Warten auf Ohio
4. November 2004Im wahlentscheidenden Bundesstaat Ohio liegt Bush zwar mit 140.000 Stimmen Vorsprung vor seinem Herausforderer John Kerry. Aber die Auszählung der 250.000 Stimmen von Briefwählern und so genannten provisorischen Wählern soll erst in elf Tagen vorliegen. Keiner der beiden Kandidaten kann nach bisherigen Hochrechnungen ohne einen Sieg in Ohio Präsident werden. Der amerikanische TV-Sender CNN meldet, der Schlüsselstaat sei "too close to call" und damit "grün". Mit anderen Worten: Die Experten können nicht vorhersagen, wer am Ende vorne liegt.
Im Weißen Haus gibt man sich unterdessen siegesicher.
Die Republikaner erklärten Bush trotz des offenen Wahlergebnisses im Bundesstaat Ohio zum Sieger. Die Republikaner seien überzeugt, dass Bush die Wiederwahl geschafft habe, sagte der Stabschef im Weißen Haus, Andrew Card, in Washington. Präsident Bush werde noch am Mittwoch mit einer Stellungnahme vor die Öffentlichkeit treten.
Elf Tage warten
Das amtliche Endergebnis wird frühestens Mitte November feststehen, sagte der Innenminister des Staates Ohio, Kenneth Blackwell. Nach dem in seinem Bundesstaat geltenden Wahlgesetz dürfe mit der Auswertung der so genannten provisorischen Wahlzettel erst elf Tage nach dem Wahltag begonnen werden. Diese Zettel sind für Wähler vorgesehen, die am Wahltag nicht in den Wählerverzeichnissen eingetragen waren. Ihre Wahlberechtigung wird im Nachhinein überprüft. Blackwell empfahl allen Beteiligten "tief durchzuatmen und zu relaxen".
Iowa unterbrochen
Die Auszählung der Stimmen der US-Präsidentschaftswahl im Bundesstaat Iowa ist nach Medienberichten in der Nacht zu Mittwoch unterbrochen worden. Die Entscheidung sei nach Auszählung von 99 Prozent der Wahlbezirke gefallen, weil Auswertungscomputer ausgefallen seien, sich die Öffnung von Briefwahlunterlagen verzögert habe und Wahlhelfer erschöpft seien, berichtete der Fernsehsender CNN.
Erst "im Laufe des Mittwochs" werde feststehen, ob Amtsinhaber George W. Bush oder der demokratische Herausforderer John Kerry die sieben Wahlmännerstimmen des Staates erhalte. Laut CNN erhielt Bush in Iowa nach vorläufigem Stand 50 Prozent der Stimmen, Kerry folgte mit 49 Prozent.
Die Stimmverteilung
Am Vormittag (MEZ) hatte Bush 254 Wahlleute sicher, Kerry 252. Für einen Sieg werden mindestens 270 benötigt. Noch fehlen die Ergebnisse von Ohio, Iowa und New Mexiko.
Nach Angaben des TV-Senders ABC lag Bush in dem erbittert umkämpften Südstaat Florida mit 52 Prozent vor Kerry, der mit 47 Prozent rechnen konnte. Florida, das vor der Wahl keiner Seite eindeutig zuzurechnen war, hat 27 Wahlmännerstimmen zu vergeben.
Kerry konnte hingegen die 21 Stimmen aus dem ebenfalls von beiden Kandidaten heftig umworbenen Staat Pennsylvania für sich gewinnen. Er gewann außerdem in Oregon und Michigan, während Bush in Colorado und Nevada den Sieg holte.
Hochburgen behauptet
In Ohio blieben die Wahllokale wegen der starken Wahlbeteiligung länger offen als geplant. "Keine Frage, Ohio ist absolut wichtig", sagte der Parteivorsitzende von Kerrys Demokraten, Terry McAuliffe. Er wies darauf hin, dass die Wahlbeteiligung gerade in Hochburgen seiner Partei in Ohio besonders rege war. In Ohio sind 20 Wahlleutestimmen zu holen. Der Staat im alten Industriegürtel ging 2000 mit 165.019 Stimmen Mehrheit an Bush.
Landesweit konnten die Kandidaten die Hochburgen ihrer Parteien behaupten. Kerry dominierte wie erwartet in den Neuengland-Staaten im Nordosten und gewann auch Kalifornien. Bush konnte im Süden und im Mittleren Westen des Landes punkten.
Nach den ersten Prognosen und Teilergebnissen gaben sich beide Seiten zuversichtlich. "Ich glaube, ich werde gewinnen", sagte Bush vor Journalisten im Weißen Haus. Laut seinem Sprecher aß der Präsident mit zwei Dutzend Familienangehörigen und Freunden zu Abend. Kerry harrte der Ergebnisse im heimischen Boston. Der Leiter seiner Wahlkampagne, Joe Lockhart, sagte, der Demokrat habe eine "gute Position". Angesichts der "unglaublichen" Wahlbeteiligung in Ohio und Florida seien die Demokraten "sehr optimistisch".
Hohe Wahlbeteiligung
Angesichts des offenen Ausgangs im Rennen um die Präsidentschaft der USA haben offenbar so viele Amerikaner wie nie zuvor von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Die Behörden schätzten die Wahlbeteiligung auf 117 bis 121 Millionen Bürger. Das wären 58 bis 60 Prozent der Wahlberechtigten. Möglicherweise könnte auch die bisher höchste Beteiligung von 62,8 Prozent im Jahr 1960 übertroffen werden. (kas/mb)