Was Facebook mit WhatsApp will
21. Februar 2014"WhatsApp und Facebook teilen die gemeinsame Mission, die Welt besser zu vernetzen." Das sagte Facebook-Gründer Mark Zuckerberg nach dem Mega-Deal und ergänzte: "WhatsApp wird schon bald eine Milliarde Nutzer haben. Jede Internetanwendung, die diesen Meilenstein erreicht, ist unglaublich wertvoll."
WhatsApp ist seit seinem Start vor fünf Jahren rasant gewachsen. Pro Monat nutzen 450 Millionen Menschen die Anwendung für Einzel- und Gruppengespräche. Außerdem können sie per WhatsApp Texte, Fotos sowie Video- und Audio-Dateien übers Internet verschicken. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit eine Million Nutzer pro Tag hinzukommen.
Aber bei dieser Übernahme ging es nicht nur um den Zugang zu den weltweiten Märkten, sagt Janneke Sloëtjes von der niederländischen Initiative "Bits of Freedom", die sich für digitale Rechte einsetzt. "Facebook will eine Nutzergruppe erschließen, zu der es bislang keinen Zugang hatte."
Der Wert der Daten
In den USA ist WhatsApp nicht besonders populär. Aber in Europa und mehreren wachsenden Märkten wie Indien und Brasilien, wo solche Textnachrichtendienste besonders bei Jugendlichen außerordentlich beliebt sind, gehört WhatsApp bereits zu den Hauptakteuren.Mit seiner Hilfe könnte Facebook wieder mehr junge Nutzer gewinnen, die sich in letzter Zeit immer häufiger von dem sozialen Netzwerk verabschiedet hatten.
Die demografische Zusammensetzung der WhatsApp-Nutzer sei für Facebook sicher ein maßgeblicher Grund für die Übernahme gewesen, sagt die Analystin Rebecca Lieb von der Altimeter-Unternehmensberatung dem "Wall Street Journal". "Auf diese Weise wollen sie sich die jungen Leute sichern, die ohne Kurznachrichten gar nicht mehr leben können."
Der wahre Grund
Trotzdem bezweifeln Experten angesichts des Kaufpreises von 19 Milliarden Dollar (umgerechnet 13,8 Milliarden Euro), dass es wirklich nur um das Erschließen eines jüngeren Marktsegments geht. Schließlich verkaufe WhatsApp keine Werbung und generiere nur wenig Ertrag: Die Nutzer zahlen pro Jahr nur einen US-Dollar (0,89 €), das erste Jahr ist sogar kostenlos. Nein, nach Ansicht der Analysten geht es im Grunde vor allem um den Zugang zu Daten.
"Diese Übernahme wird Facebooks Datenpool maßgeblich vergrößern - und mit dem Sammeln und Verwerten von Informationen macht das Unternehmen sein Geld", sagt Raegan MacDonald von der Organisation "Access" für digitale Rechte im DW-Gespräch. An dem gigantischen Kaufpreis werde deutlich, wie wertvoll persönliche Informationen mittlerweile sind.
Was Daten verraten
Facebook-Chef Zuckerberg äußerte sich zunächst nicht dazu, was er mit WhatsApp in punkto Sicherheit vorhabe. WhatsApp-Gründer und -Chef Jan Koum sagte allerdings, sein Unternehmen werde als separate Anwendung bestehen bleiben.
"Aber WhatsApp-Server sind künftig Facebook-Server und es gibt nichts, das Facebook davon abhalten kann, sich dieser neuen Daten zu bedienen", warnt Janneke Slöetjes. Dafür lieferten die Daten viel zu wertvolle Informationen über das Kommunikationsverhalten der Nutzer, so die Expertin.
In der Vergangenheit hat WhatsApp immer wieder betont, wie sehr man dort auf die Privatsphäre der Nutzer achte. Es wird erzählt, das sei ein besonderes Anliegen des Gründers Koum gewesen, der in der Ukraine aufwuchs und erst als Jugendlicher nach Kalifornien kam. Andererseits wurde WhatsApp dafür kritisiert, die Adressbücher der Smartphones zu speichern - auch wenn es vermutlich keine persönlichen Informationen wie Name, Geschlecht oder Alter sammelt. Die per WhatsApp gesendeten Nachrichten werden demnach sofort von den Servern gelöscht.
"Sie betonen zwar, dass sie die Privatsphäre achten, doch trotzdem können sie die Intensität der Nutzung oder die Menge der Bilder analysieren", gibt Janneke Sloëtjes im DW-Interview zu bedenken. "Sie speichern vielleicht keine Nachrichten, aber auf einer Metaebene kann man aus den Kommunikationsmustern viel erkennen." Facebook werde viel darüber wissen, wie jemand kommuniziert und was er mag. "Das verschafft ihnen einen großen Vorteil. Sie wissen Dinge über dich, von denen du gar nicht weißt, dass sie sie wissen."
Und dafür reiche schon ein Minimum an Daten aus, bestätigt Raegan MacDonald. Sie berichtet von einer Studie der Universität Cambridge, bei der lediglich durch die Analyse der "Facebook-Likes" mit erstaunlicher Genauigkeit Alter, Geschlecht, Rasse, Intelligenzquotient, Drogenkonsum und politische Einstellung der jeweiligen User bestimmt werden konnten.
Besserer Schutz der Privatsphäre
Offenbar hat sich Facebook entschieden, durch strategische Zukäufe wie jetzt von WhatsApp oder 2012 vom Bilderdienst Instagram für eine Milliarde Dollar eine "Familie" von Anwendungen zu schaffen, anstatt einfach nur sein Kerngeschäft als soziales Netzwerk auszubauen. Damit stellt es sich der zwar kleineren, aber ebenfalls bedeutsamen Konkurrenz von Google, Google+ und Picasa.
"Diese zwei Gruppen kontrollieren einen Großteil des privaten, halb-privaten und öffentlichen Lebens der Leute", sagt Datenrechts-Expertin Sloëtjes. Diese Entwicklung gebe durchaus Anlass zur Sorge.
Allerdings sei es in heutiger Zeit unmöglich, die sozialen Netzwerke zu vermeiden, meint Raegan MacDonald: "Sobald wir uns gesellschaftlich engagieren, dringen die sozialen Netzwerke in unser Leben." Aber Konsumenten müssten viel mehr darauf achten, was sie im Internet von sich preisgeben. Nur dann könnten sie verhindern, zu einem Produkt zu werden, mit dem Unternehmen wie Facebook dann Geschäfte machen.
Darüber hinaus seien jedoch auch umfangreiche Gesetze erforderlich, die streng durchgesetzt werden. "Für die Verletzung der Privatsphäre muss es empfindliche Strafen geben", fordert MacDonald. "Wir hoffen, dass sich in den Vorstandsetagen in Sachen Privatsphäre und Datensicherheit schon bald einiges bewegt."
Immerhin: Auf der politischen Ebene tut sich schon etwas. So überarbeitet die Europäische Union derzeit ihre Richtlinien zur Privatsphäre und will einen gemeinsamen gesetzlichen Rahmen zum Thema Datenschutz schaffen. Das könnte dann wiederum als Maßstab für andere Regionen der Welt dienen.