Vulkanstaub in Triebwerken
29. August 2014Deutsche Welle: Herr Lau, der isländische Vulkan Bardarbunga ist ausgebrochen. Vor vier Jahren gab es schon einmal einen spektakulären Ausbruch: Es war der Vulkan Eyjafjallajökull. Damals mussten im Sinne der Flugsicherheit große Teile des europäischen Luftraumes gesperrt werden. Was für Lehren konnte man daraus ziehen?
Hendrik Lau: Man weiß heute, dass die Grenzwerte von zwei bis vier Milligramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft, die man damals gesetzt hat, vielleicht revidiert werden sollten. Man sollte nicht nur diese Grenzwerte als Kriterium ansetzen, sondern die Aschedosis, die ein Flugzeug entlang seiner Flugroute abbekommt. Es macht nämlich einen großen Unterschied, ob ein Flugzeug lange oder nur kurz durch eine bestimmte Konzentration fliegt.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Wird zum Beispiel durch Radarmessungen festgestellt, dass sich die Aschewolke in einer Höhe von 5.000 bis 6.000 Metern befindet und eine Dicke von 300 Metern hat, dann erfährt ein Flug von Berlin nach München, der gegebenenfalls eine Stunde lang exakt in dieser Höhe fliegt, eine wesentliche höhere Aschebelastung als ein Interkontinentalflug, der diese Aschewolke innerhalb weniger Sekunden durchstößt um dann eine Reiseflughöhe von 11.000 Metern zu erreichen.
Welche Höhe erreicht eine Vulkanaschewolke?
Das ist abhängig von den Windverhältnissen und der Kraft der Eruption. Die Aschewolken können sowohl als eine Wolke oder auch geschichtet ankommen. Man findet zum Beispiel eine Schicht bei 4.000 Metern, dann gibt es 2.000 Meter freie Luft und dann wieder eine Ascheschicht bei 6.000 Metern. Beim Eyjafjallajökull wurde die Aschewolke bis auf 9.000 Meter Höhe geschleudert.
Und wie findet man heraus, wie hoch die Konzentration in der Luft tatsächlich ist?
Es gibt Partikelsensoren, die auf Forschungsflugzeugen verbaut sind und die das ermitteln. Ein solches Forschungsflugzeug - Falcon - betreibt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt zum Zwecke der Atmosphärenforschung. Es kann zum Beispiel auch Schwefeldioxid messen, das in Vulkanaschewolken vorkommt.
Auch wenn in der Sahara Stürme wüten, wird Feinstaub sehr hoch und weit weg getragen - sogar bis nach Europa. Was unterscheidet diesen Staub vom Vulkanstaub?
Die chemische Zusammensetzung ist gar nicht so unterschiedlich. Aber die Partikelbeschaffenheit und Struktur sind ganz anders: Wüstensande sind runde, abgeschliffene Körner, die innerhalb eines Triebwerkes wesentlich weniger Erosion hervorrufen als die scharfkantigen Partikel, die bei einem Vulkanausbruch ausgestoßen werden. Vulkanasche erodiert die Triebwerke vier bis fünfmal stärker als Wüstensand. Damit verlieren die Triebwerksschaufeln ihre optimale aerodynamische Form und die Triebwerksleistung fällt signifikant ab.
Was passiert mit dem Staub, wenn er in die Brennkammer gesaugt wird?
Da gibt es zwei große Effekte: Die Verbrennungstemperaturen sind bei modernen Hochleistungstriebwerken am Limit dessen, was eine Turbinenschaufel aushalten kann. Deswegen gibt es keramische Wärmedämmschichten auf den Turbinenschaufeln. Die geschmolzene Vulkanasche - als honigartige zähe Flüssigkeit - trifft auf diese Wärmedämmschichten, dringt darin ein und führt dazu, dass diese Schichten abplatzen. Dann ist auf einmal eine ungeschützte Metalloberfläche dem Gasstrom ausgesetzt, und das kann zu einem Aufschmelzen der Turbinenschaufel führen. Dann gibt es einen Triebwerksschaden oder das Triebwerk stellt sich ab.
Und der zweite Effekt?
Die geschmolzene Vulkanasche setzt sich an anderen Triebwerkskomponenten fest und verbackt. Dann gibt es Ablagerungen von mehreren Millimetern Dicke. Der freie Strömungsquerschnitt des Triebwerkes verringert sich so stark, dass das Triebwerk sich unter Umständen abstellt. Das ist sehr gefährlich für jedes Linienflugzeug, weil es ja ohne Triebwerk nicht fliegen kann. Es ist bei einer Boeing 747 einer holländischen Fluggesellschaft vor einigen Jahren schon einmal vorgekommen, dass aufgrund von Vulkanasche alle vier Triebwerke gleichzeitig ausgefallen sind.
Und der Pilot hat es geschafft zu landen?
Er ist aus einer sehr hohen Höhe schnell im Sturzflug heruntergeflogen. So hat er die Triebwerke extrem schnell abgekühlt, so dass das angebackene Vulkangestein gerissen ist und herausgeblasen wurde. Dann hat er es in einer Höhe von nur noch einigen Tausend Metern im Gleitflug geschafft, die Triebwerke wieder anzustellen.
Wenn es jetzt wieder einen Vulkanausbruch gibt, muss ja die Flugkontrolle entscheiden, ob sie einen Luftraum sperrt. Worauf kann sie sich dann stützen?
Auf Satellitenaufnahmen. Allerdings haben wir seit 2010 unsere Sichtweise, unsere ganzen Systeme und die Datenbasis wesentlich geschärft. Unsere Simulationen zur Ausbreitung von Vulkanaschewolken sind vier Jahre nach Eyjafjallajökull viel genauer als davor. Auch die Auswertungen von Satellitenbildern sind jetzt viel genauer.
Ein Satellit kann aber, weil er von oben nach unten auf die Erdoberfläche schaut, nur sagen: Da ist Vulkanasche in einer bestimmten Konzentration. Man braucht bodengestütztes Radar oder LIDAR (Light Detection and Ranging), um Schichtungen und die Höhenverteilung einer Vulkanaschewolke zu erkennen. Das sind Sensoren, die mit Lasern Messungen durchführen.
Was müsste passieren, um die Risikobewertung noch besser zu machen?
Wir würden uns wünschen, dass solche Vulkanasche-Detektionssysteme standardmäßig auf Verkehrsflugzeugen installiert werden. Dann könnten wir online von jedem Flugzeug irgendwo eine Rückmeldung bekommen: Das ist gerade die Aschebelastung, so dass jedes Flugzeug ein autonomer Staubwarner sein könnte. Das wäre eine tolle Sache.
Das Interview führte Fabian Schmidt.
Dr. Hendrik Lau ist Physiker am Institut für Werkstoffforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Er hat sich im Rahmen seiner Promotion im Maschinenbau auf die Funktion von Gasturbinenschaufeln für die Luftfahrt spezialisiert.