Repräsentantenhaus: Wahldebakel für Republikaner McCarthy
4. Januar 2023Der Fraktionschef der Republikaner, Kevin McCarthy, ist bei der Wahl zum mächtigen Speaker des Repräsentantenhauses in drei Abstimmungsrunden am Widerstand des konservativen Flügels seiner Partei gescheitert. Es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass bei der Wahl zu dem einflussreichen Amt mehr als ein Anlauf nötig ist und eine Fraktion ihrem Kandidaten im ersten Durchgang die Gefolgschaft verweigert.
Nach den drei Abstimmungen vertagte sich die Parlamentskammer auf Mittwochmittag (Ortszeit). Jeder Wahlgang ist langwierig, weil alle Abgeordneten einzeln aufgerufen werden, um ihren Wunsch-Kandidaten zu benennen. Und bis der Vorsitz geklärt ist, geht im Repräsentantenhaus gar nichts: Nicht mal die neuen Abgeordneten können vereidigt werden.
Erbitterter Richtungsstreit
Nach den Parlamentswahlen im November kam der Kongress am Dienstag erstmals in neuer Konstellation zusammen. Die Republikaner übernahmen die Kontrolle im Repräsentantenhaus - im Senat haben die Demokraten von Präsident Joe Biden weiter eine knappe Mehrheit. Der erbitterte interne Kampf der Republikaner um die Führung im Repräsentantenhaus wütet seit Wochen. Nun kam es aber für McCarthy noch schlimmer als erwartet.
Der Posten des Vorsitzenden in der Kammer, den in den vergangenen Jahren die Demokratin Nancy Pelosi innehatte, steht in der staatlichen Rangfolge der USA an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dessen Vize. Üblicherweise ist die Wahl eine Formalie. Doch mehrere Parteikollegen lehnten sich gegen McCarthy auf und hatten bereits vor der Wahl deutlich gemacht, nicht für McCarthy stimmen zu wollen. Dieser machte etliche Zugeständnisse an seine Gegner, denn angesichts einer knappen Mehrheit der Republikaner in der Kammer ist er auf fast jede Stimme angewiesen.
McCarthy gedemütigt
Für McCarthy ist seine Niederlage in den Wahlgängen eine öffentliche Bloßstellung, die auch die Zerrissenheit der Partei zeigt. Es ist hundert Jahre her, dass ein Kandidat bei der Abstimmung zum Vorsitz im Repräsentantenhaus nicht im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit erreichte: 1923 waren neun Wahlgänge nötig, um einen Vorsitzenden zu bestimmen. Damals dauerte das Ganze mehrere Tage. In den 1850er Jahren waren sogar 133 Wahlgänge über zwei Monate benötigt worden, um den Vorsitzenden zu wählen - das ist der bisherige Rekord.
In den ersten beiden Wahlgängen in der der konstituierenden Sitzung der Parlamentskammer hatten sich 19 Parteikollegen gegen McCarthy aufgelehnt und anderen Kandidaten ihre Stimme gegeben. Im dritten Anlauf waren es dann sogar 20. In den ersten beiden Wahlrunden erhielt der demokratische Abgeordnete Hakeem Jeffries mit 212 Stimmen sogar mehr als McCarthy, der es auf 203 brachte. Für die Wahl waren aber 218 stimmen notwendig.
Nach dem ersten Wahlgang hatte der republikanische Abgeordnete Jim Jordan McCarthy für den zweiten Anlauf nominiert und seinen Parteikollegen ins Gewissen geredet, die Reihen zu schließen. Doch dann holte direkt im Anschluss einer der härtesten Gegner McCarthys, der Parlamentarier Matt Gaetz, zum Schlag aus - und nominierte ausgerechnet Jordan. Jordan ist ein Getreuer von Ex-Präsident Donald Trump und versammelte schließlich in der zweiten Runde alle 19 Abweichler hinter sich.
Auch wenn sich McCarthy am Ende durchsetzen sollte, wird der 57-Jährige geschwächt aus dem Gerangel hervorgehen und muss sich in den kommenden Jahren auf einige Schwierigkeiten einstellen bei der Organisation von Mehrheiten in der Kongresskammer.
Ideologisches Tauziehen
McCarthy legte am Dienstag sichtlich verärgert offen, am Montag sei ihm gesagt worden, er werde nur die nötigen Stimmen bekommen, wenn er bestimmte Mitglieder der Fraktion mit bestimmten Ämtern und Etats versorge. Sein Gegner Gaetz habe sogar unverblümt gesagt, ihm sei es egal, wenn im Zweifel der Kandidat der Demokraten die Wahl gewinne. Seinen Widersachern gehe es allein um das persönliche Fortkommen, nicht um das Land, so McCarthy.
Die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus ist wie die gesamte Partei zerrissen zwischen rechten Anhängern Trumps und moderateren Parteimitgliedern. Angesichts der nur knappen Mehrheit muss McCarthy die verschiedenen Flügel hinter sich vereinen und selbst Mitglieder vom äußersten Rand seiner Fraktion für sich gewinnen, um Vorsitzender zu werden. Die Demokraten haben keine Chance, aus eigener Kraft den Vorsitzenden zu stellen, weil sie die kleinere Fraktion in der Kammer sind.
kle/fw (dpa, rtr, afp, ape)