Waldbrände: Portugals ewiger Kampf
29. September 2020121 Tote und eine halbe Million Hektar abgebrannter Wald war die Bilanz des Katastrophensommers 2017 in Portugal. Das dürfe sich nicht wiederholen, erklärte damals Staatschef Marcelo Rebelo de Sousa und Ministerpräsident António Costa versprach tiefgreifende Veränderungen bei der Brandverhütung, der Brandbekämpfung sowie bei der Forst- und Strukturpolitik.
Denn was damals brannte, waren vor allem Eukalyptusplantagen und oft unkontrolliert wachsende Kiefernwälder im kaum bevölkerten und schwer zugänglichen Landesinneren und im Norden. Nicht ein Problem war zu lösen, sondern viele, die alle miteinander zusammenhingen.
"Heute sind die Gefahrenherde identifiziert, die ersten Maßnahmen eingeleitet", versichert Luís Lopes von der damals gegründeten Staatsagentur AGIF, die die Waldbrandbekämpfung koordinieren soll. Er ist zuständig für die Landesregion "Zentrum". Dort sind die Probleme am größten. "Aber eine so komplexe Situation lässt sich nicht in ein paar Tagen lösen. Das dauert Jahre."
Problembaum Eukalyptus
Da wäre zunächst der Eukalyptus-Wildwuchs, der Portugal seit Jahrzehnten zu schaffen macht: Er liefert den Rohstoff für Portugals mächtige Zelluloseindustrie, die mit ihren Exporten immerhin eineinhalb Prozent des Bruttoinlandsproduktes darstellt - Geld, das das nicht eben reiche Land dringend benötigt.
Viele Kleinbauern haben die langsam wachsenden einheimischen Baumarten durch die aus Australien stammenden Pflanze ersetzt, weil sie schon nach zehn Jahren geschlagen werden kann und schnellen Gewinn verspricht. Inzwischen ist mehr als jeder vierte portugiesische Baum ein Eukalyptus, er ist zur wichtigsten Baumart des Landes geworden.
Nur braucht der Eukalyptus für sein Wachstum nicht nur sehr viel Wasser, er brennt auch wie Zunder. "Der Funkenflug kann Waldbrände kilometerweit ausbreiten", erklärt Luís Lopes von der AGIF, der früher Feuerwehrkommandant war und weiß, wie gefährlich brennende Eukalyptusplantagen sein können.
Es gäbe Alternativen
Nur könne er auch die verstehen, die dieses Einkommen brauchten. Das seien oft ältere Waldbesitzer, die von Renten um die 300 Euro leben müssten. Die sollen jetzt mit Zuschüssen dazu bewegt werden, andere, ungefährlichere, aber langsam wachsende Baumarten zu pflanzen. Gleichzeitig beschloss die Regierung einen Anbaustopp für Eukalyptus. Neue Plantagen dürfen nur noch angelegt werden, wenn dafür alte, eventuell weniger produktive, in andere Wälder umgewandelt werden.
Klingt einfach, ist es aber nicht. "Die Eukalyptus-Lobby ist sehr stark", stellt Francisco Castro Rego fest. "Und die Lobbies anderer Baumarten, die durchaus auch Profit abwerfen können, sollten stärker sein." Ein gut bewirtschafteter Fichtenwald zum Beispiel produziere nicht nur wertvolles Holz, sondern auch Harz, das von der weiterverarbeitenden Industrie sehr gut bezahlt werde.
Doch seien die Wälder vieler Besitzer einfach zu klein, um Zuschüsse für Neuanpflanzungen zu bekommen. Und eine geplante Sonderabgabe für Eukalyptusplantagen, die das hätte ändern können, wurde nie eingeführt.
Fehlende Planung begünstigt Waldbrände
Castro Rego ist anerkannter Fachmann für Wälder, Professor an der Universität Lissabon und Vorsitzender einer Kommission, die das Parlament in Sachen Waldbrände beraten soll. Er klagt: "Während sich bei der Waldbrandbekämpfung inzwischen viel verbessert hat, liegt alles andere noch im Argen. Es fehlt an Planung und Vielfalt. Alle Maßnahmen auf diesen Gebieten waren bis jetzt zögerlich und hatten kaum Konsequenzen." Regionalentwicklungspläne müssten umgeschrieben werden, die Raumordnungspläne der Gemeinden und Landkreise an die neue Lage angepasst werden.
Keine leichte Aufgabe: Gut ein Drittel Portugals ist mit Wäldern bewachsen, zählt man auch die Buschlandschaften hinzu, sind es sogar mehr als zwei Drittel. Die sind zu 97 Prozent in Privatbesitz, 85 Prozent davon obendrein kleiner als fünf Hektar. Durch die Landflucht im Hinterland werden die Ackerflächen immer weniger, die Wälder immer größer. Mitten drin eher schwach bebaute Industrie- und Wirtschaftsgelände, die wegen ihrer Lage extrem brandgefährdet sind. "Solange wir nicht definieren, welche Wälder wir wo wollen, ist das Problem nicht zu lösen", zieht der Waldfachmann Castro Rego Bilanz.
Der Klimawandel mach es nur noch schlimmer
"Wir versuchen, die Waldbesitzer direkt anzusprechen, sie zu überzeugen, sich in Produktionsgenossenschaften zusammenzuschließen und die Waldflächen besser zu bewirtschaften", hält Luís Lopes von der Waldbrandagentur dagegen. Viele Gesetze und Vorschriften seien noch in der Mache und die bereits erlassenen bräuchten Zeit, bis sie greifen.
Obendrein könne der Staat den Besitzern nicht vorschreiben, was sie mit ihren Wäldern tun müssten. Immerhin sei das Problembewusstsein der Forstwirte gestiegen, hätten hohe Geldbußen dafür gesorgt, dass die Waldflächen regelmäßig gereinigt würden und so die Waldbrandgefahr geringer geworden sei.
Dem stimmt auch Francisco Ferreira von der Umweltschutzorganisation ZERO zu. Von mehr Artenvielfalt und der Wiedereinführung ökologisch sinnvoller einheimischer Mischwälder aber sei Portugal noch weit entfernt.
Dabei würden die nicht nur die Ausbreitung von Waldbränden verlangsamen, sie könnten sich nach Feuern sogar oft selbst regenerieren. "Trotzdem setzt die Zelluloseindustrie weiter auf große Monokulturen, wächst auf den abgebrannten Waldflächen wieder Eukalyptus", stellt Ferreira fest.
Und da es wegen des Klimawandels in Portugal immer trockener und immer heißer werde, könnte die große Katastrophe sich jedes Jahr wiederholen. Dafür sprechen auch die Zahlen aus diesem Jahr: 2020 gab es die schlimmsten Waldbrände seit 2017. Bis jetzt brannten rund 61.000 Hektar, starben vier Feuerwehrleute. Es gebe, so der Umweltschützer Francisco Ferreira, noch viel zu tun.