Wahlsieger Friede?
9. März 2014Nichts ist unmöglich: "Wir versöhnen uns gerade mit einer Guerilla. Wie soll ich mich da nicht auch mit Uribe versöhnen?", fragte Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos neulich auf einem Unternehmerkongress in Madrid. Der Heiterkeitsausbruch im Publikum konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der amtierende Staatschef die größten Probleme im aktuellen Wahlkampf mit Álvaro Uribe Vélez hat, seinem Amtsvorgänger (2002-2010) und ehemaligem politischen Mentor.
Volksabstimmung über ein Lebenswerk
Uribe kann Santos' Lebenswerk gefährden, das Projekt, mit dem er sich in den kolumbianischen Geschichtsbüchern verewigen will: Seit anderthalb Jahren verhandelt seine Regierung mit der Guerillaorganisation FARC über einen Friedensschluss. Die FARC hat Kolumbien jahrzehntelang terrorisiert, in dem Konflikt sind 200.000 Menschen ums Leben gekommen.
Zu den wenigen Menschen in Kolumbien, die gegen Gespräche mit der FARC sind, gehört Álvaro Uribe. Und der Kandidat für einen Sitz im Kongress lässt keine Gelegenheit aus, das zu sagen.
Denn die Parlamentswahlen sollen auch eine Volksabstimmung über den Friedensprozess und die Verhandlungen werden. Wenn es Santos nun gelingt, seinem liberalen Drei-Parteien-Bündnis Nationale Einheit zu einer überzeugenden Mehrheit im Parlament zu verhelfen, würde das seine Position bei den Gesprächen mit der Terrororganisation stärken. Und das wiederum wäre eine ideale Ausgangsposition für Santos' nächstes Projekt: Seine Wiederwahl als Staatschef im kommenden Mai.
Test für die Präsidentschaftswahlen
Seit Wochen diskutieren Experten darüber, ob und wie die Parlamentswahlen als richtungsweisender Test für die Abstimmung über das Staatsoberhaupt in zweieinhalb Monaten gelten können. Das seien sie ohne Zweifel, sagt Alejandra Barrios, Direktorin der unabhängigen Misión de Observación Electoral (MOE), einer Organisationen, die den korrekten Ablauf von Wahlen beobachtet: "Die Ergebnisse werden die Wähler natürlich auch bei den Präsidentschaftswahlen beeinflussen. Sie werden sich auf den möglichen Sieger einstellen können."
Der Effekt könne sich aber in beide Richtungen auswirken, warnt der Verfassungsrechtler Juan Manuel Charry: "Die Parlamentswahlen definieren auch die Aufstellung der Präsidentschaftskandidaten neu. Es kann sogar sein, dass Wähler anders abstimmen, als sie es eigentlich vorhatten und ihre Stimme demjenigen geben, der die besten Aussichten hat, während ihr eigentlicher Favorit keine Chancen hat."
Der Analyst Ancízar Marroquin schließlich glaubt an überhaupt keinen Zusammenhang - das sei vorbei: "Kolumbien hat sich von einer ländlichen zu einer urbanen Gesellschaft gewandelt. Das heißt auch, dass die Bürger heute unabhängiger von ihren Politikern sind."
Favoriten trotz Kritik
In den Umfragen gelten Santos und seine Partei bei beiden Wahlen als Favoriten. 32 Prozent würde das Bündnis bekommen. Die linken Parteien, die auch für das Friedensabkommen sind, sollen auf 18 Prozent der Stimmen kommen. Da auch viele konservative Abgeordnete dem Abkommen zustimmen, stehen mehr als 50 Prozent hinter dem Projekt. Der alte Hardliner und Ex-Präsident Uribe wird den Friedensschluss kaum verhindern können. Seine neu gegründete Partei Centro Democrático kann aber mit 23 Prozent rechnen und zweite politische Kraft im Land werden.
Santos musste sich in seiner ersten Amtszeit viel Kritik anhören: Auf die Bauernproteste, die letztes Jahr das halbe Land tagelang lahmlegten, hatte er mit Militär und harter Hand reagiert. Kritiker warfen der Regierung damals vor, keine schlüssige soziale Strategie zu haben. Auch die liberale Wirtschaftspolitik kam nicht überall gut an. Dass sie Kolumbien insgesamt nach vorne gebracht hat, steht außer Frage: Die Armut ging zurück, die Arbeitslosigkeit liegt bei 8,5 Prozent - Tendenz fallend. Das Land gehört inzwischen der Pazifik-Allianz an, einem Wirtschaftsbündnis, das dem chronisch blockierten und ineffizienten südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur erfolgreich Konkurrenz macht. Jetzt sollen Infrastrukturmaßnahmen ausländische Investoren ins Land locken.
Wahlmanipulation wird befürchtet
Doch daneben gibt es nach wie vor Probleme, die gelöst werden müssen - ganz vorne stehen dabei Drogen und Gewalt. Letztere ist auch unmittelbares Thema bei den Wahlen: Alejandra Barrios von der MOE rechnet in 260 Gemeinden mit Manipulationen der Wahlen durch illegale bewaffnete Gruppen. Das betrifft vor allem Regionen im Südosten des Landes. Und die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hat schon jetzt an die 300 Verstöße gegen einen fairen Verlauf der Wahlen registriert, darunter politische Einflussnahme, Korruption, gefälschte Ausweispapiere und Stimmenkauf. Internationale Beobachter werden bei der Abstimmung dabei sein.
Für die kleineren Parteien wird die Abstimmung zur Zitterpartie: Denn das neue Wahlrecht hat die Sperrklausel von zwei auf drei Prozent angehoben. Viele Gruppen aus den linken Sozialbewegungen und Minderheitenparteien könnten an der neuen Hürde scheitern.