Warum arabische Staaten Israel gegen Iran unterstützen
14. April 2024Iran hat in der Nacht von Samstag zu Sonntag mehr als 300 Raketen und Drohnen auf Ziele in Israel geschossen - als Vergeltung für einen mutmaßlichen Angriff Israels auf das iranische Konsulatsgebäude in Syriens Hauptstadt Damaskus mit etlichen Toten. Israels Verbündete kamen zu seiner Verteidigung: Die britische und die US-Luftwaffe halfen, die Luftangriffe abzuwehren. Auch Frankreich war offenbar beteiligt, allerdings ist unklar, ob französische Einheiten Raketen abgeschossen haben.
Viel Aufmerksamkeit bekam vor allem die Tatsache, dass die Luftwaffe Jordaniens Israel unterstützte. Das Nachbarland öffnete seinen Luftraum für israelische und US-amerikanische Flugzeuge und hat augenscheinlich auch Drohnen abgeschossen, die seinen Luftraum verletzt haben. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass Anwohner in Jordanien massive Aktivitäten im Luftraum wahrnahmen. In den sozialen Medien zirkulierten Bilder von Resten einer abgeschossenen Drohne im Süden der Hauptstadt Amman.
"Außerdem könnten die Golfstaaten, Saudi-Arabien eingeschlossen, eine indirekte Rolle gespielt haben, denn sie beherbergen westliche Luftverteidigungssysteme, Luftüberwachung und die Möglichkeit, Flugzeuge aufzutanken - alles unverzichtbar für den Einsatz", schreibt der britische "Economist".
Einige Kommentatoren haben die arabische Beteiligung in ihren Posts umgehend gefeiert und betont, das beweise, dass Israelis und Araber kooperieren könnten und Israel im Nahen Osten nicht allein dastehe - so etwa Anshel Pfeffer, Autor des liberalen israelischen Blattes "Haaretz", und Mairav Zonszein von der Denkfabrik International Crisis Group.
"Die Angriffe Irans haben weitere Unterstützer aus aller Welt hinter Israel versammelt, inklusive einflussreicher arabischer Staaten, die Israels Gaza-Offensive durchaus kritisch sehen, aber dennoch eine Antwort auf die Drohnenangriffe Irans befürworten", sagt Julien Barnes-Dacey, Chef des Nahost- und Nordafrikaprogramms des European Council on Foreign Relations.
Jordanien ist ein Beispiel: Die Regierung steht Israels Vorgehen im Gazastreifen extrem kritisch gegenüber. Einer von fünf Bewohnern Jordaniens ist palästinensischer Herkunft, die Königin inbegriffen, und in den vergangenen Wochen gab es zunehmend feindselige Proteste gegen Israel.
Gleichzeitig teilt Jordanien sich eine Grenze mit Israel, wacht über die Al-Aksa-Moschee und den Tempelberg in Jerusalem, einen der bedeutsamsten Orte für Muslime, Juden und Christen, und arbeitet mit den israelischen Behörden zusammen - wenn auch meist hinter den Kulissen. Doch auch die USA sind ein wichtiger Verbündeter des Landes.
Jordanien muss also viele konkurrierende Interessen ausgleichen, die politische Stabilität des Landes und seine Verteidigung sichern. Die Regierung war schnell bemüht klarzustellen, dass die Unterstützung für Israel auch ein Akt der Selbstverteidigung sei. "Einige Objekte, die vergangene Nacht in unseren Luftraum eingedrungen sind, wurden abgefangen, weil sie eine Gefahr für unsere Bevölkerung und dicht bewohnte Gebiete darstellten", so ein Statement der Behörden. "Teile (der abgeschossenen Objekte) fielen auf unser Staatsgebiet, ohne nennenswerten Schaden anzurichten."
Wie Jordanien geht es auch Saudi-Arabien: Die Regierung versucht, ihre eigenen Interessen mit internationalen Bündnissen auszubalancieren und ebenso die eigene Realpolitik mit ihrem Auftreten rund um den Gaza-Konflikt.
Der wohlhabende Golfstaat war gerade dabei, die Beziehungen mit Israel zu normalisieren, als die militante Hamas aus Gaza am 7. Oktober Israel attackierte. Bei dem Terrorangriff starben rund 1200 Menschen in Israel. Bei den anschließenden Militäroffensiven Israels im Gazastreifen sind in den vergangenen Monaten mehr als 33.000 Menschen ums Leben gekommen. Saudi-Arabien hat die Annäherung an Israel fürs erste gestoppt.
Die saudische Regierung befürwortet einen Waffenstillstand in Gaza und kritisiert Israels Vorgehen in dem Küstenstreifen. Insider sagen allerdings hinter verschlossenen Türen, dass Saudi-Arabien weiterhin daran interessiert sei, seine Beziehungen zu Israel zu verbessern.
Iran und die Golfstaaten - ein Jahrzehnte alter Konflikt
Ob sie nun an diesem Wochenende im Interesse Israels eingegriffen haben oder nicht: Die Saudis haben etliche andere Gründe, iranische Raketen vom Himmel zu holen.
Seit Jahrzehnten ist der Nahe und Mittlere Osten entlang religiös-konfessioneller Linien gespalten. Die arabischen Golfstaaten haben eine sunnitische Bevölkerungsmehrheit, der Iran gilt als Führungsmacht der Schiiten. Die gegenseitige Rivalität ähnelt teilweise Konflikten in Europa, in denen die beiden großen Konfessionen, die Katholiken und die Protestanten, gegeneinander angetreten sind - in Nordirland beispielsweise.
Staaten wie Irak, Syrien und Libanon dagegen sind multiethnisch und multireligiös, mit einer Mischung aus Schiiten und Sunniten sowie anderer Religionen und zahlreicher Volksgruppen. In dem Maße, in dem Iran und die Golfstaaten ihren Einfluss dort versucht haben auszubauen, sind sie zwischen die Fronten geraten.
Hier kommen Irans sogenannte Stellvertreter ins Spiel. Das sind schiitisch-muslimische Organisationen, die der Iran finanziell, militärisch, logistisch und selbst geistig zu einem gewissen Grad unterstützt. Dazu gehören die Huthi-Rebellen im Jemen, die Allianz überwiegend schiitischer Milizen im Irak sowie der politische und der militärische Arm der Hisbollah im Libanon. Auch die Hamas zählt dazu - auch wenn sie, wie die Mehrheit der Palästinenser, überwiegend aus Sunniten besteht.
Diese Gruppen haben sich an dem Angriff an diesem Wochenende beteiligt - sie feuerten Raketen aus dem Jemen, dem Irak und aus Syrien auf Israel. Im Irak wiederum soll das dort stationierte US-Militär unbestätigten Berichten zufolge einige der abgefeuerten Raketen abgeschossen haben. Ob die Saudis Geschosse aus dem Jemen abgefangen haben, ist nicht ganz klar - anders als im vergangenen Jahr, als sie Huthi-Raketen unschädlich gemacht haben.
"Regionale Akteure - vor allem Saudi-Arabien und Jordanien, die mutmaßlich iranische Drohnen abgefangen haben - werden argumentieren, dass sie ihren eigenen Luftraum schützen mussten", betont Masoud Mostajabi, Direktor des Nahostprogramms beim US-amerikanischen Thinktank Atlantic Council, in einer aktuellen Analyse. "Sollten diese Angriffe sich aber zu einem größeren Israel-Iran-Konflikt ausweiten, könnten Staaten in der Region, die als Verteidiger Israels gelten, zur Zielscheibe werden und in einen regionalen Flächenbrand hineingezogen werden." Seine Schlussfolgerung: "Dass so viel auf dem Spiel steht, könnte sie anspornen, zwischen den Kontrahenten zu vermitteln, um die Konfrontation zu beenden."
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.