1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wieder Bürgerkrieg?

Klaus Jansen27. Dezember 2013

Im Südsudan hat sich die Regierung zu einer Waffenruhe bereit erklärt. Folgen jetzt die Rebellen dem Schritt? In der Region kämpfen Volksgruppen seit Jahrzehnten um Macht und ums Überleben.

https://p.dw.com/p/1Ahgy
Südsudan: ein bewaffneter Hirte (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Der Südsudan, das jüngste und gleichzeitig eines der ärmsten Länder der Welt, könnte im Fall einer Fortsetzung der Gewalt in einen weiteren Bürgerkrieg abrutschen. Hintergrund ist der Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und Ex-Vizepräsident Riek Machar. Deutschlands neuer Außenminister Frank Walter Steinmeier warnte wie viele seiner Amtskollegen, es müsse verhindert werden, dass das ganze Land von den Kämpfen erfasst werde. Hunderte Menschen sind in den Wochen vor Weihnachten getötet worden, zehntausende sind auf der Flucht. Was in der Hauptstadt Juba begann, hat sich auf weitere Provinzen des Landes ausgeweitet, auch wenn Südsudan-Forscherin Mareike Schomerus von der London School of Economics betont: "Die meisten Menschen im Südsudan sind davon nicht betroffen."

Seit Jahrzehnten bekämpfen sich in der Region verschiedene Volksgruppen. Insgesamt fast 50 Jahre Bürgerkrieg hat der Sudan überstehen müssen, erst 2005 gab es ein Friedensabkommen. Bis dahin starben über zwei Millionen Menschen durch die Konflikte. Rebellengruppen aus dem Süden lehnten sich immer wieder gegen die Regierung im Norden auf, ab den 1980er Jahren vor allem die Sudanesische Volksbefreiungsarmee (SPLA) von John Garang.

Von Rebellen zu Politikern

Wichtige Politiker, die den Südsudan in den vergangenen Jahren geprägt haben, waren damals hochrangige Kommandeure der Rebellen. Auch der heutige Präsident Salva Kiir kämpfte an der Seite Garangs. Doch 1991 spaltete ein knapp 40-jähriger Befehlshaber die SPLA auf: Riek Machar, der spätere Vizepräsident des Südsudan. Garang wollte den Sudan als Ganzes reformieren, Machar setzte sich für einen autonomen Süden ein.

Widersacher Riek Machar und Salva Kirr, hier noch als Präsident und Vize (Foto: Reuters)
Widersacher Riek Machar und Salva Kirr, hier noch als Präsident und VizeBild: Reuters

Kiir und Machar tragen seit Jahrzehnten einen Machtkampf aus und gehören auch unterschiedlichen Volksgruppen an. Das wissen sie zu nutzen: Kiir baut auf die Unterstützung der Dinka, die mit etwa 40 Prozent die größte Volksgruppe sind. Machar, dem jetzt von Kiir ein Putschversuch vorgeworfen wurde, ist Angehöriger der Nuer, so wie etwa 20 Prozent der acht bis neun Millionen Südsudanesen. Diese Volksgruppen und ihre vielen Untergruppen werden "mobilisiert, instrumentalisiert und in vielerlei Hinsicht auch erfunden", erklärt Forscherin Mareike Schomerus.

Spaltung und Neubeginn

Die Rebellen der SPLA und die Regierung des Sudan verhandelten über Jahre, wie eine politische Lösung des Konflikts aussehen könnte. Bis 2005 wurden mehrere Übereinkommen getroffen, die schließlich im Friedensabkommen mündeten. Darin wurde auch festgelegt, dass die christlich geprägte Bevölkerung des Südens spätestens in sechs Jahren über ihre Unabhängigkeit vom islamischen Norden abstimmen sollte. Bis dahin sollten der Bevölkerung aber die Vorzüge eines weiterhin geeinten Sudan nahegebracht werden.

Doch noch im selben Jahr starb SPLA-Chef Garang bei einem Hubschrauber-Absturz. Seine Idee eines reformierten Gesamtsudan verlor schon bald an Bedeutung. Als die Bewohner des Südens 2011 schließlich über ihren Verbleib entschieden, stimmte fast jeder für die Unabhängigkeit. Doch das brachte neue Konflikte mit sich und ließ alte eskalieren.

Binnen-Flüchtlinge in einer UN-Basis bei Juba
Unter den Machtkämpfen leiden immer wieder ZivilistenBild: Reuters

Keine Verbesserung für die Menschen

Schon 2005 bekam der Süden weitreichende Autonomie und eine eigene Regierung, die nach dem Tode Garangs von Salva Kiir geleitet wird, bis 2013 mit Riek Machar als Vizepräsident. Für die Menschen im Land änderte sich seitdem kaum etwas: Die Mehrheit lebt weiterhin unterhalb der Armutsgrenze und kann nicht lesen oder schreiben. Es gibt kaum Ärzte oder geeignete Schulen.

Dass im Süden Sudans große Öllagerstätten entdeckt wurden, hilft den Bauern und Viehzüchtern im Land nicht. Der vermeintliche Reichtum erreicht die Bevölkerung nicht, stattdessen kommt es zu neuen Auseinandersetzungen um Förderrechte und den Abtransport des Öls. Denn die einzige Pipeline zum Export läuft durch den Sudan. Über Monate kam es zu Förderstopps und Grenzkonflikten zu Sudan und Südsudan, die Region kam nie ganz zur Ruhe.

Falsche Erwartungen?

Die momentanen Unruhen beruhen auf Feindseligkeiten innerhalb der immer noch existierenden Südsudanesischen Rebellenbewegung. Allein in Juba kamen mehr als 500 Menschen ums Leben. "Die Unabhängigkeit hat einen Vorhang gezogen über das, was in Wirklichkeit passiert ist", meint Südsudan-Forscherin Mareike Schomerus. Sie habe von vielen Problemen abgelenkt, auch Internationale Organisationen hätten lieber das beste angenommen als die Realität zu sehen.

Süd Sudan Un Mitarbeiter reisen aus 21. Dez. 2013
Zivile UN-Mitarbeiter verlassen das Land, jetzt werden die UN-Truppen verstärktBild: SIMON MAINA/AFP/Getty Images

Doch jetzt werden die alten Konflikte auch für die Weltöffentlichkeit wieder sichtbar, auch weil sie in der Hauptstadt Juba ihren Anfang nahmen, wo die internationale Gemeinschaft sich mit Vertretungen niedergelassen hatte. Die Erwartungen an den Südsudan waren vielleicht falsch, sagt Schomerus. "Was sollte denn dieser Staat im Jahr 2013 schon sein?" Vielleicht würden die internationalen Normen und Regularien auf diese Region nicht passen.

Zweieinhalb Jahre nach seiner Unabhängigkeit blickt die Welt wieder auf Südsudan. Die jüngste Weihnachtsansprache des Präsidenten klang trotz aller Probleme zuversichtlich, als Kiir versprach: "Ich habe meine Bereitschaft zum Dialog mit Riek Machar und eine friedliche Beilegung unserer Differenzen zum Ausdruck gebracht, um Frieden für diese neue Nation zu erreichen."