Alles Wichtige zur Deutschland Tour
22. August 2018Das Rennen
Das wichtigste Etappenrennen Deutschlands kehrt in kompakter Form zurück: Nur vier Etappen lang ist das Rennen (2008 waren es noch acht Etappen), das damit natürlich nur noch durch einen kleinen Teil des Landes führt. Von Koblenz bis Stuttgart führt die Strecke durch den Westen und Südwesten der Republik und lässt damit anders als bei der letzten Austragung vor zehn Jahren einen Abstecher in die Alpen weg. 22 Mannschaften werden mit jeweils nur sechs Fahrern am Donnerstag in Koblenz am Deutschen Eck an den Start gehen. Dabei soll es nicht nur um die Profis gehen: Von Beginn an war die Wiederbelebung der D-Tour auch als Basis-Projekt gedacht. Fans konnten Streckenabschnitte vorschlagen und Ideen fürs Rahmenprogramm einbringen. Mit Kinderrennen, einem Jedermannrennen in Stuttgart, Fahrradausstellungen und autofreien Straßen für Genussradler wollen die Organisatoren neues Publikum an die Strecke locken - vermutlich auch, weil man um die Skepsis des deutschen Publikums in Sachen Profi-Radsport weiß.
Die Strecke
737,5 Kilometer lang ist die Strecke der Deutschland Tour und der Parcours bietet alles - außer Hochgebirge. Die erste Etappe von Koblenz nach Bonn (157 km) bietet mit Ausläufern des Westerwaldes und dem Siebengebirge Möglichkeiten für Ausreißer. Die flache Ankunft an Kurfürstlichem Schloss und Hofgarten dürfte aber schließlich doch eine Sache für die Sprinter sein. Die zweite Etappe (196 km) bietet da schon mehr Potential für Überraschungen: Die Strecke von Bonn nach Trier führt einmal mitten durch die Eifel und erinnert mit ihrem Profil ein bisschen an die Ardennen-Klassiker. Dank eines Anstieges auf der Schlussrunde in Trier wird es hier zu Zeitabständen kommen.
Das gilt auch für das dritte Teilstück (177 km), das von Trier nach Merzig führt und auf fast 2900 zu absolvierende Höhenmeter kommt. Die Anstiege sind zwar nicht lang, aber giftig - eine Sache für die Klassikerspezialisten. Das Finale steigt nach einem Transfer zum Startort Lorsch schließlich nach 207,5 Kilometern in Stuttgart. Dort wird auf einer Schlussrunde zwei Mal der Herdweg befahren, jener entscheidenden Anstieg auf der WM-Strecke von 2007. "Wir wollten auf keinen Fall, dass es nur Flachetappen gibt und die Deutschland-Tour dann über Zeitbonifikationen bei den Sprints entschieden wird", sagte Ex-Profi Fabian Wegmann, der sportliche Leiter des Rennens, mit Blick auf den Parcours im Sportschau-Interview. "Wir haben zudem mit der Vuelta a Espana eine große, schwere Rundfahrt, die zeitgleich stattfindet. Darum haben wir versucht, jede Etappe wie einen Eintages-Klassiker zu gestalten."
Die Favoriten
Das manchmal flache, häufiger aber wellige Profil verspricht ein offenes Rennen und kommt den Fahrern entgegen, die bei den Frühjahrsklassikern ganz vorne zu finden sind. Das sind vor allem Fahrer, die sowohl gut über kurze, steile Anstiege kommen, aber auch noch sprinten können. Denn anders als im Hochgebirge wird die Deutschland Tour nicht mit Minuten-, sondern wohl nur mit Sekunden-Abständen entschieden, auch weil ein Zeitfahren fehlt. Tour-Sieger Geraint Thomas (Großbritannien), der Tour-Zweite Tom Dumoulin (Niederlande) sowie der kletterstarke Franzose Romain Bardet sind damit zwar im erweiterten Favoritenkreis, aber nicht automatisch ganz vorne.
Der Slowene Matej Mohoric, der am Wochenende die niederländische Binck Bank Tour gewann, ist aufgrund seiner aktuellen Form vorne zu sehen, aber möglicherweise auch der vielseitige Deutsche Maximilian Schachmann. Der Quickstep-Profi kommt nach einem Höhentrainingslager mit der Empfehlung einer EM-Medaille im Zeitfahren nach Koblenz. "Ich kann es kaum erwarten, in Deutschland zu fahren", so Schachmann, der in den Anstiegen auf ein schnelles Rennen spekuliert. Genau das wollen die deutschen Sprintasse André Greipel und Pascal Ackermann nicht. Sie hoffen darauf, den Bergfahrern über die Hügel von Eifel und Saar folgen zu können, um dann auf den Zielgeraden zuzuschlagen.
Die Geschichte
Die Geschichte der Deutschland Tour gleicht ein wenig einem Schweizer Käse. Zwischendurch mit Leckerbissen, dann wieder Luftlöcher. Seit der Premiere 1911 wurde das Rennen nur unregelmäßig ausgetragen. Die Unterbrechungen lagen mal an den Weltkriegen, mal am mangelnden Interesse von TV und Sponsoren. Zu Zeiten des Nationalsozialismus war die Deutschland Tour sogar länger als die Tour de France und endete beispielsweise 1937 vor 80.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion.
Auch nach der Wiederbelebung 1999 war die Euphorie zunächst groß, die deutschen Teams Telekom, Gerolsteiner und später Milram waren Publikumsmagneten. Doch infolge der Enthüllungen um den Fuentes-Skandal sowie Dopingfälle bei Gerolsteiner und T-mobile verloren Medien und Unternehmen das Interesse am Rennen. Die Erfolge deutscher Profis bei der Tour de France, der erfolgreiche Tour-Start in Düsseldorf 2017 und nicht zuletzt das wirtschaftliche Interesse der Tour-Organisation ASO am wichtigen Markt Deutschland führten nun zur Neuauflage.
Unter den bislang 31 Siegern der Deutschland Tour findet man große Namen des Radsports: Neben Hermann Buse (1930), der 1932 beim Giro d'Italia als erster Deutscher das Rosa Trikot trug, haben auch der Niederländer Peter Post (1962), Dietrich Thurau (1979), Jens Heppner (1999) und Jens Voigt (2006 und 2007) die Deutschland Tour gewonnen. Voigt ist der einzige Fahrer, dem dieser Erfolg zweimal gelang.