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Politik

"Westbalkan ist für die NATO von strategischer Bedeutung"

24. Februar 2017

NATO will kein Land dazu überreden, der Allianz beizutreten, aber die Tür des Verteidigungbundes ist weiterhin offen für neue Mitglieder, sagt Laurie Walker.

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Nato Logo
Bild: Imago

Deutsche Welle: Der Versuch russischer Einflussnahme auf dem Balkan wächst. Wie reagiert die NATO?

Laurie Walker: Diese Region hat eine strategische Bedeutung für die Allianz. Aber wir sind auch sehr entschieden sicher zu stellen, dass die Länder der Region in der Lage sind, ihre eignen Entscheidungen frei von Druck zu treffen. Deshalb sind wir besorgt über die wachsende Propaganda und Desinformationen, die wir von russischer Seite sehen. Und wir reagieren darauf mit einer auf Fakten beruhenden, ausgewogenen und ruhigen Weise. Das ist aus einer NATO-Perspektive wichtig. Wir versuchen nicht, mit den Russen irgendwie in einem Propaganda-Wettlauf zu konkurrieren, sondern wie wollen die Fakten für sich selbst sprechen lassen.

Wir unterstützen weiterhin die Fähigkeit der Länder der Region, eigene Entscheidungen zu treffen, und wir haben auch unsere Zusammenarbeit mit der Europäischen Union verstärkt. Ich denke, wir sollten auch sorgfältig auf die Fakten schauen: Manchmal wird der russische Einfluss in der Region überbewertet. So weist beispielsweise Serbiens Handelsstatistik ungefähr acht Prozent Handel mit Russland und über 60 Prozent mit der EU aus. Also, wir sollten diese Dinge im richtigen Maß betrachten.

Welche konkrete Kommunikationsmaßnahmen setzen Sie dem Phänomen der Desinformation bzw. der Fakenews entgegen?

Es ist ein Phänomen, das zwar immer stärker zu beobachten ist, aber es ist nicht völlig neu. Was wir machen, ist sicher zu stellen, dass wir eine kohärente und koordinierte Informationspolitik haben. Und wir beobachten aufmerksam, was in der Region passiert. Wir engagieren uns auch politisch. Der NATO-Generalsekretär Stoltenberg hat kürzlich Bosnien und KFOR-Truppen in Kosovo besucht. Wir sind überzeugt, das Beste zu tun, um unsere Botschaft zu verbreiten.

Sie haben Stoltenbergs Besuch in Kosovo und Bosnien erwähnt. Wie bewertet die NATO diese beiden Länder in Bezug auf Sicherheit, und welche Sicherheitsstrategie hat die NATO für die Region?

Bildergalerie - Deutschland in der NATO - 1955 bis heute
Deutsche KFOR Soldaten in dem KosovoBild: Getty Images/Afp/Tobias Schwarz

Die Verbündeten haben klar ihr Engagement für die Region unterstrichen. Erstens unterstützen wir die Sicherheit und Stabilität, besonders durch die Präsenz von KFOR-Truppen im Kosovo. Aber wir arbeiten auch mit allen Ländern der Region partnerschaftlich zusammen und helfen bei den Reformen, um die Kapazitäten ihrer Sicherheitskräfte aufzubauen und um untereinander besser zusammenzuarbeiten.

Wir unterstützen die NATO-Mitgliedschaft für die Länder, die sie anstreben und wir helfen ihnen. Wenn wir das auf die beiden Länder beziehen, die Sie erwähnt haben, dann sehen wir, dass Bosnien die NATO-Mitgliedschaft anstrebt. Das Land hat in dieser Hinsicht klare Ziele. Bosnien ist ein Exporteur von Sicherheit geworden und beteiligt sich zeitweise in Afghanistan. Und die Bosnischen Streitkräfte sind ein gutes Beispiel für Reformen.

Bosnien und Herzegowina, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg & Mladen Ivanic
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in SarajevoBild: DW/Z. Ljubas

Bezüglich Kosovos geht es für die NATO nicht um die Frage der Anerkennung. Wir sind neutral in den Statusfragen in Bezug auf Kosovo. Wir sind dort auf der Basis der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats, um ein sicheres und befestigtes Umfeld für alle dort lebenden Gemeinschaften zu gewährleisten. Und: NATO ist die dritte Säule, neben der Kosovo-Polizei und der (Europäischen Rechtsstaatlichkeitsmission) EULEX. Und wir unterstützen die Sicherheitskräfte Kosovos dabei, ihre Kapazitäten aufzubauen, damit sie ihre Rolle in der Erhaltung der Stabilität und Sicherheit Kosovos spielen können.

Aber es gab in letzter Zeit beunruhigende, destabilisierende Entwicklungen in Bosnien und Kosovo, äußere Einflüsse und Provokationen. Wir reagiert die NATO in diesen Fällen, beispielsweise auf den Bau des Mauers in Mitrovica oder auf den serbischen Zug?

Wichtig ist, dass die Menschen ruhig bleiben und dass die Rhetorik deeskaliert, denn es ist im Interesse aller, jetzt zusammenzuarbeiten. Und das ist genau die Botschaft, die die NATO sendet: Wir sind status-neutral hinsichtlich Kosovos, und wir unterstützen die Stabilität für alle ethnischen und nationalen Gemeinschaften in der Gegend. Die Mauer wurde abgebaut, und der NATO-Generalsekretär hat den serbischen Premier (Aleksandar Vucic) in Davos getroffen und mit ihm über den Zwischenfall mit dem Zug gesprochen. Bei der Gelegenheit hat er ihm unsere Beunruhigung in Bezug darauf zum Ausdruck gebracht. Und dann gab es anschließend ein weiteres Meeting des Belgrad-Prishtina-Dialog-Formats in Brüssel. Die NATO sorgt für die Sicherheit, um diese Diskussionen zu untermauern. So ist unsere Botschaft im Grunde genommen, dass man die Entwicklungen mit einem Langzeitblick angehen und ruhig bleiben soll, und dass die Zunahme von nationalistischer Rhetorik für niemanden in Interesse ist.

Montenegro Graffiti in Podgorica
"Nicht in die NATO" - Graffiti in Serbien Bild: DW/N. Rujević

Serbien hat sich für eine EU-Mitgliedschaft ausgesprochen, ist aber eher zurückhaltend gegenüber der NATO-Integration. Sehen Sie Serbien trotzdem als einen möglichen zukünftigen NATO-Kandidaten?

Für uns geht es nicht um die Mitgliedschaft, sondern viel mehr um Partnerschaft, denn, wie ich schon sagte, respektieren wir die Wünsche der verschiedenen betroffenen Länder. Serbien fragt nicht nach einer NATO-Mitgliedschaft und wir versuchen nicht, das Land in diese Richtung zu ermuntern. Wir sind mehr als glücklich, mit Serbien auf der Basis militärischer Neutralität zusammen zu arbeiten. Das hat das serbische Parlament als nationale Position festgelegt. So halten wir es auch mit vielen anderen Ländern, wie etwa Österreich, Schweden und Irland. Aktuell haben wir ziemlich gute Arbeitsbeziehungen mit Serbien hinsichtlich praktischer Kooperationen und auch bezüglich des politischen Dialogs. Die Mitgliedsfrage ist kein Thema für uns.

Montenegro steht kurz vor dem NATO-Eintritt. Aber die Gesellschaft ist gespalten, die Hälfte scheint gegen die Mitgliedschaft zu sein. Was unternimmt die NATO, um die Zustimmung zu erhöhen?

Ich bin nicht der Meinung, dass die Hälfte der Bevölkerung entschieden gegen eine NATO-Mitgliedschaft ist. Die Regierung wurde auf der Basis eines pro-NATO-Regierungsprogramms gewählt. Auch eine Reihe der Oppositionsparteien unterstützen die NATO-Mitgliedschaft. Aber wir sehen, dass dies noch ein Thema in der öffentlichen Debatte des Landes ist. Es gab viele Anstrengungen aus der Politik und von NGO´s, eine Diskussion über die NATO-Mitgliedschaft mit den Menschen zu führen, darüber, was das bedeutet und welche Vorzüge die Mitgliedschaft hat. Und wir waren Teil dieser Debatte.

Die Lösung der Namensfrage bleibt die Bedingung für die Aufnahme Mazedoniens in die NATO. Angesichts der tiefen politischen Krise und der Instabilität des Landes - wie kann Mazedonien da Mitglied werden?

Montenegro Premierminister Dusko Markovic
Premierminister von Montenegro Dusko MarkovicBild: Getty Images/AFP/S. Prelevic

Zunächst einmal ist es wichtig zu sehen, dass das Land nicht instabil zu sein scheint. Aber aus der NATO-Perspektive bleibt die Lösung der Namensfrage fundamental. Andererseits hat die Allianz in den letzten Jahren bezüglich der Entwicklungen in dem Land eine Reihe von Problemen angesprochen. Wir wollen weiterhin zusammen mit Skopje daran arbeiten, diese Probleme zu lösen. Es gab eine Reihe von Fortschritten beim Przino-Abkommen und bei den Wahlen im Dezember, aber das Land hat noch einen längen Weg vor sich. Wir wollen es unterstützen beim Lösen dieser Probleme.

US-Präsident Donald Trump hat bisher keine klaren Signale für die künftige Erweiterung der NATO in Europa gegeben. Glauben Sie, dass die Politik der Erweiterung weitergehen wird?

Die NATO bleibt der Politik der offenen Türen verpflichtet. Es war eine sehr erfolgreiche Politik der Allianz, die uns von den 12 ersten Gründungsmitgliedern im Jahr 1949 bis heute 28 - bald hoffentlich 29 – geführt hat. Das Beitrittsprotokoll für Montenegro haben 24 Mitgliedsstaaten schon ratifiziert. Und wenn es um das Verfahren in den USA geht, da hat das Senatskomitee für Auslandsbeziehungen diese Maßnahme bereits genehmigt, und es gibt auch eine starke Unterstützung in beiden Parteien für die Mitgliedschaft Montenegros. Es gibt also Fortschritt und ich hoffe, bald auch Montenegro in der Allianz begrüßen zu können.

Nach dem NATO-Treffen in Brüssel und nach der Münchener Sicherheitskonferenz ist der Eindruck entstanden, dass man doch keine Sorge um die Zukunft von NATO haben muss. Es scheint, dass es einen neuen Konsens über die NATO-Politik gibt. Ist das richtig?

Es kamen von der obersten Ebenen der Regierung einige starke Botschaften über die Verpflichtung der USA zur Allianz. Und der NATO-Generalsekretär hat auch deutlich gemacht, dass er sich selbst mit der Frage der Ausgaben beschäftigt, und da gibt es schon Fortschritte.

Es wurde in letzter Zeit viel über die Bedrohung durch den islamischen Extremismus in der Balkanregion gesprochen. Wie schätzen Sie diese Gefahr ein?

Aus NATO-Sicht geht es um die grundlegenden Instrumente, wie etwa Institutionenaufbau oder Aufbau der Kapazitäten der Sicherheitskräfte. Bei der Ausbildung und bei der Einsatzbefähigung der Sicherheitskräfte arbeiten wir mit allen Ländern der Region zusammen. Wir kümmern uns auch um die sichere Lagerung von Waffen und Munition und haben im Laufe der Jahre Zehntausende von Kleinwaffen in der Region zerstört sowie auch Tausende von Tonnen Munition. Wir wollten sicherstellen, dass diese Waffen nicht missbraucht werden können. Wir haben auch gemeinsame Übungen mit den Ländern der Region in Bezug auf die Unterstützung der zivilen und militärischen Behörden. So machen wir viel zusammen mit den Ländern der Region.

Das Gespräch führte Adelheid Feilcke

Laurie Walker ist bei der NATO-Abteilung für politische Angelegenheiten und Sicherheitspolitik zuständig für Westbalkan.