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Was leistet Natur?

Karin Jäger3. Mai 2016

Mehr als zwei Drittel der Europäer leben in Städten. Die urbanen Ökosysteme sind daher enormen Belastungen ausgesetzt. Landschaftszersiedelung und Bodenversiegelung bedrohen die Artenvielfalt.

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Grüne Insel mitten in der Stadt (Düsseldorf) (Foto: Karin Jäger).
Bild: DW/K.Jäger

Elke Schmidt kann es kaum erwarten: "Es war so lange kalt und dunkel. Ich möchte endlich wieder draußen sitzen und die Wärme genießen", sagt die Rheinländerin. So wie sie empfinden viele Deutsche. Doch was ist die Natur wert? Und welcher Preis wird ihr beigemessen? Diesen Fragen ist eine Expertengruppe im Auftrag des Bundesumweltministeriums nachgegangen.

"Städtische Parks und Gärten fördern den sozialen Zusammenhalt von Jung und Alt, unterschiedlichen Kulturen und die Identifikation mit dem eigenen Viertel", betont Ingo Kowarik. Außerdem böten Spielplätze und Grünflächen Kindern und Jugendlichen oft die einzige Möglichkeit, Sport zu treiben und Naturerfahrungen im direkten Wohnumfeld zu machen, fügt der Professor für Stadtökologie der TU Berlin und Leiter des Berichts über das "Naturkapital Deutschland" hinzu. Darin werden die Ökonomie von Ökosystemen und Biodiversität in Relation gestellt.

Hendricks: "Grünflächen werden als Kostenfaktor wahrgenommen"

Zu den Leistungen, die die Natur kostenlos zur Verfügung stellt, zählen intakte Böden, Nahrung, Trinkwasser, Brennstoffe und Arzneimittel, Schutz vor Überschwemmungen und Bodenerosion, Klimaregulation und die Kohlenstoffspeicherung.

Von Anwohnern in Düsseldorf-Bilk angelegtes Blumenbeet zwischen Plaster und Asphalt (Foto: Karin Jäger)
Zwischen Asphalt und Platten: Beet, von Anwohnern angelegtBild: DW/K.Jäger

"Immer mehr Menschen ziehen in die Städte, wollen aber die Natur nicht missen. Allerdings werden Grünflächen von städtischen Kämmerern oft nur als Kostenfaktor wahrgenommen", bilanziert Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die Ergebnisse der Studie.

Darum sei es wichtig, den großen gesellschaftlichen und ökonomischen Wert von urbaner grüner Infrastruktur aufzuzeigen: Natur in der Stadt verbessert die Luftqualität und das Stadtklima, mildert Hitzewellen und mindert den Lärm. Grün in die Städte zu bringen sei ein neuer Schwerpunkt der Stadtentwicklungspolitik, so die Ministerin.

"Natur in der Stadt spart Geld", bringt es Bernd Hansjürgens auf den Punkt. Der Chefökonom vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) führt die wirtschaftliche Relevanz auf die Einsparungen im Gesundheitssystem an. "Allein in Berlin sind etwa vier bis fünf Prozent aller Sterbefälle eines Jahres direkt auf Hitze zurückzuführen. Stadtnatur verbessert das Stadtklima und reduziert somit hitzebedingte Erkrankungs- und Sterberaten."

Ohrenbetäubender Lärm im idyllischen Mittelrheintal

Grün wirkt gesundheitsfördernd

Der Aufenthalt in der Natur wirke stressreduzierend. So könnten Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen des Haltungs- und Bewegungsapparates und psychische Erkrankungen günstig beeinflusst werden. Diese verursachen in Deutschland jährlich mehr als 100 Milliarden Euro Krankheitskosten.

Auch Lärm macht krank. In Studien zum Umweltbewusstsein beklagten 25 Prozent der Befragten konstant mindestens eine mittelmäßige Belästigung durch Straßenverkehrslärm. Durch entsiegelte Flächen oder begrünte Fassaden kann Lärm um bis zu drei Dezibel (dB) gemindert werden. Pro Person und Jahr kalkulieren Umweltforscher als Folgekosten für den Lärmpegelanstieg pro dB zwischen zehn Euro (bei Lärm unter 70dB) und 16 Euro (über 70dB) ein.

Zu den positiven Leistungen von Stadtnatur zählt auch die Reduktion von Feinstaub durch städtisches Grün. Vegetation und unversiegelte Böden, also nicht betonierte oder asphaltierte Flächen, speichern Wasser und verhindern Überschwemmungen bei Starkregen. Dadurch entstehen weniger Schäden an der Kanalisation.

Eine Pflanze wächst aus dem Boden zwischen Pflaster und Straßenlaterne in Düsseldorf (Foto: Karin Jäger).
Grün hat einen schweren Stand zwischen den Grautönen der StadtBild: DW/K.Jäger

Für Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, ist es "die Summe ihrer Wirkungen, die Stadtnatur stark macht." Allerdings bedürfe es neuer Wege der Zusammenarbeit, um die positiven Wirkungen gebündelt in städtische Planungs- und Investitionsentscheidungen einzubringen.

Vorlage für Stadtplaner und Manager

Gerade die ökonomische Betrachtungsweise des Berichts bietet Verantwortlichen - aus Bereichen wie Infrastruktur, Klimaanpassung, Gesundheit, Bildung, Integration, soziale Förderung und wirtschaftliche Entwicklung - eine Basis, um sich auf gemeinsame Ziele zu verständigen und entsprechende Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität umzusetzen.

Mehr als 130 Autoren und Gutachter aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Gesellschaft wirkten durch Befragungen und Berechnungen an dem Schriftstück mit.

Dies soll nun Landschafts- und Stadtplanern als Basis für die Freiraumentwicklung dienen - unter Berücksichtigung der Ökosystemleistungen. Darüber hinaus soll auch die Wirtschaft angehalten werden, die ökonomischen Vorteile von Stadtnatur zu erkennen und auf eigenen Flächen zu fördern.