Was ist eigentlich ein Kampfeinsatz?
9. Februar 2007Stellen wir uns einmal vor, nicht alle Abgeordneten sind Militärspezialisten wie das Gros der deutschen Bevölkerung auch, fangen also bei ihrer Entscheidungsfindung ganz harmlos an und schauen einfach auf der Homepage des Aufklärungsgeschwaders 51 mal nach, was diese RECCE-Tornados eigentlich können.
Sie werden feststellen, dass "Recce" die Abkürzung des englischen Wortes Reconnaissance, zu deutsch "Aufklärung" ist. Der frankophile Korinthenkacker unter den Abgeordneten wird kurz stutzen, und sich fragen, was Anerkennung (franz. "reconnaissance") mit Aufklärung zu tun hat. Er wird weiter lesen, noch einmal stolpern über den Hinweis, dass der RECCE-Tornado "in Soft- und Hardware ein vollfunktionsfähiges Jagdbomberflugzeug" ist , dass es abgesehen von zwei 27 mm Mauserkanonen auch Raketen mitführen kann - ja - aber nicht muss.
Aufklärung oder Kampfeinsatz?
Tatsächlich besteht die Hauptaufgabe der RECCE-Tornados im Ausspähen, nicht im Bombardieren von Zielen. Sie schießen Photos. Zitat Verteidigungsminister Jung: "Aufklärung ist nicht Kampfeinsatz." Das gilt allerdings nicht für den SPD-Fraktionschef Struck. Die Abgeordneten müssten bei ihrer Abstimmung wissen, dass es sich um einen Kampfeinsatz handelt, sagte der ehemalige Verteidigungsminister.
Und das erscheint logisch. Die hochauflösenden Bilder "militärischer Einzelziele, wie Flugplätze, Gefechtsstände, Verkehrsknotenpunkte, Brücken und Nachschubeinrichtungen" sollen sicher nicht dazu dienen, die Wände des NATO-Hauptquartiers zu schmücken, und die Amerikaner werden sich vom deutschen Verteidigungsminister auch nicht eine "restriktive" Verwendung der Bilder vorschreiben lassen.
Militärtechnik und Völkerrecht
Spätestens hier wird der bemühte Abgeordnete feststellen, dass er sich auf einem Nebenkriegsschauplatz befindet, auf dem erstaunlich viele Nebelkerzen gezündet werden. Den Nebel durchdringen, das weiß er inzwischen, könnten auch die RECCE- Tornados nicht immer, denn zumindest ein Teil ihrer Sensoren lässt den Einsatz nur unter Sichtbedingungen zu.
Also verlässt er die Niederungen der komplizierten Militärtechnik und wendet sich dem noch komplizierteren Geflecht des Völkerrechts zu. Er hat das schon mehrmals getan: Im März 1999, als die Bundeswehr sich ohne UN-Mandat am NATO-Einsatz im Kosovo beteiligt, im April 1999, als sich die NATO neue Statuten gibt und den Verteidigungsfall mit unklaren Worten ausdehnt. Nach dem 11. September 2001, als dieser ausgedehnte Verteidigungsfall und mit ihm die Beistandsverpflichtungen der Bündnispartner konkrete Entscheidungen verlangen. Dazu gehört zwar nicht, sich der Koalition der Willigen beim Einmarsch in den Irak anzuschließen, dazu gehörte aber im Dezember 2001, das Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr am ISAF-Einsatz in Afghanistan zuzustimmen, und dieses Mandat Jahr für Jahr zu verlängern.
Deutschland und der Hindukusch
Die Vorgaben des deutschen Grundgesetzes, das den "Verteidigungsfall" immer noch als Folge eines Angriffs auf das Bundesgebiet definiert, ist schon lange ausgehebelt, hilft dem Abgeordneten also auch nicht wirklich weiter. Darüber hinaus verschwimmen nicht nur die geographischen Fronten, sondern auch die zwischen Verteidigung und vorbeugender Verteidigung.
Einmal hat der Abgeordnete, wie andere auch, wohl nicht richtig aufgepasst, als nämlich der frühere Verteidigungsminister und jetzige SPD -Fraktionsvorsitzende Struck den schlichten Satz formulierte: "Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt." Bezeichnenderweise lässt sich das genaue Datum der inzwischen oft und gerne auch von Kabarettisten zitierten Äußerung nicht exakt datieren. Es muss irgendwann zur Jahreswende 2002/2003 gewesen sein, also etwa ein Jahr bevor die Europäische Union ihre neue Sicherheitsstrategie verabschiedete, in der unter anderem steht: "Bei den neuen Bedrohungen wird die erste Verteidigungslinie oftmals im Ausland liegen."
Die Deutschen stehen schon lange an dieser Verteidigungslinie, an der auch gekämpft werden muss. Aber aus irgendeinem Grund will das niemand - schon gar nicht der jetzige Verteidigungsminister - so deutlich aussprechen. Schade, denn es würde die sicherheits- und verteidigungspolitische Linie der Bundesregierung berechenbarer machen und das würde nicht nur den deutschen Abgeordneten nützen.