Wasser als Konfliktstoff in Nahost
13. März 2006Schon allein aus klimatischen Gründen ist Wasser in dieser Region wichtiger als vieles andere; ohne Wasser drohen dem Nahen Osten Not und Niedergang. Selbst wenn Israel keine Agrarnation mehr ist, ist doch tief verwurzelt, dass die frühen Pioniere aus einer Wüste ein blühendes Land gemacht haben. Im Umkehrschluss unternimmt Israel alles, um sich die Wasservorkommen der Region zu sichern.
Wasserläufe als strategische Ziele
Im Mittelpunkt dieser Bemühungen stehen der Jordan mit seinen Zuflüssen, der unter dem Meeresniveau liegende See Genezareth und die unterirdischen Wasservorkommen der besetzten palästinensischen Gebiete. Vor dem Sechstagekrieg 1967 versuchte Syrien, Israel in Schwierigkeiten zu bringen, indem Damaskus den Banias umleiten wollte, einen der wichtigsten Zuflüsse des Jordan. Israel griff militärisch ein und verhinderte dies - mit dem Sechstagekrieg kam der Banias dann unter israelische Kontrolle.
Israel wurde seinerseits vom Libanon vorgeworfen, es versuche, das Wasser des Litani in den Jordan umzuleiten, was große Teile des Südlibanon ausgetrocknet hätte. Beweise für diese Vorwürfe fanden sich nie, aber auch Gerüchte können in Nahost leicht zu Spannungen und militärischer Auseinandersetzung führen.
Israelisches Bewässerungsprojekt
Der Streit um die Quellflüsse des Jordan hat seinen Ursprung in einem ambitionierten Bewässerungsprojekt, das Israel bereits 1956 plante und neun Jahre später fertig stellte: Israel begann, Wasser aus dem See Genezareth zu pumpen und in ein 130 Kilometer langes Kanalsystem einzuführen, das dieses Wasser bis in die südisraelische Negev-Wüste bringt.
Dieser "Nationale Wasserkanal" sicherte die Landwirtschaft in bislang ausgetrockneten Gegenden, er senkte aber auch den Wasserspiegel im See Genezareth und im Jordan, der von dort aus zum Toten Meer fließt. Je weniger Wasser der Jordan führt, desto saliner wird es auf dem Weg zum Toten Meer - bis es dort eine reine Salzbrühe geworden ist.
Eingriff der Vereinten Nationen
Das israelische Projekt rief die Vereinten Nationen auf den Plan. Man entwarf den "Johnston Plan" - einen Plan zur Verteilung des Süßwassers unter den damals noch verfeindeten Anrainern des Jordan. Israel behauptete, sich an die Vorgaben zu halten. Die Syrer drohten immer wieder, mit Staudämmen die Zuflüsse zum See Genezareth und zum Jordan zu reduzieren. Jordanien machte sich daran, den Ghor-Kanal zu bauen, der Wasser des Yarmuk - südlich der Golan-Höhen - abzweigt und damit Teile der Jordan-Tiefebene bewässert.
Dieses System funktioniert leidlich, solange keiner zu viel Wasser für sich beansprucht, weil dann die anderen leer ausgehen. In Krisenzeiten ist die Wasserverteilung aber immer ein Druckmittel und Grund zur Sorge.
Besonders bedroht: die Westbank
Das zeigt sich besonders am Beispiel der Palästinenser: In der gebirgigen Westbank gibt es keine Quellen und Flüsse. Das Wasser für das bisschen Landwirtschaft dort muss über Brunnen zu Tage gefördert werden.
Aus politischen Gründen hatte Israel aber schon früh die Jordansenke zum Siedlungsgebiet erklärt und begann, am Rand der Ebene und am Fuß der Berge nach Wasser zu bohren. Hier war das Wasser noch nicht durch den mineralreichen Boden versalzen, die Bohrungen hatten aber zur Folge, dass viele Brunnen im palästinensischen Hinterland versiegten. Teile der Landwirtschaft dort gingen kaputt, andere konnten nur durch neue und tiefere Brunnen gerettet werden.
Kein Frieden ohne Regelung der Süßwasserversorgung
Die Versorgung mit Süßwasser ist und bleibt deswegen auch ein integraler Bestandteil jeder Friedensregelung zwischen Israelis und Palästinensern. Denn alle Träume, anders zu Wasser zu kommen, sind doch eher Utopien - etwa der Plan, Süßwasser in riesigen Gummi-Schleppbooten aus der Türkei in den Nahen Osten zu befördern.