Wahlkampf in Zeiten der Cholera
22. November 2010Die Cholera hat das bitterarme Haiti auch an diesem Montag (22.11.2010) voll im Griff - und ein Ende ist nicht abzusehen. Dazu wächst angesichts massiver Proteste gegen UN-Blauhelmsoldaten die Angst vor Unruhen. Oppositionelle Präsidentschaftskandidaten haben verlangt, die für kommenden Sonntag geplanten Präsidenten- und Parlamentswahlen zu verschieben. In der gegenwärtigen Lage fehlten dafür die Voraussetzungen. Nach Radioberichten kündigten vier der 19 Bewerber an, sie wollten nicht mehr antreten. Trotzdem ging der Wahlkampf in Haiti mit Plakaten und Kundgebungen lautstark weiter.
Selbst in Dörfern fernab der Hautstadt sind farbige Plakate zu sehen. In Petionville, einem Vorort der Hauptstadt, standen die Menschen für Ausweise an, die sie brauchen, um den Nachfolger von Präsident René Preval wählen zu können.
Noch mehr Cholera-Opfer
Derweil sterben immer mehr Menschen an den Folgen der Cholera-Epidemie. Nach neuen Angaben der Regierung in Port-au-Prince wird die Zahl der Toten jetzt auf 1250 geschätzt. Etwa die Hälfte von ihnen kommt aus der Region nördlich der Hauptstadt Port-au-Prince. Dort ist die Krankheit zuerst ausgebrochen.
Die Erkrankten leiden unter schwerem Durchfall und Erbrechen. Zur schnellen Ausbreitung tragen verunreinigtes Trinkwasser und die katastrophalen hygienischen Lebensumstände bei. Offiziell wird geschätzt, dass 21.000 Menschen erkrankt sind. Allerdings: "Die Zahl ist wahrscheinlich viel höher, weil sie heruntergespielt wird", sagte Patricio Luna von der Caritas in Port-au-Prince. Der Helfer sprach aber von einem Glück, dass die Regenzeit zu Ende gehe. Damit sei die Gefahr geringer, dass Latrinenwasser in die Brunnen gerate, das die Menschen zum Kochen und Waschen benutzten.
Politisch gesteuerte Provokation
Die jüngsten Proteste gegen die UN-Blauhelmsoldaten im Land werden von Beobachtern zunehmend als politisch gesteuerte Provokation gewertet. Ziel bestimmter Gruppen sei es, die Lage im Land vor den Präsidenten- und Parlamentswahlen weiter zu destabilisieren, hieß es. Die Teilnehmer der Proteste hatten die UN-Soldaten beschuldigt, die Seuche eingeschleppt und verbreitet zu haben.
Nach Radioberichten hörten die Demonstrationen in der zweitgrößten Stadt des Landes, Cap Haitien, am vergangenen Freitag schlagartig auf, als der Senatskandidat der Regierungspartei Inité von Präsident René Preval das Ende des Protestes verlangte. Das wurde von Medien als Zeichen gewertet, dass der Senatskandidat einer der Hintermänner der Proteste gewesen sein könnte. Die Vereinten Nationen hatten ein Ende der gegen sie gerichteten Proteste verlangt, um die Hilfseinsätze nicht zu gefährden.
Ein UN-Sprecher, Nigel Fisher, zeigte sich inzwischen enttäuscht über die internationale Antwort auf seinen Appell, 164 Millionen Dollar für den Kampf gegen die Cholera in Haiti bereitzustellen. Bisher stünden nur weniger als zehn Prozent des dafür benötigten Geldes bereit.
Ein Ende der Hochkonjunktur für Totengräber in Haiti ist damit nicht in Sicht.
Autor: Herbert Peckmann (dpa, afp, rtr)
Redaktion: Sabine Faber