Israel: Bibi gegen Benny - zum dritten Mal
1. März 2020Kurz vor der erneuten Parlamentswahl in Israel ist die Wahlkampf-Berichterstattung zeitweise auf die hinteren Plätze gerutscht. Dafür bestimmt die weltweite Ausbreitung des Corona-Virus die Schlagzeilen in den israelischen Medien. Das Land hat strikte Maßnahmen ergriffen: Einwohner sind aufgefordert, keine unnötigen Reisen ins Ausland zu machen, und es gibt Einreisebeschränkungen für Besucher aus mehreren asiatischen Ländern. Israelis, die aus Ländern zurückkehren, in denen die Virus-Epidemie ausgebrochen ist, müssen sich in Quarantäne begeben.
Unterdessen sind der noch amtierende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (Likud) und sein stärkster Kontrahent Benjamin Gantz (Bündnis Blau-Weiß) im ganzen Land unterwegs. Bibi und Benny, wie sie in Israel auch heißen, wollen die Wähler überzeugen, ihnen am 2. März ihre Stimme zu geben.
Doch insgesamt verlief der dritte Wahlkampf innerhalb eines Jahres von "schleppend bis komatös", so israelische Kommentatoren. "Die Parteien können keine wirklich neuen Wahlkampfthemen bringen, alles wurde schon bei der ersten und zweiten Wahl gesagt", so Tal Schneider von der Wirtschaftszeitung "Globes". "Das Hauptthema bleibt, dass wir seit einem Jahr ohne Regierung sind. Die Knesset, das israelische Parlament, arbeitet nicht richtig und natürlich wollen die Leute diese Zeit hinter sich bringen und nach vorne schauen, mit einer Regierung, die sich um ihre Belange kümmert."
Politischer Patt - und kein Ende in Sicht
Bei der Wahl im April ebenso wie im zweiten Wahlgang im September 2019 gelang es weder Netanjahu und seinen rechts-religiösen Koalitionspartnern noch Gantz und seinem Mitte-Links-Block, die erforderlichen 61 Sitze in der Knesset zu bekommen, um eine Regierung zu bilden. Und auch bei der jetzigen dritten Wahl in Folge ist unklar, ob sie den politischen Stillstand im israelischen Parlament beenden wird. Umfragen prognostizieren eine erneute Pattsituation der politischen Lager. Laut Israeli Democracy Institute rechnen 30 Prozent der befragten Israelis damit, dass auch nach dieser Wahl die Regierungsbildung nicht klappt.
Wie zuvor, so ist auch dieses Mal die Wahl vor allem eine Entscheidung für oder gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der auf eine bedeutende Wählerbasis zählen kann. "Die Leute schauen zuerst auf den Politiker und dann auf dessen Politik. Aber ein bestimmtes Thema, das die Wähler interessiert? Das gibt es vielleicht, aber darum geht es nicht bei dieser Wahl", sagt Gideon Rahat, Politikwissenschaftler an der Hebräischen Universität und am Israeli Democracy Institute.
Für den langjährigen Ministerpräsidenten geht es auch um seine politische Zukunft: Mitte März muss er wegen mehrerer Korruptionsklagen vor Gericht erscheinen. Die Anklagen waren einer der Gründe, aus denen Gantz eine große Koalition mit dem Likud unter Netanjahu nach der Septemberwahl ablehnte. "Netanjahu wird nur mit sich selbst beschäftigt sein. Er wird nicht in der Lage sein, sich um die Interessen der israelischen Bürger zu kümmern", betont Benny Gantz auch in diesem Wahlkampf in der Stadt Rehovot.
Zu Gantz' Lager wird die Allianz der Arbeitspartei und der linken Meretz gezählt. Ohne die Unterstützung der arabisch-israelischen Vereinigten Liste dürfte es für Gantz aber wieder eng werden. Als Königsmacher gilt auch dieses Mal Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman von der rechten Partei Israel Beiteinu.
Für Blau-Weiß-Wähler geht es aber auch um andere Themen, sagt Ron Littman, der im September als Wahlhelfer für die Partei in Jerusalem unterwegs war. "Der israelische Diskurs ist durchzogen von sehr viel Hass und Spaltung. Wir brauchen jemanden, der die verschiedenen Lager im Land wieder zusammenführen kann, und Blau-Weiß versucht das."
Wahlversprechen des "Magiers"
Netanjahu, der alle Vorwürfe zurückweist und die Korruptionsklagen als politische Hetzjagd beschreibt, zog unterdessen ein Wahlversprechen nach dem anderen aus dem Ärmel und wurde seinem Spitznamen "der Magier" gerecht, mit dem seine Anhängern ihn oft beschreiben. Verurteilten Nutzern von Marihuana versicherte er, er werde sich dafür einsetzen, deren polizeiliche Akten zu löschen. Der äthiopisch-jüdischen Gemeinde sicherte er weitere Familien-Zusammenführungen zu. Dem rechten Siedlerlager versprach er neuen Siedlungsbau rund um Jerusalem, unter anderem in dem umstrittenen E1-Gebiet nahe Ostjerusalem.
Auch die Annektierung der Siedlungen und des Jordantals im israelisch besetzten Westjordanland auf der Basis von US-Präsident Donald Trumps Nahostplan steht weiterhin im Raum. Dass das Versprechen nicht gleich umgesetzt wurde, sorgte in Siedlerkreisen für scharfe Kritik - doch es ist fraglich, ob Netanjahu das Stimmen im rechten Lager kosten wird. "Ich denke, es sollte alle noch mehr dazu bewegen, wählen zu gehen und den rechten Block noch stärker zu machen", fordert Daniel Shitrit. Er nimmt vor der Residenz des Ministerpräsidenten in Jerusalem an einer "Souveränität Jetzt"-Demonstration von Siedlern teil. Sie brauchen einen starken rechts-nationalen Block, um die Annektierung durchzusetzen und damit den von ihnen abgelehnten palästinensischen Staat zu verhindern.
Doch der Trump-Plan ist nicht das entscheidende Thema bei dieser Wahl. "Netanjahu ist bekannt dafür, dass er viele Versprechen macht", erklärt die israelische Journalistin Tal Schneider. Zentral sei aber die Frage: Schaffen es die Parteien diesmal, eine Koalitionsregierung zu bilden - oder wird es eine erneute, eine vierte Wahl geben?