Watzke und Tuchel - kein Traumpaar
8. Mai 2017So richtig freuen konnte sich BVB-Trainer Thomas Tuchel nicht. Nach dem 2:1-Erfolg gegen Hoffenheim am Samstag und der Eroberung des dritten Tabellenplatzes, wirkte der 43-Jährige genervt. Obwohl die Dortmunder ihrem Saisonziel, die direkte Qualifikation für die Champions League, einen großen Schritt näher gekommen waren, dominierte an diesem Tag ein anderes Thema. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hatte der Funke-Medien-Gruppe ein Interview gegeben und sich darin über seinen Trainer geäußert und unter anderem Vertrauensprobleme angedeutet.
Die Aussagen Watzkes zeigen, wie groß die Risse zwischen ihm und Tuchel mittlerweile sind. Risse, die auch die bevorstehenden Gespräche über eine mögliche Vertragsverlängerung mit Tuchel, der noch bis 2018 an den Klub gebunden ist, belasten. Für Watzke gehe es bei Verhandlungen über ein neues Arbeitspapier "neben dem Sportlichen [auch] um Dinge wie Strategie, Kommunikation [und] Vertrauen." Zudem bestätigte der BVB-Boss einen lange bekannten "Dissens" mit seinem Trainer über den Umgang mit dem Bombenanschlag auf die Spieler der Borussia im April.
Unstimmigkeiten haben Vorgeschichte
Dazu hatte Watzke gegenüber der Süddeutschen Zeitung erklärt, er habe Tuchel nach dem Anschlag telefonisch über die schnelle Neuansetzung der Partie informiert. Tuchel dagegen sprach nach dem Monaco-Spiel von einer unmenschlichen Zumutung nur einen Tag nach dem Anschlag spielen zu müssen. Zudem sei er von der UEFA lediglich "per SMS" über den neuen Termin informiert worden - der vorläufige Höhepunkt eines offensichtlich schwierigen Verhältnisses zwischen den beiden Alphatieren. Doch die Unstimmigkeiten haben eine lange Vorgeschichte.
So hatte Watzke seinem Trainer nach Ablauf der vergangenen Saison versprochen, nicht alle drei Leistungsträger gleichzeitig gehen zu lassen. Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrich Mchitarjan wurden trotzdem verkauft - erste Risse zeichneten sich ab. Auch Unstimmigkeiten in Bezug auf Neuzugänge haben das Verhältnis zwischen der Vereinsführung und Tuchel beschädigt. Die Verpflichtung von Mario Götze hat der Trainer nicht gewollt, doch Watzke und Sportdirektor Michael Zorc hatten sich am Ende durchgesetzt. Dazu kommt ein kompliziertes Arbeitsklima. Tuchel gilt als schwieriger Charakter und hat sich durch seine Art mit einigen Vereins-Mitarbeitern, wie zum Beispiel BVB-Chefscout Sven Mislintat, überworfen. Gespräche mit Mislintat, der unter anderem für die Verpflichtungen von Pierre-Emerick Aubameyang oder auch Ousmane Dembele verantwortlich ist, sind seit längerem nur auf das Nötigste beschränkt.
Öffentliche Angriffe auf Team und Vereinsführung
Doch auch das Verhältnis zu seinen Spielern ist beschädigt. So hatte Tuchel nach der Niederlage gegen Frankfurt seiner Mannschaft öffentlich die Qualität abgesprochen. "Technisch. Taktisch. Mental. Wir waren ein einziges Defizit! Von der 1. bis zur 90. Minute", hatte der Trainer auf der Pressekonferenz gesagt. Dazu kommen Kommunikationsprobleme mit einigen Spielern, wie zum Beispiel Sebastian Rode, der seit Wochen keine Rolle mehr bei Tuchel spielt und bis heute nicht erfahren hat, aus welchen Gründen. Nach der Pleite in Darmstadt kritisierte der Coach erstmals auch die Vereinsführung in der Öffentlichkeit: "Es muss ein Umdenken stattfinden. Wir sind nicht nur das, was wir gegen Leipzig und Bayern zeigen, sondern auch das, was wir gegen Darmstadt zeigen. Es wäre hilfreich, wenn das mal durchsickern würde. Ich dachte, das ist intern schon angekommen."
Diskussion zur Unzeit
Es gibt also einige nachvollziehbare Gründe, warum Watzke sich in dieser Deutlichkeit über Thomas Tuchel geäußert hat. Doch warum dieser Zeitpunkt der Veröffentlichung? Der 57-Jährige musste in den vergangenen Wochen zusehen, wie sein Trainer durch seinen Umgang mit dem Anschlag in der Öffentlichkeit immer mehr Punkte sammelte. Das dürfte dem BVB-Geschäftsführer, unter Berücksichtigung der Vorgeschichten, überhaupt nicht geschmeckt haben. So nutzte Watzke eben auch seine Möglichkeiten und wurde so auch seinem Ego gerecht - er ist schließlich der Boss!
Watzke und sein Ego
Trotzdem: Vor so einem immens wichtigen Spiel, wie das gegen Hoffenheim, eine solche Diskussion heraufzubeschwören, ist nicht nachvollziehbar. Da Interviews vorab vom BVB kontrolliert und freigegeben werden, war diese Publikation sicher kein Zufall, sondern eine bewusste Platzierung. Und das in dieser Situation, denn der BVB steht vor entscheidenden Wochen. Der dritte Platz und die damit verbundene direkte Qualifikation für die Teilnahme an der Champions League, ist noch nicht abgesichert.
Zudem steht Ende Mai das DFB-Pokal-Finale in Berlin an, wo die Dortmunder ihre Saison mit einem Titel abrunden wollen. Watzke könnte dem BVB mit seinem Interview und die dadurch hervorgerufene Unruhe, somit einen Bärendienst erwiesen haben. Und was wird aus Tuchel? Eine Vertragsverlängerung mit dem Fußballlehrer scheint bei der momentanen Lage ohnehin vom Tisch und eine Zusammenarbeit über diesen Sommer muss mindestens mal in Frage gestellt werden. "Es ist verabredet, dass wir uns nach dem Pokalfinale zusammensetzen. Das bleibt auch so. Es sollte auf keinen Fall ein Scheidungstermin werden", sagte Tuchels Berater Olaf Meinking, dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Ob sich beide Parteien aber wieder zusammenraufen werden, darf bezweifelt werden.