Wer wäre der grünste französische Präsident?
18. April 2017Wenige Tage vor den Wahlen in Frankreich hat Jean-Luc Melenchon an Stimmen zugelegt. Einen großen Teil seines plötzlichen Aufstiegs hat der der linke Scharfmacher wohl seinem Kontrahenten Emmanuel Macron zu verdanken: Der ehemalige Investmentbanker und Wirtschaftsminister, der letztes Jahr seine eigene Partei En Marche! gegründet hatte, hat laut Melenchon zu enge Verbindungen in die Finanzwelt.
Melenchon beansprucht für sich, von allen Kandidaten der umweltfreundlichste zu sein. Und vielleicht ist es auch das, was seine Wähler überzeugt. Zahlen des Meinungsforschungsunternehmens Kantar Sofres von letzter Woche zeigen, dass der linke Politiker 18 Prozent der Wählerstimmen erhalten würde.
Damit liegt er vor den Mitte-links und Mitte-rechts stehenden Kandidaten der großen Parteien - Benoît Hamon und François Fillon - und ist Macron und Marine Le Pen, die das Rennen um die Präsidentschaft bisher weitgehend unter sich ausmachten, zumindest eng auf den Fersen. Beide stehen bei bisherigen Umfragen bei etwa 24 Prozent. Im ersten Wahlgang am 23. April wird sich entscheiden, welche zwei Kandidaten am 7. Mai in die finale Stichwahl gehen.
Republikaner und Front National am wenigsten grün
Wie letztes Jahr bei den US-Wahlen spielt die Umwelt auch im französischen Wahlkampf nur eine ungeordnete Rolle. In der ersten Fernsehdebatte der fünf Präsidentschaftsanwärter Ende März war Melenchon der Einzige, der das Thema ansprach. Die restlichen Kandidaten gaben dagegen Themen wie Wirtschaft, Krieg, Terrorismus und Migration den Vorrang.
Laurence Veyne von Greenpeace Frankreich findet dennoch: "Auch wenn das Thema Umweltschutz keinen großen Eingang in die Debatten gefunden hat, spielt es in den Parteiprogrammen eine viel größere Rolle als in den Jahren zuvor." So hätten beispielsweise außer François Fillon alle Kandidaten betont, etwas gegen das umstrittene Fracking und gegen Chemikalien, die den Hormonhaushalt stören, unternehmen zu wollen.
Auch das altbekannte Thema Atomenergie - in Frankreich immer noch die dominierende Energiequelle - ploppt erwartungsgemäß hin und wieder im Wahlkampf auf und sorgt für Kontroversen. Und sogar die rechtspopulistische Marine Le Pen versucht, sich als Verfechterin von Umweltbelangen darzustellen - eine Position, die sie sehr von Donald Trump in den USA unterscheidet, mit dem sie sonst vieles gemeinsam hat.
"Da jetzt alle Präsidentschaftsanwärter das Thema in ihr Parteiprogramm aufgenommen haben", so Veyne, "konnten wir sie direkt miteinander vergleichen. Dabei ist herausgekommen: Wirklich zentral sind Umwelt- und Klimaschutz nur für den Sozialisten Hamon und den Linken Melenchon." Während die beiden linken Kandidaten am umweltfreundlichsten seien, sieht Greenpeace Frankreich bei Le Pen und Fillon die meisten Probleme.
Schwierig einschätzbar findet Veyne den sozialliberalen Macron: "Er vertritt einige sehr gute Dinge, die aber manchmal widersprüchlich sind. Wir wissen letztlich nicht, ob ihm der Umweltschutz wirklich am Herzen liegt, oder ob es nur leere Worte sind."
Anti-EU = schlecht fürs Klima?
Die Umweltschützerin glaubt, dass "der Umweltansatz von Melenchon tiefgreifender als der Hamons" ist. Sorgen mache allerdings Melenchons EU- und globalisierungskritische Haltung: Ihm zufolge müssen Europas Strukturen von Grund auf geändert werden. Er fordert, dass Frankreich die Europäische Union verlassen soll.
Ein EU-Austritt könnte aber negative Folgen für die Umwelt haben, so Veyne: "Die EU hat Umweltschutznormen mit sich gebracht, die beibehalten werden sollten. Es könnte sehr gefährlich sein, die Art und Weise wie Europa organisiert ist, umzuwerfen oder Europa zu verlassen. Da sollten wir vorsichtig sein."
Wie ernst die Versprechen gemeint sind, ist bei Politikern im Wahlkampf bekanntlich schwer vorauszusehen. Hat Angela Merkel nicht auch einmal gesagt, mit ihr werde es keine PKW-Maut geben? Was bleibt, ist, sich die Versprechen der Einzelnen im Detail anzuschauen:
Emmanuel Macron (En Marche!)
Macron will die Klima- und Umweltpolitik der aktuellen sozialdemokratischen Regierung - der er ja auch einmal angehört hat - im Großen und Ganzen beibehalten. Dazu gehört unter anderem das Ziel, den Anteil der Atomenergie am französischen Energiemix bis 2025 auf 50 Prozent zu reduzieren. Im Gegenzug sollen erneuerbare Energien gefördert und Frankreichs Kapazitäten für Wind-und Solarenergie bis 2022 verdoppelt werden.
Falls er Präsident wird, will Macron alle Kohlekraftwerke in Frankreich innerhalb von fünf Jahren schließen. Außerdem verspricht er eine Abwrackprämie von 1000 Euro einzuführen, wenn Bürger ein neues, umweltfreundlicheres Auto kaufen. Macron zielt eher auf EU-weite Maßnahmen ab als auf nationale Einzelvorhaben.
Marine Le Pen (Front National)
Le Pen hat sich in der Vergangenheit selbst als Öko-Champion mit nationalem Ansatz dargestellt. 2014 setzte die Vorsitzende des Front National die "patriotische" Umweltbewegung "New Ecology" in Gang. Eines der Hauptziele der Gruppe ist, internationale Klimaverhandlungen zugunsten von nationalem Engagement zu beenden.
Aus "ästhetischen Gründen" ist Le Pen gegen Windenergie, im Falle einer Präsidentschaft würde sie diese komplett verbieten. Solarenergie und Biogasanlagen dagegen will sie mithilfe von öffentlichen Geldern "massiv weiterentwickeln". Anders als Macron ist ist die Rechtspopulistin klar für Atomenergie und will diese sogar noch stärken. Auch Wasserstoff ist aus ihrer Perspektive eine saubere Energiequelle, die Frankreichs Abhängigkeit von Ölimporten schmälern könnte und in die man deshalb investieren sollte.
Le Pen hat in der Vergangenheit versucht, ihre als "intelligenten Protektionismus" etikettierte Abneigung gegen Freihandel als ein auch der Umwelt dienendes Projekt zu verkaufen. So schreibt sie in ihrem Manifest: "Wirklich die Umwelt zu schützen, heißt, so nah beieinander wie möglich zu produzieren und konsumieren und auch vor Ort zu recyclen." Die Förderung von Schiefergas mithilfe von Fracking will Le Pen verbieten.
Greenpeace kauft Le Pen viele von ihren Versprechen nicht ab: "Wir wissen, dass ihre Partei, der Front National, sich vor 2014 nicht für Umweltfragen interessiert hat. Le Pens Positionen sind außerdem widersprüchlich. Es ist an sich gut, lokal zu denken. Das bringt aber nicht viel, wenn man weiterhin die industrielle Landwirtschaft unterstützt." Alles in allem könne man kein solides Umweltprogramm erkennen, so Umweltschützerin Veyne.
Jean-Luc Melenchon (La France insoumise)
Melenchon hat bezüglich der französischen Klimapolitik die radikalsten Ideen. Er möchte eine "grüne Regel" in die Verfassung einbringen, durch die Umweltschutz Vorrang bekäme. Dadurch wäre zum Beispiel der Schutz von "Allgemeingütern" wie Luft und Wasser wichtiger als staatliche Gewinne.
Der linke Präsidentschaftskandidat hat außerdem vor, bis 2050 hundertprozentig auf erneuerbare Energien umzusteigen. Umweltorganisationen wie Greenpeace begrüßen grundsätzlich, was in Melenchons Programm steht. Doch angesichts seiner vielen anderen großen Vorhaben - er will sowohl die französische Republik als auch die Europäische Union komplett umkrempeln - bleibt die Frage, wie viel Zeit ihm überhaupt noch für die geplanten Umweltreformen bliebe.
François Fillon (Les Républicains)
Wie Le Pen will Fillon verstärkt auf Atomenergie setzen. Wie Macron hat er versprochen, Kohlekraftwerke stufenweise herunterzufahren - jedoch ohne festen Zeitplan.
Ferner ist Fillon gegen mehr Subventionen für erneuerbare Energien. Stattdessen sollen Marktmechanismen wie das Emissionshandelssystem der EU das Problem des Klimawandels lösen. Fillon will einen Mindestpreis von 30 Euro pro Tonne Kohle festlegen. Anstelle von Subventionen sollen mithilfe dieser Erlöse erneuerbare Energien unterstützt werden.
Am bedeutendsten ist wohl, dass Fillon die Umweltcharta abändern will, die 2005 durch den damaligen Präsident Jacques Chirac in die französischen Verfassung aufgenommen wurde. In der Charta steht unter anderem, dass der Staat überall da eingreifen kann, wo er eine ernsthafte Gefahr für die Umwelt sieht. Fillon zufolge verhindert dieses Gesetz Innovationen. Sein Wunsch es abzuschaffen, beunruhigt Greenpeace sehr. Fillon sei der einzige Kandidat, der das wolle, so Veyne.
Auch in Sachen Fracking hat der Mitte-Rechts-Politiker eigene Vorstellungen: Anders als die restlichen Präsidentschaftsanwärter will er die umstrittene Methode in Zukunft erlauben; das bisherige Verbot sei "kriminell".
Benoît Hamon (Parti Socialiste)
Als Präsident würde der Mitte-links stehende Hamon die Politik von François Hollande weitestgehend fortführen und nur ein paar Punkte hinzufügen.
Wie Melenchon verfolgt er das Ziel, bis 2050 ganz auf erneuerbare Energien umzusatteln. Auch auf Dieselkraftstoff will er nach und nach verzichten und nach 2025 keine neuen Dieselfahrzeuge mehr zulassen. Hamon möchte innerhalb der nächsten 25 Jahre aus der Atomenergie aussteigen sowie Alternativen zu Pestiziden fördern,
Hamons Ziele dürften Umweltschützern an sich gefallen. Doch lastet das Vermächtnis der aktuellen französischen Regierung auf ihm. "Präsident Hollande und die Parti Socialiste haben ihre Wahlversprechen nicht eingehalten", so Veyne. Das bringe letzten Endes auch ein Glaubwürdigkeitsproblem für Hamon mit sich.