Was wurde aus Huawei und 5G?
3. Oktober 2021Kürzlich schlug die litauische Cyberabwehr Alarm. Bestimmte Mobiltelefone chinesischer Hersteller könnten Sicherheitslücken und eingebaute Zensurfunktionen aufweisen. Betroffen seien Handy-Modelle von Xiaomi, Oneplus und Huawei.
Nach der Warnung aus dem Baltikum leitete auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Untersuchungen ein, die noch nicht abgeschlossen sind.
Bereits 2010 wurden in den USA Produkte von Huawei an den Pranger gestellt. 2019 setzte der damalige US-Präsidenten Donald Trump das Unternehmen auf eine schwarze Liste für den US-Handel. Den damit verbundenen Vorwurf , mit seinen Produkten eine Art Hintertür für chinesische Spione zu bieten, die damit an Staats- oder Firmengeheimnisse gelangen könnten, weist Huawei bis heute zurück.
IT-Sicherheitsgesetz 2.0 in Deutschland
Als Reaktion auf die steigende Spionagegefahr in kritischen Infrastrukturen wie Mobilfunknetzen wurde in Deutschland an einem IT-Sicherheitsgesetz 2.0 gefeilt, das Ende Mai 2021 in Kraft trat.
Im August veröffentlichte die Bundesnetzagentur als Ergänzung des Gesetzes den gemeinsam mit dem BSI erarbeiteten neuen Katalog für die Sicherheitsanforderungen für Telekommunikationsnetze. Insider sprachen in diesem Zusammenhang auch von einer Lex Huawei, ohne dass der Firmenname explizit genannt werde.
Denn Huawei stellt nicht nur Smartphones her, sondern ist international auch führend mit seinen Komponenten für den Aufbau von Mobilfunk-Netzen auch mit dem neuen Standard 5G - die Voraussetzung für wichtige Themen wie Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.
Hersteller müssen Sicherheit garantieren
Was bedeuten die neuen IT-Sicherheitsbestimmungen für die Firma Huawei und deren Geschäftsmöglichkeiten in Deutschland? Die Bundesnetzagentur teilt auf entsprechende DW-Anfrage mit: "Hersteller müssen gemäß § 9b BSI-Gesetz eine Garantieerklärung abgeben. Dies gilt unabhängig vom Sitz des Herstellers, also auch für chinesische Hersteller. Die Erlaubnis zum Marktzutritt ist an diese Erklärung gekoppelt."
Die Hersteller haben also vorab die Vertrauenswürdigkeit ihrer Produkte zu garantieren, die im als "kritisch"-definierten Bereich der Mobilfunknetze zum Einsatz kommen sollen. Falls sich solche Garantieerklärungen nach Überprüfung als fehlerhaft oder gar falsch erweisen, kann das zu Sanktionen und dem Ausschluss eines Herstellers führen.
Telekom befürchtet Verzögerungen beim Netzausbau
Die Deutsche Telekom ist als Mobilfunk-Netzbetreiber neben Vodafone und Telefonica in Deutschland einer der wichtigsten Abnehmer von entsprechenden Huawei-Produkten.
Telekom-Pressesprecher Stephan Broszio sagt der DW: "Mit dem Katalog von Sicherheitsanforderungen ist das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 hinsichtlich unserer Verpflichtungen nun komplett." Die Telekom selbst prüfe sicherheitskritische Komponenten seit langem vor dem Einbau und laufend im Betrieb. "Wir gehen davon aus, dass auch die Prüfung durch die Behörden mit einem zügigen Netzausbau vereinbar ist und es nicht zu dauerhaften Verzögerungen kommt."
Die Telekom setze mit ihrer sogenannten Multi Vendor-Strategie bei der Ausrüstung ihrer Netze generell auf verschiedene Hersteller, so Broszio. Im Übrigen sei bereits 2019 beschlossen worden, chinesische Ausrüster aus dem Mobilfunk-Kernnetz der Telekom herauszunehmen.
Huawei leidet vor allem durch den Boykott der USA. Betroffen sind dabei das Privat- wie auch das Geschäft mit Firmenkunden. Laut Medienberichten wollen neben den Amerikanern Australien und Neuseeland beim 5G-Ausbau auf Komponenten von Huawei verzichten, ebenso Japan und Taiwan. Hinzu kommen einige osteuropäische Staaten, das Baltikum, aber auch Frankreich und Großbritannien. Teilweise soll Huawei-Technologie aus bereits existierenden 3G- wie auch 4G-Netzen entfernt werden.
In Deutschland wird Huawei die Beteiligung des 5G-Netzes dagegen nicht pauschal verwehrt, bereits verbaute Technik bislang nicht in Frage gestellt. Zukünftig sollen strengere Prüfungen im Einzelfall über die Zulassung von entsprechenden Komponenten im 5G-Netzen entscheiden.
Huawei-Deutschland reagiert mit demonstrativer Gelassenheit
"Mit dem IT-Sicherheitskatalog hat Deutschland höhere und einheitliche Sicherheitsstandards festgelegt", teilt Patrick Berger, Pressesprecher von Huawei Deutschland, auf DW-Anfrage mit. Im Katalog sei jetzt als ein nächster wichtiger Schritt ein Rahmen für die Identifizierung von kritischen Komponenten in den konkreten Netzen festgelegt. "Huawei wird weiterhin transparent mit Regulierungsbehörden, Kunden und Branchenorganisationen zusammenarbeiten, um die Sicherheit der Mobilfunknetze zu gewährleisten", so Berger.
Also alles in bester Ordnung? "Die Regeln zur Untersagung des Einsatzes kritischer Komponenten in Deutschland sind eigentlich sehr weich, da gibt es viel Ermessensspielraum", sagt Torsten Gerpott, Experte für Kommunikationswirtschaft von der Universität Duisburg-Essen im Gespräch mit der DW.
Gesetz verlagert Sicherheitsentscheidungen auf politische Ebene
Im Kern gehe es bei der ganzen Diskussion um die deutsche Haltung gegenüber dem autoritär-geprägten chinesischen System und den von ihm abhängigen Konzernen. "Wenn die Politik sagt, wir wollen jetzt das Pendel mehr in Richtung Abwehr und in Richtung System-Konkurrenz und nicht in Richtung System-Harmonie schwingen lassen, dann hat sie hierfür vor allem mit § 9b des geänderten BSI-Gesetzes nunmehr eine gesetzliche Basis." Mit der Vorschrift könne man fast alles und nichts begründen, sagt Gerpott. "Der Ausschluss eines Herstellers wird damit zu Recht in erster Linie zu einer politischen und erst in zweiter Linie zu einer technischen Entscheidung."
Eindeutige Beweise gab es bislang nicht, aber ist es überhaupt vorstellbar, dass chinesische Hersteller Spionagemöglichkeiten in ihre Netzwerk-Technik einbauen? "Bislang bin ich davon ausgegangen, dass dies nicht geschieht", sagt der Experte. Denn damit würden sich die chinesischen Unternehmen doch den eigenen Ast absägen. "Aber mittlerweile bin ich skeptischer. Falls sich die jüngsten Warnungen aus Litauen vor Spionage-Komponenten in mobilen Endgeräten als berechtigt erweisen sollten, könnten doch erhebliche Gefahren drohen", so Gerpott.