Wahl in Sachsen-Anhalt: Alle gegen die AfD
5. Juni 2021Reiner Haseloff wirkt extrem genervt, er runzelt die Stirn, schüttelt den Kopf. Seit über zehn Jahren regiert der 67 Jahre alte Physiker Sachsen-Anhalt, er stellt sich auch am kommenden Sonntag zur Wahl. Gerade führt er ein Bündnis seiner CDU mit der SPD und den Grünen an. Aber ob es diesmal dafür noch reicht? Die Rechtspopulisten von der "Alternative für Deutschland" (AfD) sind stark. Sie waren schon immer stark in diesem Bundesland. 24 Prozent werden ihnen in dem Umfragen zugetraut, soviel bekamen sie auch bei der letzten Wahl vor fünf Jahren.
In manchen Umfragen haben sie die CDU auch schon mal überholt. Deshalb wiederholt Haseloff mit angespanntem Gesicht in der Wahl-Arena des Mitteldeutschen Rundfunks, was er schon oft gesagt hat: "Es gibt eine klare Ansage: Die steht auch hier mit mir als Person. Ich habe klar festgemacht, dass mit meiner Person eine Koalition in Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen ist", so Haseloff. "Wenn die CDU einen Regierungsauftrag bekommt, dann wird es nur eine entsprechende Koalition in der Mitte mit entsprechenden Parteien geben."
Viele CDU-Politiker liebäugeln mit der AfD
Das kann schwierig werden: Die jetzige Koalition - wegen ihrer drei Farben Schwarz, Rot und Grün auch Kenia-Koalition genannt - könnte die Mehrheit verlieren. Immer wieder sind die extrem unterschiedlichen drei Partner in den Regierungsjahren aneinander geraten. Die Nerven liegen blank. Und nicht wenige CDU-Politiker in Sachsen-Anhalt, einem eher rechten CDU-Landesverband, liebäugeln offen damit, zusammen mit den Rechtspopulisten eine Koalition zu bilden. Haseloff weiß, dass das gegen die Bundes-CDU mit Parteichef und Kanzlerkandidat Armin Laschet an der Spitze nur etwas mehr als drei Monate vor der Bundestagswahl ein fatales Signal aussenden würde.
Hoffnung auf eine Beteiligung der FDP
Nach jüngsten Umfragen haben die Liberalen von der FDP gute Chancen, wieder in den Landtag einzuziehen. Dann könnten sie mithelfen, Haseloff nochmal eine Mehrheit zu sichern. Eine übergroße Mehrheit der Menschen in Sachsen-Anhalt würde den CDU-Politiker tatsächlich gern weiter im Amt sehen. Aber es gibt auch viele Skeptiker, die sagen: Eine Vierer-Koalition, nur um die AfD von der Macht fernzuhalten, ist auch für die Demokratie in ganz Deutschland kein guter Ansatz.
Sachsen-Anhalt: Für die Grünen ein schwieriges Feld
Die Grünen, bundespolitisch im Aufwind, schafften vor fünf Jahren nur knapp den Einzug in den Landtag und können jetzt mit neun bis zehn Prozent der Stimmen rechnen. Viel mehr also als zuletzt, aber bei weitem nicht so viel wie woanders in Deutschland. Entsprechend schwer tut sich Kanzlerkandidatin und Parteichefin Annalena Baerbock bei ihrem Wahlkampfauftritt in der Landeshauptstadt Magdeburg. Sie spricht über Rassismus und Antisemitismus, nicht nur in Sachsen-Anhalt: "Dass gestern oder vorgestern hier jemand angegriffen wurde, weil er eine Kippa getragen hat, auch das ist Realität in unserem Land. Und auch da heißt es, gemeinsam dagegen einzustehen. Und zwar jeden Tag. Auf der Straße, am Arbeitsplatz."
In Halle erschoss im Oktober 2019ein junger rechtsextremistischer Terrorist zwei Menschen, nachdem er versucht hatte, in die Synagoge der Stadt einzudringen. Das löste weltweit Entsetzen aus.
Ein kleines Land mit großen Problemen
Sachsen-Anhalt ist ein eher dünn besiedeltes Bundesland in schwierigen Umbrüchen. Die größte Stadt ist Halle mit rund 237.000 Einwohnern, die Landeshauptstadt Magdeburg hat rund 235.000 Einwohner. Demokratie-Ablehnung und Rechtspopulismus sind vor allem auf dem Land weit verbreitet.
Der Durchschnittslohn liegt in Sachsen-Anhalt rund 700 Euro unter dem bundesweiten Schnitt. Auf dem Land fehlen Lehrer in den Schulen, werden Krankenhäuser geschlossen. Dafür stehen in Sachsen-Anhalt vergleichsweise mehr Windräder als in vielen anderen Bundesländern. Und der von der Bundesregierung beschlossene Ausstieg aus der Kohle trifft die Braunkohlereviere im Land heftig. Die AfD macht Stimmung gegen eine engagierte Klimaschutzpolitik, gegen Windräder auf dem Land statt dem Kohlebergbau.
Ihr Spitzenkandidat Oliver Kirchner sagte während der Wahlsendung des MDR an die Adresse der Regierungsparteien, sowohl in Magdeburg als auch in Berlin: "Der Mittelstand will kein Erneuerbares Energien-Gesetz. Der Mittelstand will auch keine CO2-Steuer. Der Mittelstand will das nicht. Das Weltklima retten Sie nicht von Deutschland aus, das retten Sie von Indien aus, das retten Sie von China aus, von Russland aus."
Gegen Klimaschutz und Geflüchtete
Kirchner macht immer wieder mit Attacken gegen Geflüchtete von sich reden. In einem Text der Zeitung "Volksstimme" formulierte er etwa: "Die Leute, die in unser Sozialsystem eingewandert sind, müssen wieder nach Hause geschickt werden, die müssen ihr Land aufbauen." Und wie viele Vertreter seiner Partei lässt er kaum ein gutes Haar an der Corona-Politik von Bund und Ländern.
Alle demokratischen Parteien, die sich in Sachsen-Anhalt zur Wahl stellen, versichern: Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Obwohl es die in den vergangenen Jahren punktuell zwischen CDU und AfD dennoch gab, sehr zum Missfallen von Haseloff.
Die Annäherung von CDU und AfD auch in Zukunft weiter zu unterbinden, wird für Reiner Haseloff extrem schwer, auch wenn er gute Chancen hat, wiedergewählt zu werden. Die Wahl an diesem Sonntag ist die letzte vor der Bundestagswahl, auch deshalb schauen alle Parteien gebannt auf das kleine Land in der Mitte Deutschlands.