Washington nimmt Ankara ins Gebet
7. August 2018Am 1. August hat die USA Sanktionen gegen den türkischen Justiz- und Innenminister erlassen. Innenminister Süleyman Soylu und Justizminister Abdulhamit Gül gelten Washington als Schlüsselfiguren bei der Inhaftierung des US-amerikanischen Pastors Andrew Brunson. Zwei Jahre lang saß der Geistliche in der Türkei in Haft und sollte eigentlich nach seiner Anhörung am 18. Juli freigelassen werden. Stattdessen wurde er unter Hausarrest gestellt. Darüber war man in der Trump-Administration stinksauer.
Gleichwohl wirken die Sanktionen im Gesamtbild eher wie ein symbolischer Schritt: Das Einfrieren ihrer US-Vermögen dürfte die beiden Minister nicht all zu hart treffen. Klar geworden ist allerdings: Die USA sind bereit, mit dem NATO-Partner Türkei, seinem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dessen autokratischem Regime auf Konfrontationskurs zu gehen. Allerdings wird auch deutlich, dass sich die Trump-Regierung lieber auf einen einzigen evangelikalen Christen konzentriert, anstatt die ganze Bandbreite der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei zum Thema zu machen.
Ein kruder Deal
Vergangene Woche zitierte die Nachrichtenagentur Bloomberg türkische und amerikanische Offizielle, demnach seien beide Seiten einer Freilassung von Brunson bereits sehr nah gekommen.
Der Deal hätte wohl unter anderem beinhaltet, dass Hakan Atilla, ein ehemaliger Top-Manager der staatlichen türkischen Halkbank, in die Türkei hätte zurückkehren dürfen, um den Rest seiner Gefängnisstrafe dort abzusitzen. Atilla war im Mai zu 32 Monaten Haft in den USA verurteilt worden, er soll sich an Geschäften beteiligt haben, die das Iran-Abkommen unterliefen. Auch eine mehrere Milliarden Dollar teure Strafe gegen die Halkbank wäre dann möglicherweise verringert oder gar fallen gelassen worden.
"Es schien, als ob Trump Erdogan einige Zugeständnisse machen wollte, wenn Brunson freigelassen worden wäre", analysiert Merve Tahiroglu, Türkei-Expertin der Nichtregierungsorganisation "Foundation for Defense of Democracies" in Washington. Sollte das US-Finanzministerium die türkische Bank nun doch bestrafen, könnte das die ohnehin schon schwer angeschlagene türkische Wirtschaft endgültig in die Knie zwingen. "Dieser Deal hätte von der türkischen Wirtschaft riesigen Druck genommen", sagt Tahiroglu. "Vielleicht wäre sogar der gesamte Name der Bank in den Augen internationaler Investoren reingewaschen worden."
Doch dann überreizte Ankara offenbar genau bei diesem Thema: Es forderte von den USA, alle weiteren Untersuchungen Richtung Halkbank zu unterlassen. "Es ist wirklich erstaunlich, dass der Deal aufgrund weiterer Forderungen aus Ankara gescheitert ist", kommentiert Tahiroglu. "Erdogan hätte ohne weiteres als klarer Gewinner aus dieser ganzen Geschichte herausgehen können. Stattdessen hat er nun Trumps Zorn auf sich gezogen."
Prediger für Prediger?
Brunson wurde kurz nach dem gescheiterten Militärputsch in der Türkei im Juli 2016 festgenommen. Wie den meisten der Zehntausenden, die seither verhaftetet wurden, werfen die Behörden auch dem evangelikalen Pfarrer aus North Carolina Terrorismus und Spionage vor. Allerdings fordert Ankara von Washington die Auslieferung des in den USA lebenden islamischen Predigers Fetullah Gülen, den es für den Umsturzversuch verantwortlich macht. Deshalb hat Trumps Regierung Erdogan wiederholt vorgeworfen, Brunson in "Geiselhaft" zu halten.
US-Präsident Donald Trump und Vize-Präsident Mike Pence, ein strenggläubiger Evangelikaler, meldeten sich bei Twitter zu Wort und lobten Brunson als großartigen Christen und "unschuldigen Mann des Glaubens."
Dass Brunsons Verhaftung ein Skandal sei, findet auch Rob Berschinski von Human Rights Watch. Ihn stört aber die alleinige Fokussierung auf diesen Fall. "Die Vereinigten Staaten sollten jede Anstrengung unternehmen, um die Freilassung eines US-amerikanischen Staatsbürgers voranzutreiben, der ungerechtfertigterweise im Ausland im Gefängnis sitzt", sagt Berschinsky. "Aber die Tatsache, dass die USA ihre Sanktionen nur mit Brunson und nicht generell mit der katastrophalen Menschenrechtslage in der Türkei begründen, misst dem Fall eines Individuums definitiv zu viel Gewicht bei."
Auch Merve Tahiroglu vom Think-Tank "Foundation for Defense of Democracies" hält diese Fokussierung für einen "großen Fehler": Die US-Regierung kommuniziere damit - auch der gegenüber der türkischen Bevölkerung, dass sie Evangelikale und andere Christen bevorzuge, sagt Tahiroglu: "Das lenkt von dem eigentlichen Problem ab und unterminiert Washingtons legitimen Ärger über Ankara."