Wahlen mit Frauenquote
17. Juni 2003Seit drei Wochen prangten an Häuserwänden und in Schaufenstern jordanischer Ortschaften Plakate mit Bild und Namen von über 700 hoffnungsvoller Kandidaten, die angetreten waren, sich für das Parlament wählen zu lassen. Politische Programme oder auch nur Forderungen vermisste man darauf ebenso wie auf den Spruchbändern, die mancherorts über die Strassen gespannt waren. Und das ist kein Zufall: Bei den Wahlen am heutigen Dienstag (17.6.2003) stehen nicht politische Programme zur Wahl, noch nicht einmal politische Parteien.
Nur Einzelkandidaten
Zumindest nicht vordergründig. Denn nach dem (seit 1993 geltenden) Prinzip "one man – one vote" können nur Einzelkandidaten sich um die 110 Sitze des Parlaments bewerben und gewählt werden, nicht aber politische Parteien. Bei den Wahlversammlungen, zu denen die Kandidaten fast überall in Zelte geladen hatten, ging es denn auch fast familiär und freundschaftlich zu: Man hatte Freunde, Nachbarn und Familienmitglieder geladen, denn sie sind es in erster Linie, die Kandidaten ins Parlament bringen. Ohne politische Parteien sind es weiterhin die traditionellen Clans und Stämme, die das Sagen haben und tiefgreifende Veränderungen sind von den Wahlen deswegen nicht zu erwarten.
Einzige Ausnahme sind auch in Jordanien weiterhin die Islamisten: Bei früheren Wahlen hatten sie beachtliche Erfolge erzielt – vor allem, weil sie sich klar absetzten von der westlich orientierten und auf Frieden ausgerichteten Politik des damaligen Staatsoberhaupts, König Hussein. Im Parlament blieben sie dann aber macht- und wirkungslos und beim letzten Urnengang im Jahre 1997 erklärten die Islamisten einen Wahlboykott: Sie hatten drei Jahre zuvor nicht verhindern können, dass der König Frieden mit Israel geschlossen hatte und sie konnten im Grunde nur wählen zwischen offener Konfrontation mit dem Kurs des überaus populären Hussein und der eigenen politischen Bedeutungslosigkeit.
Regieren per Dekret
Zwei Jahre später starb Hussein, bestimmte aber noch in letzter Minute seinen Sohn Abdullah zum Nachfolger. Der junge Monarch zögerte, die noch relativ neue demokratische Tradition des Landes fortzusetzen, löste im Juli 2001 das Parlament auf und regierte seitdem per Dekret, statt Neuwahlen zuzulassen. Mehrere Ansätze zu Neuwahlen verliefen im Sande – offenbar aus Furcht vor den innenpolitischen Reaktionen auf Entwicklungen anderswo: das Scheitern des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses, die wenig später ausbrechende "Intifada", der 11. September, gefolgt vom Afghanistan-Krieg bis hin zum Krieg gegen das Regime Saddam Husseins. Allesamt Ereignisse, die auch in Jordanien ihre Spuren hinterließen und die nicht geeignet gewesen wären als Wahlthema. Zumal der König trotz der desaströsen wirtschaftlichen Folgen für sein Land an seiner prowestlichen Politik festhielt.
Die Verhinderung von Wahlen auf Dauer allerdings passt nicht in solch eine prowestliche Ausrichtung und so entschloss Abdullah II. sich, es jetzt zu wagen. Kritiker sagen, dass er aufgrund des Wahlgesetzes kein Risiko eingeht und die Islamisten bestenfalls 25 Prozent der Sitze erringen – und damit ohne Einfluss bleiben – werden. Abdullah scheint sich seiner Sache sicher zu sein. Sonst hätte er kaum verfügt, sechs Mandate für Frauen zu reservieren: Frauen gab es zwar bereits früher in jordanischen Parlamenten, 1997 wurde jedoch keine mehr gewählt und so bliebe es wohl auch, wenn nicht von oben eine Quote festgelegt würde.