Wie fängt ein Akku Feuer?
12. Oktober 2016Fast alle modernen Mobiltelefone, Laptops, Kameras und auch Elektrofahrräder oder -Autos sind heutzutage mit Lithium-Ionen-Akkus ausgestattet.
Diese haben den Vorteil, dass sie sehr leicht sind, viel Energie speichern können und kein giftiges Schwermetall - wie Blei oder Cadmium - enthalten. Zudem ist bei ihnen der sogenannte Memory-Effekt kaum spürbar. Das war eine unangenehme Eigenschaft der älteren Nickel-Cadmium- oder Nickel-Metallhydrid-Akkus, die ihre volle Ladefähigkeit dann eingebüßt haben, wenn der Nutzer sie zu früh wieder aufgeladen hatte - also bevor sie völlig leer waren.
Heutzutage sind Hunderte Millionen Lithium-Ionen-Akkus weltweit in Betrieb. Nur selten kommt es dabei zu Überhitzungen, Schäden am Akku oder gar Feuer - wie es jetzt beim Samsung Galaxy Note 7 aufgetreten ist. Und selbst dort sind die spektakulären Fälle, die den Rückruf ausgelöst haben, immer noch im Zehntel-Promille-Bereich: Etwa 2,5 Millionen der problematischen Mobiltelefone hat Samsung ausgeliefert. Zur genauen Zahl der bekannten Brände macht Samsung zwar keine Angaben. Schätzungen liegen jedoch im zweistelligen Bereich oder nur knapp darüber.
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Gefahren drohen, wenn Designs an die Grenzen der Physik stoßen
Kommt es aber doch zu einer solchen Panne, liegt dies meist daran, dass die Akkus im Vergleich zu ihrer Bauform ungewöhnlich viel leisten sollen. Die Entwickler stoßen also an die Grenzen des physikalisch möglichen.
Bekannte Fälle von gefährlichen Akkus gab es zum Beispiel bei der Boeing 787, Dreamliner genannt. Bei zwei Flügen in Japan und den USA hatten sich im Januar 2013 unabhängig voneinander die Lithium-Ionen-Batterien so stark überhitzt, dass es zur Rauchentwicklung und sogar einer Entzündung kam. Alle Dreamliner mussten daraufhin am Boden bleiben, bis das Design der Batterien geändert worden war.
Und der Solarflieger"Solar Impulse 2" - der ebenfalls auf Leistung und Gewicht optimiert ist - musste auf seiner Weltumrundung 2015 in Hawaii eine neunmonatige Zwangspause einlegen. Viele seiner 17.000 Batterien hatten sich auf der fünftägigen Pazifik-Überquerung aus Japan überhitzt und waren damit zerstört worden.
Auch im Fall des Galaxy Note 7 haben sich die Ingenieure beim Design weit vorgewagt. Sie haben als Grundlage einen Lithium-Polymer-Akku verwendet - derzeit die Art von Lithium-Ionen-Batterie, die die höchsten Energiedichten ermöglicht.
Hohe Kapazität, schlankes Design, viel Strom in kurzer Zeit
Heraus kam eine Batterie, die 3500 Milliamperestunden (mAh) speichern kann - deutlich mehr als alle anderen Smartphone-Hersteller derzeit im Angebot haben. Zum Vergleich: Das iPhone 7 von Apple beschränkt sich auf 1960 mAh, das größere iPhone 7 Plus immer noch auf 2900 mAh.
Die Samsung-Ingenieure haben nun versucht, ein besonders schlankes Design zu verwirklichen, und den Akku schnellladefähig zu machen. Beides ist nicht unproblematisch. Denn es geht um das, was in der Batterie drin steckt:
Die Kathode, die aus einer Lithium-Metalloxid-Verbindung besteht, und die Kathode aus Lithium-Graphit befinden sich in einem leitfähigen Elektrolyt. Zwischen Kathode und Anode befindet sich eine Separator-Folie aus Kunststoff, die einem Kurzschluss vorbeugen soll. Gibt es aber wenig Platz in der Batterie, steigt die Gefahr des Kurzschlusses trotzdem. Einerseits ist auch weniger Platz für das Elektrolyt vorhanden, andererseits steigt die Gefahr eines Kurzschlusses nach einer physischen Beschädigung - etwa wenn das Telefon mal heruntergefallen ist.
Die Schnellladefähigkeit verstärkt die Gefahren: Werden Lithium-Ionen-Batterien nämlich zu schnell ge- oder entladen, kann die Batterie heiß werden. Temperaturanstiege um bis zu 30 Grad Celsius sind dann keine Seltenheit. Auch Sonneneinstrahlung kann eine Gefahr sein.
Brennbare Gase, brennbares Metall
"Durch die Überhitzung kann es zu einer chemischen Reaktion zwischen dem Speichermaterial und dem Elektrolyt kommen", sagt Maximilian Fichtner, Direktor des Helmoltz-Instituts Ulm für elektrochemische Speicher im Gespräch mit der Deutschen Welle.
"Das Elektrolyt reagiert und verdampft. Dabei entsteht zusätzlich Wärme, die beschleunigt den Vorgang noch", erklärt der Chemiker. Auch Bindemittel in der Flüssigkeit können sich in dem Fall zersetzen. Dabei entweichen brennbare Gase, etwa Methan, Ethan oder Ethen aus der Batterie.
Auch Wasserstoff kann dabei aus dem Bindemittel im Elektrolyt entstehen - in Verbindung mit Sauerstoff aus der Luft bildet sich so ein brandgefährliches Gemisch.
"Die Batterien blähen sich auf", beschreibt Fichtner die Situation kurz vor der Explosion. "Dann reißen sie auf und wenn dann Luft hinzutritt, wird es ganz schlimm - weil Lithium sich an feuchter Luft entzünden kann."
Dann brennt auch die Kathode: Durch die Überhitzung können sich dort die Schichtstrukturen des Metalloxids auflösen - Sauerstoff tritt frei und reagiert mit dem Lithium - ein Metallbrand entsteht. Löschversuche mit Wasser verbieten sich, weil es sich bei den hohen Temperaturen um 2000 Grad Celsius in seine Einzelteile Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet. Dann droht eine Knallgasexplosion.
Aber auch Metall-Löschmittel können wirkungslos bleiben, weil die schmorende Kathode den für die Verbrennung nötigen Sauerstoff selbst produziert. Die einzige Lösung: Das brennende Telefon möglichst schnell mit Sand zuschütten und ausschmoren lassen.
Nanopartikel als mögliche Lösung
Um die Entzündung der Lithium-Ionen-Akkus in Zukunft zu verhindern, oder zumindest die Schäden einzugrenzen, forschen die Chemiker derzeit an Selbstheilungsstoffen, die in Akkus eingebracht werden könnten. "Wenn es irgendwo zu einer Überhitzung kommt, könnten verkapselte Zusätze freigesetzt werden. Da schmelzen dann die Hüllen von winzigen Nano-Kugeln auf und setzen einen Stoff frei, der vielleicht eine [beschädigte Separator-Folie] wieder abdichtet."
Aber auch solche Lösungen, gibt der Chemiker Maximilian Fichtner zu bedenken, verringern wiederum die Speicherkapazität der Akkus, weil sie auch Platz brauchen. Eine zweite Lösung wären interne Sicherungen, die den Strom begrenzen, falls es doch zum Kurzschluss kommt - ähnlich einer Sicherung die durchbrennt, wenn zu viel Strom fließt. "Aber so ganz verhindern, dass sich ein Problemfall entwickelt, kann man es auch damit sicher nicht", warnt der Institutsdirektor. "Möglicherweise lässt sich aber ein größeres Desaster abwenden."