Das namenlose Football-Team
9. September 2020Das Washingtoner Football-Team wird am kommenden Sonntag mit einem auffällig unauffälligen neuen Erscheinungsbild zum Saisonauftakt schreiten: kein Spitzname, kein ikonisches Logo.
Die Franchise hatte vor zwei Monaten ihren Spitznamen "Redskins" abgelegt, weil der als rassistische Verunglimpfung der Ureinwohner Amerikas gilt. Außerdem gaben sie ihr Logo auf, einen stilisierten Häuptlingskopf mit Federschmuck. Bis ein neues Emblem gefunden ist, werden die Spieler eine einfache rot-goldene Spielkleidung tragen, wobei ihre Nummern anstelle der Team-Ikonographie auf dem Helm stehen werden.
"Großer Sieg für die Aktivisten"
Das Spiel zwischen Washington und den Philadelphia Eagles am 13. September wird daher ein historischer Moment für diejenigen sein, die sich für die Rechte der Ureinwohner Amerikas einsetzen. Lange hatten sie dafür gekämpft, dass die US-Hauptstadtmannschaft ihren umstrittenen Spitznamen und ihr Logo fallen lässt. Im Juli gab Washington schließlich dem wachsenden Druck von Lokalpolitikern und namhaften Sponsoren nach.
"Es war eine surreale Erfahrung", sagt Paul Chaat Smith, Komantsche, Autor und stellvertretender Kurator am National Museum of the American Indian (NMAI; deutsch: Nationalmuseum der Indianer) in Washington, gegenüber der DW. "Es ist ein großer Sieg für die Aktivisten, die Teil dieser Bewegung gewesen sind." Joe Podlasek, Vorstand des Trickster Cultural Center in Chicago und Mitglied des Ojibwe-Stammes, freut sich im Gespräch mit der DW über die Änderung, die "lange, lange überfällig" gewesen sei.
Doch obwohl die Entscheidung des NFL-Franchise monumental war, bleibt sie ein Einzelfall in der breiteren Debatte über die Vereinnahmung der Ureinwohner Amerikas durch den US-Sport - und ein Fall, in dem sogar manche Indianer in den USA anderer Meinung sind.
Die Grenze ziehen
Mit Washingtons Rebranding bleiben nur noch vier US-Profisportmannschaften mit indianisch inspirierten Spitznamen übrig: NFL-Titelverteidiger Kansas City Chiefs, die Eishockeymannschaft Chicago Blackhawks und die Baseballteams der Atlanta Braves und der Cleveland Indians.
Die Indians kündigten im Juli an, dass auch sie, wie Washington, ihren Namen überprüfen würden. Der Baseballclub hat sein umstrittenes Logo "Chief Wahoo", die Karikatur eines Indianer-Kriegers, bereits im vergangenen Jahr abgelegt. Doch die Braves, Blackhawks und Chiefs blieben ihren Namen treu. Im Jahr 2013 forderte der Nationalkongress der amerikanischen Indianer (NCAI) die Abschaffung aller Bezüge des Sports auf die amerikanischen Ureinwohner mit dem Argument, dass sie Stereotypen verbreiteten, die die Rassenungleichheit verschärften.
Podlasek spricht sich hier für eine differenziertere Herangehensweise an das Thema aus: "Viele Demonstranten werfen sie einfach alle in einen Topf. Wenn es Maskottchen oder Symbole mit indianischem Bezug gibt, sollten sie weg. Da bin ich anderer Meinung", sagte er. "Ich versuche, beide Seiten zu verstehen. Ich stimme vielleicht nicht zu, aber ich muss verstehen, was sie denken."
Smith dagegen hält es für besser, alle Bezüge zu den Native Americans zu streichen, da neu gegründete Sportmannschaften angesichts des derzeitigen politischen Klimas in den USA nichts mit der Bildsprache der amerikanischen Ureinwohner zu tun haben wollen. "Ein neues Team würde niemals auch nur in Verbindung zu einem dieser Namen gebracht werden wollen", sagte Smith. "Man verteidigt also etwas nur deshalb, weil es bereits existierte, und das ist einfach kein ausreichender Grund mehr".
Smith merkte an, dass das nationale Indianermuseum im Allgemeinen davon abkommen will, Sportnamen vorzuschreiben. "Wir versuchen, von der Vorstellung wegzukommen, beurteilen zu müssen, dass der eine Name schrecklich ist, der andere aber irgendwie in Ordnung", sagte er. "Wir wollen daran überhaupt nicht mehr beteiligt sein."
Langfristige Veränderungen?
Obwohl ihre Teamnamen vorerst tabu bleiben, haben die Braves, Blackhawks und Chiefs Maßnahmen ergriffen oder sie zumindest in Erwägung gezogen, wie beispielsweise das Verbot indianisch inspirierter Kopfbedeckungen in den Stadien oder die Abschaffung des Tomahawk-Chop-Gesangs, bei dem die Fans den Unterarm rhythmisch nach vorne schlagen, um den Schlag eines Tomahawks zu simulieren. Bei den Braves werden sogar Schaumstoff-Tomahawks auf den Sitzplätzen ausgelegt, damit die Fans beim Chop tatsächlich ein Kriegsbeil in der Hand halten können.
Podlasek, der eng mit den Blackhawks zusammenarbeitete, als er das American Indian Center von Chicago leitete, räumt ein, dass Veränderungen Zeit brauchen. Vor einem Jahrzehnt hätten noch Hunderte von Blackhawks-Fans bei den Spielen Kopfschmuck und Gesichtsbemalung getragen, doch diese Zahl sei inzwischen auf nur noch eine Handvoll gesunken. Kulturelle Bildung ist, so Podlasek, ein wichtiger Teil des Prozesses.
"Wenn wir sagen: 'Okay, der Tomahawk-Chop geht deutlich zu weit, lasst ihn uns loswerden', dann machen wir das aus der Perspektive der Ureinwohner, aber wir müssen daran arbeiten, dass die Menschen verstehen, warum das nicht richtig ist", sagte Podlasek.
Smith dagegen glaubt, dass es, solange die Spitznamen und Logos bestehen bleiben, immer noch einen kleinen Prozentsatz von Fans geben wird, die sich unangemessen vorurteilsbehaftet verhalten werden. "Jedes indianische Thema, unabhängig von Wortlaut und Absicht, wird diese stereotypen Reflexe unterstützen", sagte Smith. "Es wird immer Fans geben, die sich grauenhaft verhalten werden.
Adaption: Tobias Oelmaier