Weg für Prozess gegen Djukanovic frei
13. Januar 2005Das höchste italienische Rechtssprechungsorgan hat beschlossen, dass der montenegrinische Ministerpräsident Milo Djukanovic kein Recht auf Immunität hat, wie es bei Staatschefs unabhängiger Staaten der Fall ist. Djukanovic wird in Italien Zigarettenschmuggel vorgeworfen. Der Beschluss des Kassationsgerichts in Rom ebne den Weg für die Justizorgane in Bari und Neapel, um ein Gerichtsverfahren gegen den montenegrinischen Premier einzuleiten, schreiben italienische Medien vom Freitag (7.1.).
Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung?
Die von Staatsanwalt Giuseppe Scelsi seit 1993 geführten Ermittlungen in Bari sind seit kurzem abgeschlossen. Djukanovic wird wegen Beteiligung „an einer organisierten Vereinigung zum Zweck des internationalen Zigarettenschmuggels und Geldwäsche“ beschuldigt. Unterdessen wird auch in Neapel gegen ihn ermittelt, dort allerdings wegen Beteiligung an einer „kriminellen Vereinigung“. Der italienische Staatsanwalt verfügt über eine enorme Aktensammlung mit Kontoauszügen aus Zypern und der Schweiz: Auf diese Konten seien Gelder aus dem Zigarettenschmuggel überwiesen worden. Bei diesem Geschäft, das von 1996 bis 2000 intensiv betrieben und von der montenegrinischen Führung als „Zigaretten Re-Export“ bezeichnet wurde, sind dem Staatshaushalt einiger europäischer Länder mehrere Milliarden Euro Steuergelder entgangen.
In Italien läuft bereits ein Prozess wegen internationalem Zigarettenschmuggel gegen drei Montenegriner – enge Mitarbeiter und Freunde des montenegrinischen Premiers. Ferner verurteilte ein Gericht in Bari Gerardo Cuomo – einen der Hauptverbindungsmänner des montenegrinisch-italienischen Zigarettenschmuggel-Netzwerks.
Der Anwalt des montenegrinischen Regierungschefs, Enrico Tuccillo, vertritt dagegen die Ansicht, sein Mandant habe keinerlei Grund zur Sorge. „Unsere Verteidigung basiert darauf, dass Djukanovic unschuldig ist. Er hat gegen kein einziges Gesetz verstoßen. Es gibt außerdem weder Beweise für seine angebliche Verbindung zu kriminellen Organisationen noch für seine Beteiligung am Zigarettenschmuggel“, sagte Tuccillo gegenüber montenegrinischen Medien. Er fügte jedoch hinzu, „die Gerichte könnten theoretisch trotzdem eine Form der Inhaftierung Djukanovics fordern.“
Nachspiel vor italienischen Gerichten
Dem Direktor des Zentrums für europäische Integration in Podgorica, Dragan Rosandic, zufolge war das Urteil des italienischen Kassationsgerichtshofs zu erwarten. Nun sei jedem klar, dass die Geschichte über den Zigarettenhandel über Montenegro ein Nachspiel vor der italienischen Justiz habe. „Offenbar ist das ein taktischer Zug, der als Ass im Ärmel versteckt wurde, um es im gegebenen Augenblick gegen Djukanovic einzusetzen, der die Pläne der europäischen Mächte auf dem West-Balkan inzwischen stört. Aber auch wenn diese These nicht zutrifft, ist es eine enorme Belastung sowohl für Montenegro als auch für Djukanovic persönlich. Ich glaube, er wird Probleme bekommen ebenso wie der Kreis derer, die sich in den vergangenen zehn Jahren mit diesem Geschäft befasste.“
Mustafa Canka, Ulcinj,
DW-RADIO / Serbisch, 7.1.2005