VW unterstützte Militärdiktatur in Brasilien
15. Dezember 2017Die unabhängige Studie zur Verstrickung des Konzerns in die Militärdiktatur lässt das Unternehmen alles andere als ruhmreich dastehen. "Der Werkschutz überwachte oppositionelle Aktivitäten seiner Beschäftigten und erleichterte durch sein Verhalten die Verhaftung von mindestens sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern", heißt es in der in Brasilien vorgestellten Untersuchung des Historikers Christopher Kopper von der Universität Bielefeld. Der VW-Konzern hatte die Studie selbst in Auftrag gegeben, er will auf die damaligen Opfer zugehen.
"Werkschutz wusste auch über Folter Bescheid"
Überschattet wurde die Präsentation der Ergebnisse in São Bernardo do Campo von einem Boykott durch die damaligen Opfer um den Arbeiter Lucio Bellentani, der dem Konzern nach wie vor eine unzureichende Aufarbeitung vorwirft. Nach der Aussage von Bellentani ließ der VW-Werkschutz nicht nur seine Verhaftung, sondern auch seine Misshandlung durch die Politische Polizei auf dem Werkgelände geschehen. Kopper bestätigt den Sachverhalt: "Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als der Einsatz von Folter durch die Politische Polizei bereits in der brasilianischen und in der deutschen Öffentlichkeit bekannt war."
1969 habe die Zusammenarbeit des Werkschutzes mit der Geheimpolizei begonnen, heißt es in seiner Studie weiter. "Die Korrespondenz mit dem Vorstand in Wolfsburg zeigt bis 1979 eine uneingeschränkte Billigung der Militärregierung." Das Management von VW do Brasil habe sich dadurch ein günstiges Marktumfeld sichern wollen. Die Jahre der Militärdiktatur waren auch für Volkswagen wirtschaftlich erfolgreich. Rund 28.000 Mitarbeiter beschäftigte der Autobauer in seinem Werk in São Bernardo do Campo in der Nähe von São Paulo zu dieser Zeit.
Prominentestes Opfer: Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva
"Die Informationen des Werkschutzes über die Funde illegaler Flugblätter und Zeitungen halfen der Politischen Polizei, Informationen über kommunistische Aktivitäten bei VW zu gewinnen und den Kreis der Verdächtigen einzugrenzen", führt Kopper aus. Immer wieder wurden oppositionelle Arbeiter aufgrund dieser Informationen verhaftet und gefoltert. Der bekannteste Arbeiter ist Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der zu dieser Zeit Gewerkschaftsführer war. Auch Lula wurde vom Werkschutz observiert, diese Informationen führten dann zu seiner Verhaftung.
Auf dem Gelände des Werks in São Bernardo do Campo enthüllten Angestellte eine Gedenktafel für die Opfer des Regimes. VW prüft auch Opferentschädigungen. Ein Sprecher betonte, man arbeite mit den Behörden in Brasilien zusammen, bisher sei aber keine Anklage erhoben worden. "Es bleibt abzuwarten, wie die Staatsanwaltschaft die Studie bewertet", so der VW-Sprecher. Man stelle sich der Verantwortung.
Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck, der den 73-jährigen Bellentani vertritt, erklärte, VW müsse sich konkreter äußern. Es gehe nicht nur um individuelle Entschädigungen, sondern um die Forderung der VW-Arbeiter nach einer Gedenk- und Begegnungsstätte, um auch Jugendliche über die
Zusammenarbeit von VW do Brasil mit der Diktatur informieren zu können. Das müsse für einen Weltkonzern doch ein Leichtes sein.
VW do Brasil ist seit 1953 in dem südamerikanischen Land aktiv und dort der größte Autobauer. Derzeit hat das Unternehmen 20.000 Mitarbeiter.
se/fab (epd, dpa, rtr)