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Was hält eine Diktatur am Leben?

Dirk Kaufmann2. September 2013

Autokratische Herrschaftssysteme sind nicht durch Wahlen legitimiert - ihre Macht beruht auf Gewalt und Unterdrückung. Wie können sie trotzdem Unterstützung im Volk finden und wie lange kann das funktionieren?

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AIn Bagdad wird am 9. April 2003 eine Saddam-Hussein-Statur heruntergerissen (Foto: AP)
Eine Statur von Saddam Hussein wird wird heruntergerissenBild: picture alliance/AP Photo

In fast jedem zweiten Land der Welt, so der Politologe Professor Christoph Stefes von der Universität von Colorado in Denver, USA, regiere ein autoritäres Regime. Für das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin (WZB) hat Stefes ein Forschungsprojekt zum Thema autoritäre Regime geleitet. Erste Ergebnisse liegen bereits vor.

Aber was sind überhaupt autokratische Regime? Stefes hat dafür eine einfache Erklärung: Alles, was nicht eine Demokratie ist. Eine Demokratie erkenne man daran, "dass der Zugang zur Macht offensteht und dass die wichtigsten Positionen über freie Wahlen besetzt werden." Zu den untersuchten Staaten zählten, so der Politologe, jede "absolutistische Monarchie, Militärregime und jeder Ein-Parteien-Staat, aber auch Mehr-Parteien-Systeme, in denen schon vor der Wahl feststeht, wer am Ende gewinnt."

Drei Säulen der Macht

Die Wissenschaftler haben drei Faktoren gefunden, auf denen die Macht autokratischer Regime ruht: Legitimation, Repression und Kooptation. Diese drei Säulen würden einander bedingen und sorgten, solange sie im Gleichgewicht bleiben, dafür, dass die Machthaber sicher im Sattel sitzen.

Unter Kooptation versteht man Einbindung durch Teilhabe: Man bietet Menschen an, sich am Regime zu beteiligen um dadurch von ihm zu profitieren. Die so geschaffene Solidarität stützt den Machtanspruch eines Diktators, der diese Teilhabe gewährt hat. Die Kooptation sei die schwächste der drei Säulen, so die Studie. Sie habe den geringsten Einfluss auf die Stabilität eines autoritären Regimes.

Porträt von Christoph Stefes vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) (Foto: Die Hoffotografen Berlin)
Christoph Stefes untersuchte autoritäre Regime für das WZBBild: Die Hoffotografen Berlin

Die Repression, die Unterdrückung jeder abweichenden Meinung, sei ein stärkeres Instrument. Dabei, so Stefes im Gespräch mit der DW, müsse man harte und sanfte Repression unterscheiden. Ein Beispiel für "sanfte" Repressionen sei in Russland zu finden. Dort würde von Zeit zu Zeit auch gegen Demonstranten vorgegangen und Oppositionelle würden inhaftiert, meistens aber spiele sich die Unterdrückung versteckt ab: "Da werden unliebsame Journalisten mit Beleidigungsklagen überzogen oder Regimekritikern die Steuerfahndung auf den Hals gehetzt." Da müsse man schon sagen, so Stefes, dass "Herr Putin das sehr geschickt macht".

Harte und sanfte Maßnahmen

"Harte" Maßnahmen, wie Inhaftierungen und Folter oder die Verschleppung und Ermordung von Regimegegnern sind für Gewaltherrscher ein zweischneidiges Schwert. Einerseits erhöhen sie die Angst der Unterdrückten und machen sie gefügiger, andererseits können sie die Opposition aber auch anfeuern: Werden solche Verbrechen bekannt, gefährden sie den Machtanspruch eines Diktators.

"Sanfte" Maßnahmen jedoch - gezielte Veränderungen in der Steuergesetzgebung oder das Einfrieren von Konten - können einfacher und unauffälliger eingesetzt werden. Da sie nur selten ein Thema in den Medien sind, ist ihr Empörungspotential gering und sie liefern der Opposition nur wenig argumentative Munition.

Legitimation ist der Schlüssel zum Erfolg

Den größten Effekt für den Machterhalt eines autoritären Führers oder eines undemokratischen Regimes hat die Legitimation. Während in einer Demokratie jede Regierung durch Wahlen legitimiert ist, müssen sich in einer Diktatur die Machthaber ihre Legitimation selbst schaffen.

Ein solches Legitimationsmittel kann der Appell an nationalistische Instinkte sein, wie das beispielsweise der serbische Machthaber Slobodan Milosevic getan hat, oder eine Ideologie wie der Kommunismus, den sich Kambodschas Diktator Pol Pot zu Nutze gemacht hat. Fidel Castro in Kuba hat beides gleichzeitig getan: Er hat mit Blick auf den "bösen Nachbarn" USA die nationalistische Karte gespielt und sein Volk auf den Kommunismus eingeschworen.

Ein anderer Weg ist das Versprechen, für wirtschaftlichen Erfolg zu sorgen. In China etwa konnte die Kommunistische Partei mit diesem Versprechen alle ideologischen Fesseln abstreifen und musste keinen Protest befürchten. Wie gut das funktioniert, hat Christoph Stefes selbst erfahren. Als er in China unterrichtete, hatte er seine Studenten gefragt, was sie denn von Demokratie und einem Mehr-Parteien-System in China hielten. Darauf hörte er die Antwort: "Das würde hier alles destabilisieren. Nein, wir bleiben bei der Kommunistischen Partei, dann geht es auch uns materiell gut."

Wie Diktaturen stürzen können

Eine Diktatur, so Stefes, funktioniere so lange, wie diese drei Säulen stabil und im Gleichgewicht sind. Die Tage eines autoritären Regimes seien dann gezählt, wenn das Volk gegen die Repressionen aufbegehre. Oder wenn die Kooptation nicht mehr zu Teilnahme an der Macht verhelfe, sondern nur noch die Korruption fördere. Oder aber, wenn "ein Diktator plötzlich stirbt und die Nachfolgefrage völlig ungeklärt ist."

Christoph Stefes betont, dass man mit den Ergebnissen der WZB-Studie keinesfalls den Sturz eines Diktators oder das Ende eines autoritären Regimes vorhersagen könne: "Wir können das nicht voraussehen. Aber wir können zumindest sagen: Unter diesen oder jenen Umständen ist die Wahrscheinlichkeit des Zusammenbruchs höher als vorher."