resolution zu Syrien heißt, sagte er in seiner Rede vor der Vollversammlung: "Es muss eine starke Resolution des Sicherheitsrats geben, die nachprüft, ob das Assad-Regime seine Verpflichtungen einhält. Und es muss Konsequenzen geben, wenn sie dies nicht tun."
Obama wies noch einmal darauf hin, dass sich die USA die Option militärischer Gewalt bewusst offen hielten. Genau dies bleibt bisher ein Streitpunkt mit Russland. Zwar hatten sich beide Länder in Genf auf eine sanktionsbewehrte Resolution verständigt, doch es scheint so, als fielen die Russen wieder hinter diese Position zurück. Matthew Duss vom Washingtoner Center for American Progress rät seinem Präsidenten, hart zu bleiben: "Die USA sollten auf einer robusten Resolution bestehen, um zu zeigen, dass sie in den UN das Mögliche getan haben. Und danach kann die militärische Aktion wieder diskutiert werden."
Lawrow und Kerry verhandeln
Gleich mehrfach wollen der amerikanische Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow in New York zusammenkommen, um einen Ausweg zu finden. Keine Frage, die Vereinten Nationen sind wieder im Mittelpunkt des internationalen Krisenmanagements um Syrien - vor allem, nachdem Russland seine Blockadehaltung im Sicherheitsrat aufgegeben hatte und seinen Verbündeten Syrien zur Aufgabe der Chemiewaffen drängte.
Allerdings sieht Präsident Obama den Sicherheitsrat vor einer großen Herausforderung. "Wir können nicht akzeptieren, wenn die UN nicht in der Lage sind, ein grundlegendes internationales Gesetz durchzusetzen. Aber wenn wir erfolgreich sind, dann senden wir ein kraftvolles Signal aus, dass es für chemische Waffen im 21. Jahrhundert keinen Platz mehr gibt."
In seiner Rede ließ der amerikanische Präsident auch die Frustration anklingen, die aus einer zermürbenden innenpolitischen Debatte um einen möglichen Militärschlag herrührt. "Die Gefahr für die Welt ist nicht ein Amerika, das sich zu schnell in die Angelegenheiten anderer Länder einmischt", sagt er. Die Gefahr für die Welt sei vielmehr, dass die Vereinigten Staaten nach einer Dekade von Kriegen nur noch weitgehend mit den heimischen Problemen beschäftigt seien und sich nicht mehr international engagierten - "und damit einen Mangel an Führung zeigt, den keine andere Nation ausfüllen kann. Ich glaube, so eine Zurückhaltung wäre ein Fehler."
Irans Charmeoffensive
Fast noch mehr als Syrien schenkten die amerikanischen Medien dem Auftritt des neuen iranischen Präsidenten Hassan Rohani vor der UN-Vollversammlung Beachtung. Bereits im Vorfeld befand die "New York Times", dass der Spielraum des neuen Präsidenten für eine Annäherung gering sei und allein vom Wohlwollen des religiösen Führers Ayatollah Ali Chamenei abhänge. Der hatte mit dem von ihm geprägten Begriff der "heroischen Flexibilität" einen Politikwechsel angedeutet. Rohani startete in der vergangenen Woche in amerikanischen Medien eine Charmeoffensive und kündigte Verhandlungsbereitschaft über das Atomprogramm an.
Seine Rede vor den UN ist denn auch im Ton maßvoll, anderes als die polternden Auftritte seiens Vorgängers Mahmud Ahmadinedschad. Sie enthält das erwartete Kooperationsangebot, ernsthaft und "mit voller Transparenz" über das iranische Nuklearprogramm zu verhandeln. Matthew Duss vom Washingtoner Center for American Progress bewertet die Rede als "aufrichtige Erklärung". Sie enthalte die wichtige Botschaft, dass der Präsident sich konstruktiv engagieren wolle und die Vorbehalte des Westens ernst nehme. "Die richtige Arbeit beginnt, wenn sich die Außenminister diese Woche treffen."
Misstrauen bleibt
Doch das gegenseitige Misstrauen sitzt tief nach so vielen Jahren der harten Konfrontation. Ein lange für möglich gehaltenes Treffen Obamas mit Rohani im Rahmen der Vollversammlung findet nicht statt. Auch zu einem Händeschütteln im Beisein von Fotografen kommt es nicht. Dafür reichte Obama dem Iraner zumindest verbal die Hand: "Präsident Rohanis Engagement, eine Vereinbarung zu erzielen, vorausgesetzt, werde ich John Kerry beauftragen, dieses Ziel gemeinsam mit der iranischen Regierung weiterzuverfolgen, in enger Abstimmung mit der Europäischen Union, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Russland und China."
Den wichtigsten Verbündeten der USA im Nahen Osten, Israel, hat Obama nicht erwähnt. Doch gerade vom israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu kommt an diesem Tag massive Kritik: Rohanis Rede sei "zynisch" gewesen, der Präsident habe sich lediglich Zeit gekauft. Netanjahu spricht nächste Woche vor den UN.
"Neue Tonlage"
Die Deutschen pflegen traditionell einen vertrauensvollen und belastbaren Gesprächskontakt zum Iran. Sie könnten auch in dieser entscheidenden Situation Vertrauen aufbauen. Außenminister Guido Westerwelle redete denn in New York nicht nur mit seinem iranischen Amtskollegen Mohammed Dschawad arif, sondern wollte auch Präsident Rohani selber treffen. Der FDP-Politiker sprach nach der Rede Rohanis von einer "neuen Tonlage" und lobte Teherans offeneren Kurs, der im Streit ums iranische Atomprogramm Hoffnung auf Bewegung geweckt habe. "Er könnte es ernst meinen", ist sein vorsichtiges Fazit.
Nachdem Westerwelles Partei nicht mehr im neuen Bundestag vertreten ist, sind auch seine Tage als Außenminister gezählt. Mit dieser für ihn kniffligen Situation geht Westerwelle hier in New York offensiv um: "Das ist schon eine sehr entscheidende Woche für die Weltgemeinschaft. Was das Thema Iran, das Thema Syrien und den Nahost Friedensprozess angeht. Und deswegen ist es auch richtig, dass wir ganz professionell und unbeirrt unsere Arbeit hier machen."
Außenpolitische Kontinuität
Auf jeden Fall setzt Westerwelle damit gegenüber der internationalen Gemeinschaft das Signal der außenpolitischen Kontinuität. "In Deutschland gibt es eine neue Regierungskonstellation. Aber das heißt ja nicht, dass wir außenpolitisch nicht handlungsfähig wären. Wir sind ein zuverlässiges Land und im vollen Umfang handlungsfähig."