Was macht manche NFTs so teuer?
29. November 2021Nicht fungible Tokens - kurz NFTs - das geht zwar nicht gut über die Zunge, dafür verkauft es sich aber derzeit ziemlich gut. Der etwas seltsame und umstrittene digitale Vermögenswert ist auf dem Vormarsch. Anfang des Jahres erzielten einige Auktionen von NFTs Millionen von Dollar. Auch die DW hat beim Verkauf mitgemischt. Besonders hohe Wellen hat das nicht geschlagen. Umso mehr drängt die Frage: Was macht den Erfolg eines NFTs aus?
Im Namen der Kunst?
Erst mal einen Schritt zurück: Mit NFTs können Eigentumsverhältnisse von digitalen Dateien nachgewiesen werden. Dabei kann es sich um Kunstwerke handeln, um Zubehör in Videospielen, oder sogar um virtuelle Grundstücke. Dass es sich bei den entsprechenden Dateien um ein Original handelt, wird in der Blockchain eingetragen. Deshalb werden NFTs meistens in Kryptowährung gehandelt und deshalb verbrauchen NFTs auch eine Menge Strom.
Die Investmentbank JPMorgan Chase schätzt, dass sich der weltweite NFT-Markt auf umgerechnet 6,3 Milliarden Euro beläuft. Ein NFT-Experiment des Economist brachte dem Nachrichtenmagazin im Oktober umgerechnet 420.000 Dollar ein. Der Economist hatte die Titelseite einer Ausgabe über Kryptowährungen versteigert. Sie zeigt eine Nachzeichnung aus dem Kinderbuch "Alice im Wunderland" mit der Überschrift "Down the Rabbit Hole", übersetzt etwa "Verschwunden im Kaninchenbau". Der Käufer @9x9x9 sagte gegenüber dem Economist, dass es vor allem der Titel gewesen sei, der ihn zum Kauf bewegt habe.
Geschmack, Invest oder Manipulation?
Doch die Gründe, warum Menschen große Summen für die Rechte an einer digitalen Datei bezahlen, variieren. Der Kryptounternehmer Vignesh Sundaresan gab Anfang dieses Jahres 69 Millionen Dollar für ein NFT des Künstlers Beeple aus. Es ist die höchste bisher bezahlte Summe für ein digitales Kunstwerk mit NFT-Stempel.
Der NFT-Fan Sundaresan, der auch in die Technologie investiert hat, stand danach im Verdacht, durch den Kauf die Preise in die Höhe zu treiben. Er bestritt das. Es ginge um die Unterstützung des Künstlers und darum, die Technologie zu zeigen.
Für andere Käufer ist Knappheit ein zentrales Argument. "Der Käufer weiß, wie viele Exemplare hergestellt werden, und hat einen Blockchain-Beweis für das Eigentum", sagte der amerikanische Milliardär und NFT-Sammler Mark Cuban dem Online-Nachrichtenportal Business Insider.
Was die Daten sagen
Die Forscher des staatlichen Alan Turing Instituts (ATI) in England wollten wissen, was die Daten über dieses Phänomen aussagen. "Wir haben festgestellt, dass der Erfolg von NFTs sehr heterogen ist", sagt Andrea Baronchelli, Junior-Professor für Mathematik an der University of London und Blockchain-Forscher am Alan Turing Institut gegenüber der DW. "Einige - sehr wenige - sind sehr erfolgreich, ein paar verkaufen sich anständig und die Mehrheit ist wertlos."
In einer Studie nahm das Expertenteam des ATI in diesem Jahr die Rolle von drei Faktoren für die Preisgestaltung von NFTs unter die Lupe: die visuellen Merkmale des NFTs, frühere und verwandte Verkäufe eines NFTs und das soziale Netzwerk der Käufer und Verkäufer.
Mithilfe eines maschinellen Lernmodells untersuchten die Forscher einen Datensatz von 4,7 Millionen NFTs, die von mehr als 500.000 Käufern und Verkäufern ausgetauscht wurden. Das Ergebnis? Frühere Verkäufe von verwandten NFTs waren der wichtigste dieser drei Faktoren und machten mehr als 50 Prozent der Preisabweichungen aus.
So wären beispielsweise frühere Verkäufe von NFTs aus der Kollektion der sogenannte "Cryptopunks" ein positives Zeichen für künftige Verkäufe von NFTs aus derselben Kollektion.
Visuelle Merkmale waren der zweitwichtigste Aspekt und verantwortlich für 20 Prozent der Preisgestaltung. Die Beliebtheit der Händler in den sozialen Netzwerken machte zehn Prozent aus.
Für die Zukunft ist geplant, weitere Faktoren zu untersuchen - darunter auch die Plattform, auf der die NFTs verkauft werden, und die Aktivität der Künstlerinnen und Künstler in den sozialen Medien.
Ein Hauch vom klassischen Kunstmarkt
Knappheit, soziale Netzwerke und häufig auch der Inhalt des Kunstwerkes bestimmen auch auf dem traditionellen Kunstmarkt den Wert eines Objekts. Aber NFTs haben einige Merkmale, die sie von ihren realen Gegenstücken unterscheiden, sagt Mauro Martino, Direktor des Visual Artificial Intelligence Lab bei IBM Research und Mitautor der ATI-Studie.
"Ein großer Unterschied zwischen dem Kunstmarkt und NFTs besteht darin, dass die Künstler zehn bis 20 Prozent aus den Sekundärverkäufen einnehmen", erklärte er gegenüber der DW. "Jedes Mal, wenn ein Werk erneut verkauft wird, geht ein Teil des Erlöses wieder an den Künstler. Das ist wirklich ein Novum in der Kunstwelt und kann für die Künstler eine große Chance sein."
Dies ist möglich, weil alle künftige Verkäufe von NFTs in der Blockchain aufgezeichnet werden, so dass die Künstler ihren Anteil automatisch erhalten können.
Ein JPEG von einem Felsen
Wer bereits einmal ordentlich Geld mit einem NFT verdient hat, den begünstigen diese Faktoren. Aber was ist mit den vielen Werken, die kaum etwas einbringen?
"Jeden Tag stehen 10.000 neue Stücke zum Verkauf", sagt Martino. "Es gibt nicht jeden Tag 10.000 neue Käufer, um diese unglaubliche Produktion aufrechtzuerhalten."
Damit sich der NFT-Markt stabilisiert, müsste er mehr öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen, um so auch traditionelle Investoren anzulocken. Hinzu komme das bisher nur begrenzte Wissen über Kryptowährungen. Bis sich genügend Menschen damit auskennen, vergehen wohl noch Jahre, so Experten. In der Zwischenzeit könnte es noch zu einigen Überraschungen kommen.
"Wenn wir davon ausgehen, dass der Enthusiasmus für NFTs heute dem Enthusiasmus für Kryptowährungen zu Beginn sehr ähnlich ist, dann können wir auch von einer größeren Korrektur ausgehen", sagt Baronchelli von der University of London. Die Auswirkungen einer Korrektur auf einen nicht-fungiblen Vermögenswert seien anders als beispielsweise bei einem fungiblen Wert wie dem Bitcoin, den man beliebig tauschen könnte.
"Wenn ich einen Bitcoin habe und er fällt um 40 Prozent, habe ich immer noch 60 Prozent", so Baronchelli. "Wenn ich nun aber ein JPEG von einem Felsen habe - was passiert mit dem Wert dieses JPEGs? Wir wissen es nicht, weil es nichts Vergleichbares gibt."
Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.