125. Geburtstag des Architekten Hans Scharoun
20. September 2018Scharoun wurde an der Nordseeküste geboren, Schiffe und Ozeandampfer gehörten zu seinen frühsten Kindheitserinnerungen. Später als erfolgreicher Architekt baute er mit Vorliebe mit dem Kanon maritimer Formen. In den 1920er Jahren entwarf er Gebäude, die von weitem aussahen wie liegende Ozeanriesen.
Am 20. September 1893 kam er in Bremen zur Welt. Die Hansestadt hatte schon damals einen der größten Überseehäfen in Europa. In der Nachbarstadt Bremerhaven wuchs Hans Scharoun auf und ging dort auch zur Schule. An der berühmten Columbaskaje fuhren die großen Ozeandampfer nach Amerika ab.
Von dem Wunsch des Sohnes, Architekt zu werden, war sein Vater nicht erbaut. Er verbot ihm sogar das Zeichnen, aus Angst der Sohn würde der "brotlosen Kunst" verfallen. Die Mutter förderte heimlich das Talent ihres Sohnes.
Kontakt mit dem Bauhaus
Von 1912 - 1914 konnte der junge Scharoun endlich seine Träume verwirklichen und an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg studieren - Architektur und Bauwesen. Sein Vater war inzwischen gestorben. Die praktische Arbeit lag ihm, vor allem die Detailarbeit an den Bauwerken. Mit Feuereifer arbeitete er im Büro eines bekannten Architekten mit.
Der Beginn des 1. Weltkrieges beendete seine Träume - vorerst. 1915 wurde Hans Scharoun als Soldat zum Kriegsdienst nach Ostpreußen einberufen. Nach Kriegsende blieb er dort und machte sich als Bezirksarchitekt beim Wiederaufbau ostpreußischer Städte einen Namen. In Insterburg gründet er sein erstes Architekturbüro. Dort lernte er auch den Architekten und Stadtplaner Bruno Taut kennen.
1925 erhielt Scharoun einen Ruf als Professor an die Staatliche Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau/Schlesien. Er freundete sich mit Ludwig Mies van der Rohe und Walter Gropius an und nahm zusammen mit ihnen an der Wohnbauausstellung am Weißenhof in Stuttgart teil. Aber wie später auch das Bauhaus in Dessau wurde die wegweisende Breslauer Kunstschule 1932 geschlossen.
Architekt der Avantgarde
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 setzte der klassischen Moderne in der Architektur, ebenso wie in der Kunst, ein jähes Ende. Scharoun galt jetzt als "entarteter Künstler" und bekam keine öffentlichen Aufträge und Ämter mehr. Die meisten seiner Kollegen emigrierten ins Ausland, Scharoun blieb in Deutschland.
Mit dem Bau von Privathäusern hielt er sich eine Zeit lang über Wasser. Ihn zu beschäftigen erforderte allerdings Mut, wie er später erzählte. "Als Bauherren blieben mir Menschen, die irgendwie vom neuen Bauen besessen waren. Ein Haus, das mir das liebste war, ließ sich der Fabrikant Schminke in Löbau in Sachsen bauen."
Diese hochmoderne Villa – gelegen an einem idyllischen See mitten im Grünen – ist eines seiner bekanntesten Gebäude: wegweisend in seiner elegant geschwungenen Formensprache, verwegen konstruiert aus scheinbar schwebenden Betonelementen und mit maritimen Bullaugen versehen. Hans Scharoun war damit seinem hanseatischen Stil treu geblieben. Heute gilt das "Haus Schminke" als historisches Gegenstück zur streng geometrischen und rechtwinkligen Bauweise des Bauhauses.
Die Deutsche Welle veranstaltet dort in Kooperation mit dem MDR die Reihe "Privatkonzert". Das Moderatorenduo Kim Fisher und Wigald Boning begrüßen dort Musiker und Bands wie Silly oder Karat im Wohnzimmer zu Gesprächen.
Stadtbaurat mit radikalen Ideen
Nach Kriegsende berief ihn die sowjetische Militäradministration im Frühjahr 1945 als Stadtbaurat in den Magistrat von Groß-Berlin und vertraute ihm die Leitung des Bau- und Wohnungsamtes an. Scharouns "Kollektivplan", der eine grundlegende Neustrukturierung der Stadt und große autogerechte Trassen im Stadtbild vorsah, wurde zum Glück nicht realisiert.
1946 wurde der Architekt wieder zum Professor berufen - diesmal an die Technische Hochschule Berlin. Er beschäftigte sich jetzt mit dem Bau von Schulen und Bildungseinrichtungen, in denen er seine Philosophie des "Organischen Bauen" erneuerte. "Jedes Gebäude hat seine eigene Form", postulierte er. Seine Architektur entwickelte er strikt von innen nach außen, schuf "Denkräume" und "nestartige" Treffpunkte für die Schüler, und richtete die äußere Form der Gebäude nach dem Innenleben.
Die Krönung seines Schaffens als Architekt nach dem Krieg war die Berliner Philharmonie, 1963 wurde sie feierlich eingeweiht: ein Ort des Musizierens, der Konzertkultur und der Begegnung zwischen Orchestermusikern und Publikum. Das Dirigentenpult hatte Scharoun als Zentrum des großzügigen Konzertsaales in der Mitte platziert. Später wurde die Philharmonie durch einen zweiten Kammermusiksaal zu einem architektonisch wegweisenden Gebäudeensemble ergänzt. Das erlebte Hans Scharoun nicht mehr, er starb am 25. November 1972.