Ein schwieriger Begriff: Heimat
24. Februar 2018Heimatlos zu sein war noch im 19. Jahrhundert in Deutschland ein Zeichen von Besitzlosigkeit. Solche Leute - Fremde genannt - bekamen keinen "Heimatschein", der ihnen öffentliche Fürsorge wie zum Beispiel Hilfe bei Krankheit gab. In manchen Regionen durften Heimatlose nicht heiraten. Glücklich konnten dagegen die sein, die eine "Heimat", zum Beispiel das elterliche Haus, hatten.
Der Begriff war also vor allem juristisch gemeint. Er bezog sich auf Besitz an einem bestimmten Ort. Doch das ist nur eine von vielen Bedeutungen von "Heimat".
Typisch deutsch: starke Provinz
In Deutschland ist Regionalität historisch stark ausgeprägt. Denn erst 1871 gab es ein geeintes Deutschland. Jahrhunderte zuvor war es arg zersplittert gewesen. Die Folge: Der "Deutsche" definierte sich weniger als "deutscher Staatsangehöriger", sondern vielmehr mit der Region, in der er oder sie aufwuchs - also mit Bayern, Schwaben oder der Uckermark. Die Identifizierung mit dieser "Heimat" war stark.
Auch heute noch ist Deutschland vergleichsweise wenig zentralisiert. Sogar im Grundgesetz steht, dass die Lebensverhältnisse gleichwertig sein sollen - in Stadt und Land, in Nord und Süd. Es gibt nicht - wie in anderen Ländern - "die" Hauptstadt und dann den großen Rest, die "Provinz". Sondern es gab und gibt viele Zentren, die über das ganze Land verteilt sind.
In jüngster Vergangenheit hat das auch damit zu tun, dass es bis zur deutsch-deutschen Wiedervereinigung zumindest im Westen nicht einmal eine richtige Hauptstadt gab. Bonn war zwar Sitz der Regierung, aber ansonsten eine mittelgroße Stadt und keine Metropole wie London oder Paris. Immerhin versucht sich das wiedervereinigte Berlin nun in einer solchen Rolle.
Die Stärke der "Provinz" zeigt sich noch in anderen Punkten: Es gibt 16 Bundesländer, die nicht nur Verwaltungseinheiten sind. Sondern diese beheimaten jeweils teils jahrhundertealte Identitäten. Oftmals mitten in der Provinz liegt die Heimat der "Hidden Champions". Das sind Firmen, zum Beispiel im Maschinenbau, in teils wirklich kleinen Ortschaften, die auf ihrem Gebiet Weltmarktführer sind.
Das dunkle Kapitel von Heimat
Doch neben der positiven Konnotation, die "Heimat" auslösen kann, gibt es noch die andere Bedeutung des Begriffs. Die Nationalsozialisten mit ihrer mörderischen Blut-und-Boden-Ideologie sorgten dafür, dass "Heimat" entwürdigt wurde. Unter Adolf Hitler gehörten nur die zur "deutschen Heimat", die der "deutschen Rasse" angehörten. Die anderen, wie die Juden, wurden im eigenen Land vernichtet. Unter dem Deckmantel der "Heimat" wurde ein Krieg angezettelt, mit dem fremde Territorien und dortige deutsche Minderheiten "heim ins Reich" geholt werden sollten.
Viele Millionen Menschen fielen dem zum Opfer. Auch die, die dann nach dem Krieg als Heimatvertriebene in den beiden deutschen Nachkriegsstaaten lebten. Ihre Heimatverbände standen für Verlust und rückwärtsgewandte Erinnerungskultur. Vor allem die nachfolgenden Generationen wollten davon nichts mehr wissen. Selbst der klassische "Heimatkunde"-Unterricht verschwand, zumindest im Westen des Landes, aus dem Schulunterricht.
Als erstes hatte die 2013 gegründete "Alternative für Deutschland" dem Begriff "Heimat" wieder eine politische Bedeutung gegeben. Doch wieder diente er als Kampfbegriff zum "Heimatschutz", nämlich zur Abwehr von "Multikulti" und Flüchtlingen.
Doch die anderen Parteien zogen nach und widmeten sich, hauptsächlich unter anderen Vorzeichen, wieder einer Heimatpolitik zu. Nun soll es sogar ein Heimat-Ministerium geben.
"Heimat" als Trendbegriff
Warum wurde "Heimat" aber überhaupt wieder trendy? Das liegt wohl auch an der Globalisierung. Denn Heimat sei der Gegentrend zur Globalisierung und dem Internet. "Die Menschen haben zwar den Eindruck, dass die Welt zu einem Dorf geworden ist, aber dass sie in diesem Dorf nicht leben können", erklärt der Romanistik-Professor an der Universität Jena, Edoardo Costadura die neue Heimatsehnsucht.
Schon nach der Jahrtausendwende wurde der neue Trend sichtbar. Zum Beispiel im explodierenden Absatz der Zeitschrift "Landlust", die ein idyllisches Bild des heimatlichen Landlebens vermarktet. Seit ein paar Jahren ist es cool, regional einzukaufen. Das heißt, das Steak soll nicht mehr aus Argentinien kommen, sondern vom Bauern nebenan.
Wenn Politik jetzt "Heimat" neu für sich entdeckt hat, dann reagiert sie also auf etwas, was schon länger im Trend liegt.