Vorzeigestadion und Transportchaos
21. Juni 2014Knapp acht Stunden braucht der Flieger von Lissabon nach Fortaleza - aktuell die kürzeste Flugroute für Touristen zwischen Europa und Brasilien. Dort angekommen erwartet die geneigten Besucher neben einem runderneuerten Fußballstadion ein ausgeprägtes Nachtleben und käuflicher Sex für unterschiedliche Vorlieben. Wer die Ruhe bevorzugt, zieht weiter an einen der geradezu legendären Sandstrände in der Umgebung: Wer in São Paulo erzählt, er sei in Fortaleza gewesen, erntet verklärende Sehnsuchtsbekenntnisse.
Doch Fortaleza ist kein verträumtes Urlaubsnest. Mit 2,5 Millionen Einwohnern ist die Stadt die fünftgrößte Brasiliens. Dem Tourismus werden knapp elf Prozent der Wertschöpfung zugeschrieben; das ist kaum mehr als in Berlin.
Zeichen der Tatkraft
Mit dem Stadionumbau setzte Fortaleza ein Zeichen der Tatkraft und Organisationsstärke: Das "Castelão" ist das einzige WM-Stadion, das weniger Geld kostete als bewilligt: 175 statt 210 Millionen Euro. Und es war die erste aller WM-Arenen, die fix und fertig der FIFA übergeben wurde. Ganz im Sinne der "ersten nachhaltigen WM", die Brasilien feiern will, hat das Stadion - wie einige andere WM-Arenen - bereits das internationale Energieeffizienz-Zertifikat LEED (Leader in Energy and Environmental Design) erhalten.
Unvollendete Baustellen
Leider endet damit auch schon die Erfolgsgeschichte der WM-Vorbereitungen in Fortaleza: Die neuen Schnellbuslinien werden frühestens im Dezember fertiggestellt. Nicht einmal die Straßenbahn, die unter anderem das Hafenviertel mit dem Stadionbus verbindet, wird zum WM-Stadion fahren. Teile des Hafens werden erst nach dem Turnier eröffnet. Insgesamt kostete der Umbau fast doppelt so viel wie veranschlagt - rund 70 Millionen Euro.
Vollkommen an der ursprünglichen Planung vorbei - und hier besteht eine weitere Parallele zur Bundeshauptstadt - läuft der Flughafenausbau: Statt zum WM-Start soll er nun erst 2017 abgeschlossen sein und mindestens zehn Millionen Euro mehr kosten.
Die brasilianische Luftfahrtbehörde Infraero garantiert trotzdem einen reibungslosen Flugverkehr in Fortaleza: Ein provisorischer Terminal soll die 400.000 erwarteten Fans auffangen. Dadurch entstehen weitere Mehrkosten von rund 1,2 Millionen Euro.
Trotz der Ersparnis beim Stadionumbau stiegen Kosten der WM-Baustellen auch in Fortaleza, allerdings um weniger als sechs Prozent. Damit ist Fortaleza wieder Klassenprimus.