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PolitikMexiko

Wahlen in Mexiko: Wer wird die erste Präsidentin?

Gabriel González Zorrilla
1. Juni 2024

Mexiko steht vor einer richtungsweisenden Präsidentschaftswahl. Angesichts drängender Probleme wie der Migration in die USA und der anhaltenden Gewalt im Land sind die Erwartungen an die Kandidatinnen hoch.

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Die Favoritin Claudia Sheinbaum bei einer Außenveranstaltung mit Anhängerinnen und Anhängern
Die Favoritin Claudia Sheinbaum mit Anhängerinnen und AnhängernBild: ULISES RUIZ/AFP

An diesem Sonntag, den 2. Juni 2024, finden in Mexiko Präsidentschaftswahlen statt – diesmal mit einer historischen Besonderheit: Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes konkurrieren zwei Frauen um das höchste Amt: Claudia Sheinbaum von der amtierenden Regierungspartei Morena und Xóchitl Gálvez vom Oppositionsbündnis.

Claudia Sheinbaum: Die klare Favoritin

Claudia Sheinbaum, Kandidatin der linkspopulistischen Partei Morena, gilt als klare Favoritin. Die ehemalige Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt und Enkelin jüdischer Einwanderer aus Litauen ist eine erfahrene Politikerin. Ihre Partei hat in den vergangenen Jahren bei Wahlen deutlich zugelegt und stellt rund zwei Drittel aller Gouverneure der 32 Bundesstaaten. Nicht zuletzt hat sie die Unterstützung des amtierenden Präsidenten Andrés López Obrador. Dieser kann trotz seiner anhaltenden Popularität in der Bevölkerung nicht mehr antreten, denn die Verfassung beschränkt die Amtszeit auf sechs Jahre.

Claudia Sheinbaum winkt bei einer Wahlkampfveranstaltung in Guadalajara
Claudia Sheinbaum bei einer Wahlkampfveranstaltung in GuadalajaraBild: ULISES RUIZ/AFP

Xóchitl Gálvez: Die Herausforderin

Xóchitl Gálvez, eine erfolgreiche Unternehmerin und Senatorin des Bundesstaates Hidalgo, tritt für das Oppositionsbündnis Fuerza y Corazón por México an, in dem sich konservative (PAN), Mitte-Rechts- (PRI) und Linksparteien (PRD) zusammengeschlossen haben. Sie gilt im Gegensatz zu Claudia Sheinbaum als charismatisch und nahbar - eine Frau des Volkes, die bis vor kurzem noch mit dem Fahrrad durch Mexiko-Stadt fuhr.

Umfragen sehen Sheinbaum bei 55 Prozent der Stimmen, ihre Konkurrentin Xóchitl Gálvez kann mit etwa 30 Prozent rechnen.

Die Oppositionskandidatin Xóchitl Gálvez vor Fahnen und Anhängern
Die Oppositionskandidatin Xóchitl Gálvez gilt als volksnahBild: Fernando Llano/AP Photo/picture alliance

Beliebte Sozialprogramme gegen die Armut

Die Kandidatin Sheinbaum setzt auf Kontinuität und die Fortsetzung der unter Präsident López Obrador begonnenen Reformen. Die weiterhin ungebrochene Popularität des scheidenden Präsidenten – Umfragen sehen die Zustimmung bei mehr als 60 Prozent – dürfte auch an den von ihn angestoßenen staatlichen Sozialprogrammen liegen. Über die Nachhaltigkeit dieser Programme sind sich Beobachter aber uneinig.

Präsident Andres Manuel López Obrador vor Fahnen
Präsident Andres Manuel López Obrador erfreut sich großer BeliebtheitBild: Mexican Presidency/Handout/AFP

"Sozialprogramme und die Erhöhung des Mindestlohns von real 110 Prozent in seiner Amtszeit haben für die arme Bevölkerung spürbare Verbesserungen gebracht", sagt Gerold Schmidt, Leiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Mexiko, im Gespräch mit DW. "Diese Bevölkerung dürfte sich auch erstmals wahrgenommen und wertgeschätzt gefühlt haben. Das ist ein nicht zu unterschätzender subjektiver Faktor."

Hans Blomeier, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mexiko, kommt zu einer anderen Beurteilung: "Die sozialen Wohltaten der Regierung Von López Obrador beruhen nicht auf strukturellen Veränderungen, sondern auf schuldenfinanzierten Bargeldtransfers an arme Bevölkerungsteile." Mitten im Wahlkampf wolle aber keine Seite öffentlich eingestehen, dass diese Form der sozialen Umverteilung nicht nachhaltig finanzierbar sei.

Gewalt und Drogenkrieg

Zentrales Thema des Wahlkampfs ist die grassierende Gewalt im ganzen Land. Mexiko leidet seit Jahren unter einer hohen Kriminalitätsrate und einem blutigen Drogenkrieg. Banden und Kartelle kämpfen um die Kontrolle über den Drogenhandel, was zu Gewaltexzessen und Unsicherheit in vielen Regionen führt.

Mexiko: Mord und Gewalt prägen den Wahlkampf

1890 Menschen wurden laut offiziellen Angaben im vergangenen Jahr bei Auseinandersetzungen zwischen den mächtigen Kartellen getötet. Seit Beginn eines umstrittenen Militäreinsatzes gegen die Drogenkartelle im Jahr 2006 wurden in dem Land mehr als 450.000 Menschen getötet, weitere 100.000 gelten als vermisst.

Auch im laufenden Wahlkampf wurden wiederholt Mandatsträger sowie Kandidaten im Rahmen von Wahlkampfauftritten attackiert. Je nach Quelle wurden dabei zwischen 25 bis 37 Amtsanwärter teils auf offener Straße ermordet. Hinzu kommen rund 80 nicht tödliche Angriffe allein in der Woche vor dem Wahltermin. 

"Auch wenn die Regierung von López Obrador nicht ursächlich für die Situation verantwortlich gemacht werden kann – die komplexen Gründe für die heutige Situation reichen Jahrzehnte zurück und sind auch anderswo zu suchen – hat die Verharmlosung und Duldung des Problems der organisierten Kriminalität und Kartelle das Problem weiter verschärft", so Hans Blomeier.

Migration und das Verhältnis zu den USA

Ein anderes dringliches Thema dieser Wahl ist die Migration. Mexiko ist sowohl Herkunfts- als auch Transitland für viele Menschen, die in die USA gelangen wollen. Die Herausforderungen, die sich aus dieser Situation ergeben, sind vielfältig: humanitäre Krisen an der Grenze, Spannungen mit den USA und interne Belastungen durch die Aufnahme und Versorgung der Migranten. Im vergangenen Jahr überquerten mehr als 2,4 Millionen Migranten die südliche US-Grenze. Die meisten von ihnen kamen aus Mittelamerika und Venezuela.

Eine Frau aus Venezuela wartet mit ihrer Tochter in Mexiko an der US-Grenze, im Hintergrund Stacheldraht, Lichter und Grenzposten
Eine Frau aus Venezuela wartet mit ihrer Tochter in Mexiko an der US-GrenzeBild: Adrees Latif/REUTERS

Für Gerold Schmidt ist die Bewältigung der Migration die wichtigste Herausforderung für die kommende Präsidentin: "Mexiko erfüllt für die USA faktisch die Funktion eines Auffanglagers für Migranten und die eines Polizisten an der Südgrenze mit Guatemala." Ein Ende der Migrationsbewegung sei nicht abzusehen – und die Situation werde sich verschärfen, sollten die USA unter einer möglichen erneuten Trump-Regierung ihre Grenze noch weiter abschotten.

Spielraum der zukünftigen Präsidentin

Kann die als eher als blass und wenig charismatisch geltende Favoritin Sheinbaum, falls sie wie erwartet gewinnt, aus dem Schatten ihres politischen Ziehvaters López Obrador treten?

Gerold Schmidt traut ihr das zu, da mexikanische Präsidenten in ihrer Amtszeit eine große Macht haben. Allerdings seien die künftigen Mehrheitsverhältnisse in Abgeordnetenhaus und Senat entscheidend. Eine – unwahrscheinliche – Zweidrittelmehrheit gäbe ihr die Möglichkeit, Verfassungsänderungen ohne die konservative Opposition durchzusetzen. "Sonst muss Sheinbaum viele Dinge verhandeln", sagt Schmidt.

Kundgebung von Präsidentschaftskandidatin Xóchitl Gálvez: große Menschenmenge auf einem Platz
Kundgebung von Präsidentschaftskandidatin Xóchitl GálvezBild: Carlo Echegoyen/AFP/Getty Images

Am 2. Juni wird in Mexiko nicht nur das Amt des Präsidenten neu besetzt. Knapp 100 Millionen Menschen werden bei den größten Wahlen in Mexikos Geschichte auch den Kongress, die Regierungen von neun Bundesstaaten sowie mehr als 20.000 öffentliche Ämter neu wählen.

Auch Hans Blomeier hält die zukünftige Zusammensetzung des Kongresses für entscheidend für die zukünftige politische Ausrichtung des größten spanischsprachigen Landes der Welt. "In demokratischer Hinsicht bleibt zu hoffen, dass die Wähler neben einem klaren Mandat für die neue Regierung auch für sinnvolle demokratische Gegengewichte im Kongress sorgen, damit die demokratischen und rechtsstaatlichen Rückschritte der aktuellen Administration nicht von der nachfolgenden mit einer Verfassungsmehrheit überboten werden könnten."