Wassermangel im Gazastreifen
15. August 2005Die Verteilung der Wasservorräte im Gazastreifen ist ungerecht: Ein Palästinenser verbraucht pro Tag etwa 70 Liter Wasser. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt als Minimum 100 Liter pro Tag. Ein israelischer Siedler verbraucht etwa fünf Mal so viel.
UNO prognostiziert eine trockene Zukunft
In nur 15 Jahren, so eine Prognose der Umweltexperten der Vereinten Nationen, werden die Palästinenser im Gazastreifen buchstäblich auf dem Trockenen sitzen. Denn die Wasservorräte in diesem schmalen Küstenstreifen gehen zur Neige.
Die winterlichen Regenfälle reichen nicht aus, um den Grundwasserspeicher aufzufüllen, der durch den steigenden Bedarf einer rasant wachsenden Bevölkerung bedrohlich schnell geleert wird.
Ziehen Israelis ab, weil das Wasser verbraucht ist?
Die Palästinenser hoffen, dass sie nach dem Abzug der Israelis aus dem Gazastreifen Zugang zu den Grundwasservorräten unter den Siedlungen bekommen. Gleichzeitig fürchten sie, dass es dort nicht mehr viel zu holen gibt, erklärt Nabil Sakut, stellvertretender Generaldirektor des Umweltministeriums in Gaza. "Das hat alles mit strategischen israelischen Interessen zu tun. Die Siedlungen im Gaza-Streifen wurden ja ursprünglich gebaut, damit sie die Wasserquellen kontrollieren können", so Nabil Sajut.
"Jetzt ist das Wasser verseucht; die Israelis müssten es klären. Nachdem die Quellen jedoch erschöpft sind, gibt es für sie keinen Grund mehr, hier zu bleiben", sagt Nabil Sajut. "Die Siedler sind eine Last, weil sie beschützt und ernährt werden müssen, und sie produzieren nichts mehr. Deswegen ziehen sie sich zurück", mutmaßt der Umweltpolitiker.
Wasserpumpen vom Westjordanland nach Gaza
Was aber wird nach dem Rückzug geschehen? Wird Israel den Gazastreifen austrocknen lassen oder wird es weiter wie bisher palästinensische Städte bei Bedarf und gegen Bezahlung mit Wasser versorgen?
Für die Experten des Umweltministeriums in Gaza steht fest: Die Palästinenser sind keine Bittsteller. Sie haben Rechte an den Wasservorräten im Nahen Osten. Und diese Rechte wollen sie durchsetzen, indem sie Wasser aus dem besetzten Westjordanland nach Gaza pumpen.
Gefährlicher Cocktail
Im Gaza-Streifen ist das Wasser nicht nur knapp, es ist darüber hinaus stark versalzen und mit Schadstoffen belastet, erläutert der Wasserbauingenieur Chaled Kahaman. "Die Chlorid-Konzentration erreicht manchmal mehr als 700 Milligramm pro Liter. Laut WHO-Richtlinien darf sie höchstens 250 Milligramm hoch sein." Auch die Nitratkonzentration liege beispielsweise in Hanunis manchmal über 600 Milligramm pro Liter. Die WHO-Standards empfehlen 50 Milligramm.
Chalet Tibi ist Leiter der Abteilung für Wasserkontrolle im palästinensischen Gesundheitsministerium in Gaza. Jeden Tag ist er mit seinen Reagenzgläsern und Kühltaschen unterwegs und nimmt Wasserproben, die er in seinem Labor auf Verunreinigungen hin untersucht.
"Wir kontrollieren, weil wir wissen, dass sich die Wasserqualität im Gaza-Streifen sehr verschlechtert hat und wir Probleme mit den Nitraten im Wasser haben. Der hohe Nitrat-Gehalt bringt viele Gesundheitsprobleme mit sich, speziell für Kleinkinder", sagt Chalet Tibi.
"Blaue Babys" und andere Folgen
Im Zusammenhang mit den schädlichen Stoffen entstehe das Phänomen der so genannten Blue Babys: "Die Babys bekommen eine blaue Färbung im Gesicht, weil die Nitrate sich mit dem Hämoglobin verbinden und verhindern, dass Sauerstoff gebildet wird. Wenn der Körper nicht genügend Sauerstoff hat, entstehen viele Gesundheitsprobleme. Kinder bleiben dadurch körperlich und geistig in ihrer Entwicklung zurück", sagt Chalet Tibi.
Bleibende Schäden bei Kindern, Kopfschmerzen, Nierenversagen und andere Krankheiten bei Erwachsenen - das sind die Auswirkungen des akuten Wassermangels im Gaza-Streifen. Nur eine politische Lösung des Konflikts und eine gerechte Verteilung der Ressourcen kann die drohende Katastrophe abwenden.