Keine Sorge um das Klima
17. Februar 2014Beim Klimawandel erregt das Wort "leugnen" (auf Englisch "denial") die Gemüter. So hagelte es bei der US-amerikanischen Autorin Kari Norgaard massenweise Drohmails von Klimaskeptikern, als sie das Buch veröffentlichte "Living in Denial: Climate Change, Emotions, and Everyday Life".
Dabei geht es der Psychologin von der Universität Oregon überhaupt nicht um die kleine Minderheit, die leugnet, dass ein von Menschen beeinflusster Klimawandel stattfindet. Was Norgaard vielmehr interessiert, sind die Gründe, warum die breite Mehrheit der Bevölkerung in industrialisierten Ländern, die die Erkenntnisse der Klimawissenschaft nicht in Frage stellen, das Wissen trotzdem nicht im alltäglichen Leben umsetzen.
"Wie kann das sein? Wir wissen so viel über die Dringlichkeit der Probleme des Klimawandels. Wenn man sich aber umsieht, hat man den Eindruck, entweder keiner weiß etwas oder es interessiert niemanden", sagte Norgaard im Interview mit der DW bei einer von der University of the Arctic organisierten Veranstaltung im norwegischen Tromsö. Sie spricht von einer "unglaublichen Kluft zwischen der moralischen, sozialen und Umweltkrise und einem breiten Verständnis für die dringende Notwendigkeit, etwas dagegen zu unternehmen".
Sichtbar, aber nicht wahrgenommen?
Die US-amerikanische Forscherin verbrachte zehn Monate in einer Gemeinde im Norden von Norwegen, also in einem Land, in dem viel Zeitung gelesen wird, die Menschen politisch aktiv sind und der Klimawandel nicht angezweifelt wird.
Sie erlebte dort einen sehr warmen Winter, in dem der Schnee zwei Monate später als üblich kam, mit Konsequenzen für die wichtigen Wirtschaftszweige Landwirtschaft und Tourismus. Trotzdem war für sie das Thema Klimawandel im sozialen und politischen Leben "unsichtbar". Obwohl die Medien über einen Zusammenhang zwischen dem warmen Winter und der globalen Erwärmung berichteten, gab es keine Reaktionen.
Norgaard beschreibt dies als "sozial organisierte Verleugnung": Obwohl die Menschen über die Ergebnisse der Klimaforschung informiert sind, bringen sie dieses Wissen nicht mit ihrem politischen, sozialen und privaten Leben in Verbindung. Dies sei typisch für den Umgang der Verbraucher in wohlhabenden Industrieländern mit der Erderwärmung. Auch in ihrem Heimatland, den USA, litten manche Regionen bereits unter Klimaveränderungen mit Nachteilen für die Wirtschaft. Niemand wolle aber akzeptieren, dass dies mit ihrem eigenen Lebensstil zusammenhänge und unangenehme Verhaltensänderungen erfordere.
"Menschen haben erstens Angst um die Welt und ihre Zukunft. Zweitens haben sie Schuldgefühle, weil sie wissen, dass unsere hohe Lebensqualität, die auf dem Einsatz fossiler Brennstoffe basiert, direkt mit dem Problem verbunden ist. Dazu kommt ein Gefühl der Hilflosigkeit, weil das Problem so riesig erscheint und die Politik nicht reagiert."
Die Menschen ziehen es vor, so zu leben, als hätten sie die besorgniserregende Informationen über den Klimawandel nicht, meint die Psychologin. Sie vergleicht dieses Verhalten mit psychologischen Erkenntnissen über die Gründe, warum viele Menschen den Holocaust oder den Einsatz der Atombombe im zweiten Weltkrieg ignorierten. Man versuche, sich selbst zu schützen, indem man unangenehme Tatsachen und die Notwendigkeit, etwas zu unternehmen, aus dem Weg gehe.
"Der größte Kommunikationsgau aller Zeiten"
Per Espen Stoknes ist Psychologe am "Center for Climate Strategy" des "Norwegian Business Institute" NBI. Die Kommunikation der Klimawissenschaft habe solche psychlogischen Verteidigungsmechanismen ausser acht gelassen, erklärte er im Gespräch mit der DW: "Man ist lange davon ausgegangen, dass die Fakten alleine ausreichen würden. Es gibt aber psychologische Barrieren, die verhindern, dass man das, was uns die Wissenschaft erzählt, wirklich annimmt. Das hat man bis jetzt unterschätzt. "
Der Klimawandel werde als etwas weit entferntes wahrgenommen, so Stoknes. Zum einen sei eine Vorhersage des Weltklimarats für das Jahr 2100 zeitlich weit weg. Schmelzendes Eis in der Arktis oder ein Meeresspiegelansteig bei Bangladesch oder den Malediven wiederum erschienen geographisch außer Reichweite.
Je mehr wir über den Klimawandel wissen, desto geringer scheint die Besorgnis über seine Auswirkungen, sagt Stoknes. Er zitiert Umfragen in Norwegen: "Heute sehen nur vier von zehn der Befragten den Klimawandel als Problem."
Während 97 Prozent der Klimawissenschaftler sich über die Existenz des Klimawandels einig sei, habe die Öffentlichkeit den Eindruck, es seien nur 55 Prozent. Die Öffentlichkeitsarbeit zum Klimawandel bezeichnet der norwegische Psychologe als "den größten Kommunikationsgau aller Zeiten". Die Wissenschaftler müssten weniger vortragen und sich verstärkt in einen Dialog begeben.
Auch die Medien spielten eine Rolle: "Wir wissen, dass um die 85 Prozent aller Medienberichte zum Thema Klima eher Katastrophenberichte sind. Wir wissen auch, dass dies dazu führt, dass die Menschen das Thema meiden." Passend dazu nehme das Ausmaß der Klimaberichterstattung rund um den Globus ab, sagt Medien- und Klimaforscherin Elisabeth Eide von der Universität Bergen. Sie spricht von "Klimamüdigkeit" in der Gesellschaft und in den Medien.
Wie bringt man Menschen dazu, ihr Verhalten zu ändern?
Wenn die Forscher recht haben und der mangelnde Einsatz für Klimaschutz eher psychologisch motiviert ist, braucht das Problem auch psychologische Lösungen. "Wir müssen von Negativität und Katastrophen weg kommen und praktikable Lösungen attraktiv machen", sagt Stoknes.
Auch Norgaard plädiert für positive Beispiele. Grünes Verhalten müsse in der Gesellschaft normal werden, schlägt Psychologe Stoknes vor. Er denkt beispielsweise an Online-Kampagnen, bei denen Menschen ihre Energieersparnisse eintragen und mit denen ihrer Nachbarn vergleichen können. Umwelt- und klimaschonende Lösungen wie der beidseitige Druck beim Fotokopieren oder energiesparende Geräte sollten die Erstoptionen werden.
Wenn man es schaffen könnte, dass die Menschen nicht von Katastrophenszenarien überwältigt und gelähmt würden und man ihnen die Möglichkeiten einer "Green economy" als attraktive Zukunftsoption aufzeigen könnte, würde man die "emotionale Notwendigkeit zu verleugnen" einfach nicht mehr auslösen, dessen ist sich Stoknes sicher.