Warlords bauen mit am afghanischen Frieden
23. April 2005Afghanistan, das Land am Hindukusch, befindet sich trotz knapper Ressourcen im Übergang vom "Zerstörungswahn" der Kriegszeiten zu Wiederaufbau und Friedenseuphorie. Darüber hinaus hat die Verabschiedung der neuen Verfassung des Landes, trotz aller Widersprüche, die Grundvoraussetzung für die Schaffung ziviler Institutionen geschaffen. Es sind inzwischen eine Reihe demokratischer Parteien entstanden.
Bewaffnete militärische Auseinandersetzungen sind nicht mehr dominierend in der Gesellschaft. Bis auf die Überreste der Taliban-Milizen, die nicht mehr als strategische Gefahr betrachtet werden, halten sich die so genannten "Warlords" durchaus an die Spielregeln des neuen Afghanistan.
Gute und böse Milizenführer
Dass diese regionalen Fürsten sich nun systemkonform verhalten, ist keineswegs Zufall, im Gegenteil: Das ist das konkrete Ergebnis einer gezielten Politik der Zentralregierung unter Hamid Karsai. Der erste demokratisch gewählte Präsident des Landes unterscheidet bewusst zwischen Warlords, die dem Regime in Kabul immer noch feindlich gesinnt sind, und den Milizenführern, die im Rahmen des politischen Konsenses in ihrem eigenen Machtbereich für die Stabilisierung der Verhältnisse gesorgt haben.
Regierung beteiligt alle wichtigen Kräfte
Neben Ismail Khan, dem ehemaligen Emir des Westen Afghanistans, ist nun der Vier-Sterne-General Abdul Raschid Dostum, der usbekische Milizenführer im Norden, mit einem lukrativen Posten bei der Zentralregierung zur aktiven Zusammenarbeit gewonnen worden. In der Tat besteht eine der Errungenschaften der afghanischen Regierung darin, alle Kräfte des Landes, von den Theokraten über Ethnokraten bis hin zu Demokraten, in den Friedensprozess eingebunden zu haben.
Militärposten als Repräsentation der Usbeken
Die Berufung des 49-jährigen Dostum zum Stabschef des Oberkommandos der afghanischen Streitkräfte hat aber keineswegs nur symbolischen Wert. Der Überlebenskünstler Dostum hat bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2004 etwa zehn Prozent der abgegebenen Stimmen - vor allem von afghanischen Usbeken im Norden des Landes - gewonnen. Im Vielvölkerstaat Afghanistan wird nun diese Ernennung als politische Partizipation der Usbeken an der politischen Konstellation des Landes betrachtet.
Aufarbeitung der Verbrechen folgt später
Umstritten ist jedoch der Werdegang von Dostum. Ihm werden eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Eine erforderliche und angemessene Verarbeitung der im Laufe des Krieges begangenen Verbrechen in der sehr stark ethnisch geprägten Gesellschaft stellt jedoch eine heikle und damit sehr komplizierte Frage dar, die einfühlsam angegangen werden will. Der politische Klärungsprozess hat schon längst eingesetzt. Eine juristische Verarbeitung der Kriegsverbrechen wäre eine Herkulesaufgabe, die Afghanistan in seiner Eigenschaft als Übergangsgesellschaft kaum allein bewältigen könnte.