Wie Wasser in Deutschland gemanagt wird
19. Juli 2021Wasser ist gleichzeitig lebenswichtige Ressource und tödliche Bedrohung. In der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands liegt beides dicht beieinander: In einigen besonders betroffenen Gebieten der Eifel ist Trinkwasser Mangelware, da die Versorgungseinrichtungen beschädigt wurden. Der Kreis Euskirchen riet Anwohnern, das sonst bedenkenlos genießbare Leitungswasser vor dem Trinken abzukochen, da durch Rohrbrüche und Starkregen Keime ins Trinkwasser gelangt sein könnten.
In Deutschland liegen Trinkwasser und Abwasser grundsätzlich im Zuständigkeitsbereich der Kommunen. Einige von ihnen haben sich zu Zweckverbänden zusammengeschlossen, um effizienter zu arbeiten: Beispielsweise sind die Kommunen im erwähnten Kreis Euskirchen und weiteren Gebieten bis zur deutsch-niederländischen Grenze im Wasserverband Eifel-Rur organisiert.
Wasserversorger müssen für zwei Extreme gewappnet sein
Prinzipiell bietet sich ihnen reichlich Wasser, das sie Privathaushalten und Industrie bereitstellen können: In Deutschland wird mit einem langjährigen Durchschnittswert von 188 Millliarden Kubikmetern Wasser als sogenanntes Wasserdargebot kalkuliert, das entspricht etwa dem doppelten Wasserinhalt des Genfersees. 2016 wurden laut Statistischem Bundesamt 13,5 Prozent dieser Menge entnommen, der Großteil übrigens nicht für die öffentliche Wasserversorgung, sondern zum Beispiel für Industrie, Landwirtschaft oder als Kühlwasser für Kraftwerke.
Eine jährliche Entnahme von bis zu 20 Prozent gilt als unproblematisch - allerdings lagen die Wasserressourcen seit 2011 kontinuierlich unter dem Dargebot. 2018 standen so nur 119 Milliarden Kubikmeter Wasser als erneuerbare Ressource zur Verfügung. Nach drei besonders heißen und trockenen Sommern warnten Fachleute im Januar noch vor fast flächendeckender Dürre im Boden.
Zumindest kurzfristig haben die Wasserversorgungsbetriebe und -verbände mit dem gegenteiligen Extrem zu kämpfen: Talsperren, die über lange Zeit hinweg niedrige Pegelstände vermeldeten, sind buchstäblich bis zum Bersten gefüllt. An der Steinbachtalsperre im Kreis Euskirchen war die Lage am Sonntagnachmittag weiter angespannt. Die unterhalb des porösen Damms liegenden Ortschaften wurden evakuiert, das Ablassen des Wassers, das die Staumauer belastet, ging langsamer vonstatten als geplant.
Hochwasserschutz ist Ländersache - teilweise
Eine EU-Richtlinie verpflichtet die Mitgliedsstaaten seit gut einem Jahrzehnt zum Hochwasserrisikomanagement. In Deutschland liegt das grundsätzlich im Kompetenzbereich der Bundesländer. Das nun besonders betroffene Rheinland-Pfalz zum Beispiel erstellt Risikobewertungen, plant und baut Schutzanlagen wie Deiche an den Gewässern erster Ordnung - also Wasserstraßen wie Rhein und Mosel. Das Umweltbundesamt bewertete die überregionalen Maßnahmen an den wichtigsten deutschen Flüssen kürzlich als wirksam. Tatsächlich bereitete der Rheinpegel bei der aktuellen Katastrophe kaum Probleme.
Die Flüsse, deren Überlaufen nun die schlimmsten Schäden angerichtet hat, also Ahr und Kyll in Rheinland-Pfalz und die Erft in Nordrhein-Westfalen, sind jedoch Gewässer zweiter Ordnung; hier sind die Kommunen für den Hochwasserschutz zuständig. In Rheinland-Pfalz übernimmt das Land bis zu 90 Prozent der Kosten für den kommunalen Hochwasser- und Starkregenschutz. Im Ahrtal wurden laut Ministerpräsidentin Malu Dreyer 16 Millionen Euro investiert. In NRW gibt es einen Fördertopf für solche Projekte der Kommunen; im Jahr 2018 etwa betrug er 66 Millionen Euro.
Große Veränderungen durch die Klimakrise
Beide Extremsituationen - also zu viel oder zu wenig Wasser - werden in Deutschland angesichts der Klimakrise häufiger werden. Um dieser Herausforderung zu begegnen, hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze eine Nationale Wasserstrategie ausarbeiten lassen. Sie sieht unter anderem vor, Gewässer sauberer und gesünder zu machen, die Wasserwirtschaft umzubauen und Wasserknappheit zu bekämpfen. Eine Idee darin sind "smarte" Wassertarife, die die Entnahme in Tageszeiten mit geringer Nachfrage günstiger macht; Nutzungshierarchien sollen klären, "wer im Fall von regionaler Wasserknappheit vorrangig Wasser nutzen darf".
Der Plan sieht bis 2030 Investitionen von rund einer Milliarde Euro vor, muss allerdings noch von einer künftigen Bundesregierung verbindlich beschlossen werden. Die oppositionellen Grünen nannten die Strategie deshalb "nutzlos, wenn am Ende die Umsetzung fehlt".
In der Strategie fällt auch das Stichwort "Schwammstadt" - dabei geht es darum, dass auch Städte künftig genügend Grünflächen bieten, wo das Wasser versickern und dem Grundwasser zufließen kann. Und nicht Starkregengüsse über die Flüsse ungebremst ins Meer abgeleitet werden. Unter dem Eindruck der aktuellen Flutkatastrophe mahnte auch bereits der Spitzenverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), dass die Betonierung der Innenstädte reduziert und die verbleibenden Trinkwasserressourcen vor Verunreinigung geschützt werden müssten. Hauptgeschäftsführer Martin Weyand sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Unsere Trinkwasserressourcen dürfen wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen."