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Was gehört ins Museum?

17. Januar 2012

Es ist wie beim Fußball, sagt Museumsdirektor Blühm: Manche Bilder sind erste Wahl, manche schmoren auf der Ersatzbank. Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt nun Schätze aus dem Depot - und lernt daraus.

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Eine Frau schaut sich ein Gemälde der Sonderausstellung 'Panoptikum - Die geheimen Schätze des Wallraf' im Wallraf-Richartz-Museum an. Foto: Oliver Berg dpa/lnw (c) dpa - Bildfunk
Bild: picture-alliance/dpa

In ein paar Tagen geht's wieder in den Keller. Die allermeisten Gemälde, die gerade noch in der Ausstellung "Panoptikum - Die Geheimen Schätze des Wallraf" zu sehen sind, wandern dann wieder in das Depot des Museums. Dort waren sie schon vorher, an großen beweglichen Gitterwänden hingen sie dicht an dicht auf engstem Raum. Wenn die beim Publikum überaus erfolgreiche Bilderschau in ein paar Tagen also ihre Pforten schließt, dann verschwinden Hunderte Gemälde wieder aus dem Blickfeld des kunstinteressierten Publikums. Warum das so ist, erklärt der Direktor des Wallraf-Richartz-Museums, Andreas Blühm: "Der allererste Grund ist, dass wir nicht genügend Platz haben, sie alle immer zu zeigen."

Gute Quote

Eine Frau schaut sich am Donnerstag (20.10.2011) in Köln das Gemälde "Löwenkampf" von Simon Meister an. Die Sonderausstellung «Panoptikum - Die geheimen Schätze des Wallraf» ist vom 21.10.2011 bis zum 22.01.2012 im Wallraf-Richartz-Museum in Köln zu sehen. Foto: Oliver Berg dpa/lnw (zu dpa/lnw: "Museum zeigt Bilder, die wir nicht mehr schön finden" vom 201.10.2011)
Museumswürdig? Simon Meisters "Löwenkampf"Bild: picture-alliance/dpa

Fast alle Museen in Deutschland, aber auch weltweit, zeigen immer nur einen kleinen Teil ihres Bestands. Im Wallraf-Richartz-Museum, das vor kurzem seinen 150. Geburtstag feierte und aus diesem Grund auch die Ausstellung "Panoptikum" ins Programm nahm, verfügt beispielsweise über einen Bilderfundus von rund 2000 Gemälden. Nur jedes vierte hängt im Museum in der ständigen Sammlung, der Rest ist im Depot. Die Quote von 25 Prozent sei gar nicht so schlecht, sagt Blühm, andere Museen hätten es da schwerer, verfügten über weniger Ausstellungsraum. Was kommt also nun in die Schauräume, was in den Keller? "Da der Platz nicht reicht, müssen wir eine Auswahl treffen", sagt Blühm. Diese Auswahl zu treffen, sei gerade die Kunst, aber auch die Schwierigkeit eines Museums: "Was soll hängen? Was manchmal? Was nie?"

Es gibt aber noch andere Gründe als den des mangelnden Platzangebots. Viele Bilder hängen dauerhaft im Depot, weil sie einfach nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprechen oder die Kunstgeschichte über sie hinweg gegangen ist. Natürlich ändere sich aber auch der Zeitgeschmack hin und wieder, sagt Blühm. Als Beispiel nennt er die "Akademische Malerei" des 19. Jahrhunderts, die vom Impressionismus verdrängt worden sei. Eigentlich müsste man diese Art der Malerei - ein Kunststil, der streng formale und ästhetische, zumeist "realistische" Regeln befolgte, - mal wieder in größerem Rahmen zeigen, meint Blühm. In der aktuellen Ausstellung "Panoptikum" hängen einige dieser Gemälde. Es sind sehr große Formate, Szenen offizieller Politik oder mit religiösem Inhalt. Bilder, die man heute gern als "Öl-Schinken" verspottet.

Beliebte Impressionisten

Eine Frau schaut sich am Donnerstag (20.10.2011) in Köln Gemälde an. Die Sonderausstellung «Panoptikum - Die geheimen Schätze des Wallraf» ist vom 21.10.2011 bis zum 22.01.2012 im Wallraf-Richartz-Museum in Köln zu sehen. Foto: Oliver Berg dpa/lnw (zu dpa/lnw: "Museum zeigt Bilder, die wir nicht mehr schön finden" vom 201.10.2011) +++(c) dpa - Bildfunk+++ pixel
Dicht gedrängt: Schätze aus dem DepotBild: picture-alliance/dpa

Doch wer will heutzutage schon eine riesenhafte Mariendarstellung oder eine Kaiserkrönung sehen, wenn er dafür zart hingetupfte Landschaften oder leuchtende Stadtansichten der großen Impressionisten haben kann? Andererseits dürfe das auch nicht dazu führen, nur noch "populäre" Impressionisten aufzuhängen und weniger breitenwirksame Kunst vollständig zu ignorieren. Das Kölner Museum, das über eine beachtliche Anzahl impressionistischer Gemälde verfügt, müsse in einem solchen Fall darauf achten, dass eine ausgewogene Mischung hängt. Schließlich habe man den Anspruch, die gesamte Kunstgeschichte zumindest ansatzweise darzustellen. Auch von anderen anerkannten Meistern wie dem in Köln geborenen Wilhelm Leibl besitzt man mehr Bilder, als man ausstellen kann. Bei solchen Künstlern tauscht man dann hin und wieder aus - das Rotationsprinzip kommt zum Tragen.

Ein paar Bilder, das ist ein ganz konkretes Ergebnis der Ausstellung "Panoptikum", werden wohl den Sprung in die dauerhafte Schau schaffen. Carl Spitzwegs Gemälde "Der singende Mönch" ist so ein Fall. Bei diesem Bild, sagt Blühm, hätten er und sein Team sich gefragt, warum es nicht in der ständigen Schau hänge. Doch nicht nur Carl Spitzweg ist einer der "Gewinner" der Depot-Ausstellung. Das Team des Museums hat alle Besucher aufgefordert, ein Lieblingsbild zu benennen.

Überraschung beim Siegerbild

Eine Frau schaut sich am Donnerstag (20.10.2011) in Köln das Gemälde "Muse mit Lyra" von Henri Martin an. Die Sonderausstellung «Panoptikum - Die geheimen Schätze des Wallraf» ist vom 21.10.2011 bis zum 22.01.2012 im Wallraf-Richartz-Museum in Köln zu sehen. Foto: Oliver Berg dpa/lnw (zu dpa/lnw: "Museum zeigt Bilder, die wir nicht mehr schön finden" vom 201.10.2011)
Aus dem Depot-Schlaf erwacht: Henri Martins "Muse mit Lyra"Bild: picture-alliance/dpa

"Da hat es eine Riesenüberraschung gegeben" erzählt Blühm. Gewonnen hat das größte Bild der ganzen Schau, Walter Firles Gemälde "Vergib uns unsere Schuld": eine bäuerliche Szene aus dem 19. Jahrhundert. Sie zeigt eine junge Frau, die offenbar in das Haus der Eltern zurückkehrt. "Wahrscheinlich ein 'gefallenes Mädchen'", vermutet Blühm, "typische Sozialromantik des 19. Jahrhunderts". Spitzwegs Mönch hat den dritten Platz erreicht, noch hinter einer unspektakulären, aber stimmungsvollen Waldlandschaft von Christian Rohlfs. Auch das eine große Überraschung für die Kuratoren der Ausstellung.

Richtet man sich nun nach solchen Ergebnissen? Ist das etwa die Formel für ein "demokratisches Museum"? "Ja und Nein", antwortet Andreas Blühm. Man sei als Museumsmacher im Laufe der Zeit natürlich auch ein wenig berufsblind geworden, so stark spezialisiert, dass man überzeugt sei, immer zu wissen, welche Bilder ausgestellt werden sollen. Auf der anderen Seite will Blühm die Ergebnisse einer solchen Ausstellung beachten: "Man muss das Publikum ernst nehmen, das lohnt sich!". Zwar werde man sich auch in Zukunft nicht nur einem Geschmacksurteil des Publikums beugen, aber: "Die Kunsthistoriker haben nicht das Monopol, über Kunst zu reden". Gefragt ist also - so Blühm - ein Zwischenweg. Das ist dann wohl auch das Fazit der Ausstellung "Panoptikum - Die Geheimen Schätze des Wallraf": mit Kunst so umzugehen, das einerseits die Fachleute zufrieden sind, auf der anderen Seite aber auch das Publikum.

Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Aya Bach