Waffenarsenale gefunden
17. Januar 2015Ganze Arsenale von Kalaschnikow-Sturmgewehren sind in dieser Woche bei Razzien entdeckt worden. Während sich die Ermittler fragen, wie die Paris-Attentäter an ihre Waffen gelangt sind, kommen Befürchtungen auf, der Schengen-Raum könne mit AK-47-Gewehren überflutet werden.
Bei der Razzia im belgischen Verviers am Donnerstag, bei der zwei Terrorverdächtige getötet wurden, wurden vier Kalaschnikow sichergestellt. Erst kurz zuvor hatten belgische Medien berichtet, dass Amedy Coulibaly, der in einem koscheren Supermarkt in Paris vier Geiseln getötet hatte, seine Automatikwaffen in Brüssel gekauft haben soll. Weniger als 5000 Euro habe er dafür an der Gare du Midi bezahlt. Ein Waffenhändler stellte sich der Polizei und gab an, mit Coulibaly Kontakt gehabt zu haben. Unter anderem habe er ihm ein Auto verkauft - dafür fanden die Behörden kurz darauf auch Beweise. In Frankreich entdeckte die Polizei gleichzeitig ein von Coulibaly vor kurzem gemietetes Haus, das dieser als Lagerort für Waffen benutzt hatte. Gefunden wurden drei Kalaschnikow neuerer Bauart sowie eine Granatenabschussrampe.
Für die Ermittler, die den Ursprung der Waffen nachzuvollziehen versuchen, ist es keine Überraschung, dass die Terroristen im Stande waren, an solche Waffen zu gelangen. Nic Marsh, Wissenschaftler am Institut für Friedensforschung in Oslo, sagt: "Natürlich gibt es die Waffen nicht an jeder Straßenecke zu kaufen. Aber wer Kontakte in kriminelle Kreise hat und die Waffen unbedingt kaufen möchte, kriegt das auch ohne größere Probleme hin."
Netzwerke im Untergrund
Die Waffen wurden wahrscheinlich über Drogenhändler oder über die organisierte Kriminalität beschafft. Ebenso wahrscheinlich ist, dass der oder die Verkäufer nicht wussten, zu welchem Zweck die Waffen eingesetzt werden sollten. Marsh geht davon aus, dass die Verkäufer nicht darauf spezialisiert waren, politische Extremisten zu bewaffnen. Vermutlich zählen die Staaten des ehemaligen Jugoslawien zu den Quellenländern, da hier viele Waffen aus der Bürgerkriegszeit in Privatbesitz verblieben sind. "Da kauft jemand für ein paar hundert Euro eine Waffe in Bosnien und verkauft sie für ein paar tausend Euro in Frankreich, Belgien oder den Niederlanden weiter", so Marsh, "das ist ein Business".
Doch auch wenn diese Automatikwaffen anscheinend leicht zu bekommen sind - besonders populär sind sie offenbar nicht. Sie werden vor allem für Delikte wie Bankraub eingesetzt und machen insgesamt nur einen sehr kleinen Teil der in Europa illegal zirkulierenden Waffen aus. Kriminelle bevorzugen nach Angaben von Ermittlern lieber kleine Pistolen, die leichter am Körper zu verbergen sowie besser zu bedienen und zu transportieren sind.
Auch Claude Moniquet, Vize-Direktor des Europäischen Strategie- und Sicherheitszentrums in Brüssel, sieht den Ursprung vieler Waffen auf dem Balkan: "Von da aus können sie ziemlich einfach importiert werden."
Nicht nur im Schengen-Raum, auch in Großbritannien kursieren Waffen aus dieser Region. "Die EU-Staaten müssen unbedingt zusammenarbeiten, um die Waffenversorgung aus dem Balkan abzuschneiden und die Lieferungen aus anderen Teilen der Welt, zum Beispiel Nordafrika, zu unterbinden", forderte die britische Innenministerin Theresa May in der vergangenen Woche im Unterhaus.
Tschechischer Ursprung
Die französische Polizei hat bislang keine Angaben dazu gemacht, woher die Waffen des "Charlie Hebdo"-Attentates kamen. Sie bestätigte auch nicht, dass sie von außerhalb Frankreichs stammten.
Doch es gibt Anhaltspunkte. Bevor er den Supermarkt überfiel, drehte Coulibaly noch ein Video von sich selbst. Es zeigt ihn neben einer Maschinenpistole, die Experten als Skorpion-Maschinenpistole aus tschechischer Herstellung identifizieren. Nic Marsh bestätigt, dass gerade diese Waffe zu den am häufigsten weiterverkauften überhaupt gehört. "Diese Maschinenpistole ist allerdings wohl kaum direkt aus Prag geliefert worden. Es wird extrem schwierig, den genauen Weg nachzuzeichnen."
Bis heute fraglich ist, wie die Terroristen ihre Waffenkäufe finanziert haben. Sowohl Coulibaly als auch die Kouachi-Brüder behaupteten zwar, von ausländischen Terrororganisationen unterstützt worden zu sein. Inzwischen kam aber heraus, dass sich zumindest Coulibaly Anfang Dezember 2014 6000 Euro bei der französischen Bank Cofidis geliehen hatte. Seine Einkommensverhältnisse hatte er dabei auf dem Kreditantrag verfälscht.
Handlungsbereitschaft der Politik
Die EU-Innenminister hatten sich im Dezember mit ihren Kollegen aus den Balkanländern auf einen Kooperations-Entwurf geeinigt, der dabei helfen soll, Schwarzhandel von Waffen zwischen der EU und Südosteuropa zu unterbinden. Über einen ähnlichen Plan zwischen der EU und den Staaten Nordafrikas wird ebenfalls nachgedacht.
Jüngste Zahlen, denen zufolge Frankreich voll von illegalen Waffen sei - von 10 bis 20 Millionen war die Rede -, weist Marsh als falsch zurück. Gemäß den derzeit gültigen Waffengesetzen müssen etwa manuelle Handfeuerwaffen beim Kauf registriert werden. Für gewöhnlich erledigt das der Händler. Besitzer müssen aber nicht alle Waffen, die in ihrem Besitz sind anzeigen. In früheren Jahren mussten Käufe überhaupt nicht registriert werden. Viele Waffen befinden sich also unregistriert, aber völlig legal im Land.