Wahl in Griechenland: Konservativer Durchmarsch
26. Juni 2023Kyriakos Mitsotakis hat sein Ziel erreicht. Dank einer erneuten Wahl mit einem neuen Wahlsystem kann seine Partei, die konservative Nea Dimokratia (ND), weiter allein regieren. 40,79 Prozent und 146 Parlamentssitze konnte die ND am 21. Mai gewinnen, am 25. Juni waren es 40,55 Prozent. Dank der 50 Bonus-Sitze, die ihr das neue Wahlrecht gewährt, verfügt sie nun über 158 Sitze und damit über die absolute Mehrheit im 300 Sitze zählenden griechischen Parlament, der Vouli.
Nach einer Nacht voller Feierlichkeiten will Mitsotakis schon heute seine neue Regierung präsentieren und "zügig die großen Reformen, die das Land dringend braucht, vorantreiben", wie er nach seinem Wahlsieg vor der ND-Parteizentrale ankündigte.
Der alte und neue Ministerpräsident versprach den nach vielen Krisenjahren müden Wählerinnen und Wählern Stabilität und Aufschwung. Seine Prioritäten seien Gehalts- und Rentenerhöhungen, Steuersenkungen und die Reform des Gesundheitswesens und der Justiz. Seine neue Regierung muss nun liefern - und seine größten Gegner werden die ewigen Schwächen des griechischen Staates sein: Missmanagement, Nepotismus und Korruption, für die seine Partei mindestens mitverantwortlich ist. Auf jeden Fall hat Mitsotakis nun den Auftrag und vier Jahre Zeit, einen, wie er sich ausdrückt, "digitalen, effizienten und freundlichen öffentlichen Dienst" aufzubauen.
Schwere Schlappe für Syriza
Eine starke parlamentarische Opposition wird Mitsotakis dabei nicht behindern. Die linke Syriza unter Alexis Tsipras kam bei der erneuten Wahl am 25. Juni nur noch auf 17,8 Prozent der Stimmen. Im Mai hatte sie noch 20 Prozent erreicht, vor vier Jahren waren es 31 Prozent. In den kommenden Monaten wird die ehemalige linksradikale und seit einigen Jahren eher pragmatische Partei, die das Land durch die schlimmsten Untiefen der Schuldenkrise navigierte, mit sich selbst beschäftigt sein. Syriza muss sich neu erfinden, um als regierungsfähige Partei zu überleben.
Den Sozialdemokraten von PASOK gelang die große Überraschung nicht. Die einstige Volkspartei konnte mit 11,8 Prozent etwas zulegen, ist aber immer noch nur die drittstärkste Kraft im Parlament. Es gelang ihr nicht, wie gewünscht, sich gegen Syriza zu behaupten. Die Kommunisten (ΚΚΕ) konnten ihren Anteil nur geringfügig auf 7,6 Prozent erhöhen.
Insgesamt ist das Abschneiden der sogenannten progressiven Kräfte in Griechenland das schlechteste der vergangenen 40 Jahre. Nicht einmal 38 Prozent der Wählerinnen und Wähler konnten alle drei Parteien für sich gewinnen, weniger als die konservative ND allein.
Einmaliger Rechtsruck
Sehr erfolgreich waren dagegen drei kleine Parteien rechts von der Nea Dimokratia. Spartiates, die Spartaner, eine rechtsextreme Organisation, die überhaupt erst seit drei Wochen öffentlich aktiv ist, konnte sich mit 4,7 Prozent ins Parlament katapultieren. Dies war nur möglich mit der Hilfe von Ilias Kasidiaris, dem verurteilten prominenten Mitglied der verbotenen Neonzai-Partei Goldene Morgenröte und Führer der Liste Ethniko Komma Ellines (Nationale Partei Griechen). Kasidiaris wurde aufgrund einer Entscheidung des griechischen Obersten Gerichts von den Wahlen ausgeschlossen. Aus dem Gefängnis heraus hatte er seinen Anhängern empfohlen - oder befohlen -, Spartiates zu wählen. Damit werden im neuen Parlament 12 potentielle Nachfolger der Neonazis sitzen.
Mit 4,5 Prozent konnte sich die Elliniki Lisi (Griechische Lösung) von Kyriakos Velopoulos wieder behaupten. Die fremdenfeindliche populistische Partei ist seit 2019 im Parlament und hat viele Ähnlichkeiten mit der deutschen Rechtsaußenpartei Alternative für Deutschland (AfD).
Im Vergleich zu Spartiates ist Elliniki Lisi fast moderat. Die eher russlandfreundliche Partei ist besonders in Nordgriechenland stark, dort wo viele Menschen das Prespa-Abkommen mit Nordmazedonien von 2018, mit dem der Namensstreit mit dem Nachbarland beigelegt wurde, immer noch als "Verrat" empfinden.
Genauso stark wie Elliniki Lisi ist in Nordgriechenland die Partei Niki, die vor wenigen Monaten quasi aus dem Nichts entstand und mit 3,7 Prozent der Stimmen immerhin 10 Abgeordnete ins neue Parlament schicken konnte. Niki ist eine christlich-fundamentalistische, dem griechisch-orthodoxem Klerus freundlich gesonnene Partei, ebenso fremdenfeindlich wie die anderen Rechtsparteien. Sie ist außerdem mit Kampagnen gegen Abtreibung aufgefallen.
Die extreme Rechte wird also mit drei Parteien im Parlament vertreten sein - und mit einem Stimmenanteil von fast 15 Prozent. Nicht einmal auf dem Gipfel der Wirtschafts- und Finanzkrise waren die Rechtsextremen in Griechenland so stark.
Dazu kommt die politisch undurchsichtige Plefsi Eleftherias der ehemaligen Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou, die Stimmen sowohl aus dem rechten als auch aus dem linken Lager bekam. Diese Eine-Frau-Partei hat den Einzug ins Parlament mit 3,17 Prozent knapp geschafft. Es ist aber völlig unklar, wofür sie steht.
Im europäischen Trend
Bei den Wahlen am 25. Juni erlebte das Mitte-Links-Lager also eine herbe Wahlniederlage. Der rechte Trend, der bereits in anderen west- und osteuropäischen Ländern besteht, ist damit nun auch in Griechenland sichtbar geworden. Der wiedergewählte Premierminister Kyriakos Mitsotakis muss in den kommenden vier Jahren nicht die Linken, sondern die Rechten genau im Auge behalten, sowohl außerhalb als auch innerhalb seiner Partei. Dabei wird die Versuchung, die sozialen und bürgerlichen Rechte und insbesondere die Rechte der Flüchtlinge und Migranten weiter einzuschränken, groß sein. Das Wahlergebnis hat gezeigt, dass ihm weder die Abhöraffäre noch das Flüchtlingsdrama vor Pylos geschadet haben. Diese Themen, die für die Linken wichtig und relevant waren, spielten bei den Wahlen keine Rolle.