Wachsende Ungeduld bei Bebenopfern in Haiti
15. Januar 2010Das Jahrhundertbeben im Karibik-Staat Haiti hat eine gigantische internationale Hilfsaktion ausgelöst: Doch während mit jeder Stunde die Chancen schwinden, noch Überlebende unter den Trümmern eingestürzter Häuser zu finden, dringen die Helfer aus aller Welt nur mühsam in das Katastrophengebiet vor.
Nadelöhr Flughafen
Als größtes Hindernis erwies sich der beschädigte Flughafen der Hauptstadt Port-au-Prince. "Dank der sofortigen Hilfe so vieler Staaten haben wir sehr viel Personal und Hilfsgüter. Aber wir müssen sie ja auch ins Land bringen. Die Flughäfen sind der Flaschenhals", klagte UN-Nothilfekoordinator John Holmes. Nach seinen Worten werden vor allem sauberes Wasser, Nahrungsmittel und Medizin benötigt.
Schreckliche Szenen
Die Helfer, die Port-au-Prince erreichten, stießen auf Chaos, Tod und Verwüstung. Zwischen Leichenbergen und Ruinen irrten tausende Menschen verletzt, hungernd und traumatisiert durch die Trümmerstadt. Erste Plünderungen wurden gemeldet. Luftbilder zeigten Landschaften wie nach einem Flächenbombardement.
Haitis Regierung geht davon aus, dass durch das Beben vom vergangenen Dienstag (12.01.2010) zwischen 50.000 und 100.000 Menschen ums Leben kamen. Soldaten der UN-Friedenstruppe in Haiti begannen damit, die Beisetzung von Erdbebenopfern in Massengräbern vorzubereiten. Vor der Leichenhalle des Zentralkrankenhauses von Port-au-Prince wurden Hunderte Tote zusammengetragen.
Die UN-Soldaten sehen sich inzwischen mit wachsender Ungeduld von Überlebenden konfrontiert, die über den langsamen Verlauf der Hilfsmaßnahmen aufgebracht sind. "Sie werden langsam wütender und ungeduldiger", sagte ein Sprecher der UN-Friedensmission. "Sie wollen, dass wir ihnen Hilfe bringen, was wir natürlich auch wollen." Aber stattdessen sähen sie nur, wie die UN-Fahrzeuge durch die Straßen patrouillierten, um die Sicherheit aufrechtzuerhalten. Augenzeugen berichteten, einige Haitianer hätten aus Wut Straßensperren aus Leichen errichtet.
Langfristiger Wiederaufbau
Die USA und Frankreich machten sich unterdessen für eine internationale Wiederaufbau-Konferenz für Haiti stark. In einem Telefonat waren sich die Präsidenten Barack Obama und Nicolas Sarkozy einig, dass die Hilfe für den Karibikstaat langfristig koordiniert werden müsse. Die spanische EU-Ratspräsidentschaft plant für Montag ein Sondertreffen der europäischen Entwicklungshilfeminister. Auch Haitis gestürzter Ex-Präsident Jean Bertrand Aristide will beim Wiederaufbau helfen. Bereits in wenigen Tagen könne er mit Hilfsgütern in der Heimat landen, sagte er in seinem südafrikanischen Exil.
Das Deutsche Rote Kreuz will am Samstag von Berlin aus eine Frachtmaschine mit einer mobilen Mini-Klinik nach Haiti schicken. Rund 200 Kisten mit Zelten, Betten, Verbandsmaterial und Medikamenten soll die Maschine transportieren. Die mobile Gesundheitsstation könne innerhalb eines Tages aufgebaut werden, teilte die Organisation mit. In sieben großen Zelten sind die Helfer dann in der Lage, pro Tag bis zu 250 Patienten zu versorgen.
Autor: Christian Walz (dpa, apn, rtr, afp)
Redaktion: Michael Wehling