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"Die Bundeswehr ist am Wendepunkt"

26. Januar 2016

Der Wehrbeauftragte des Bundestages hat in seinem Jahresbericht 2015 die Defizite der Bundeswehr schonungslos benannt. Noch mehr Reduzierung gehe nicht, so das Fazit von Hans-Peter Bartels.

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Jahresbericht 2015 des Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Kampf gegen die Terrormiliz IS, Friedenssicherung in Mali, Flüchtlingshilfe im Inland: Kann die Bundeswehr ihre Aufgaben mit 177.000 Soldaten und mangelhafter Ausrüstung noch bewältigen? Die Antwort des Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels auf diese Frage ist eher ein "Jein".

Noch mehr Reduzierung geht nicht

Von fast allem sei zu wenig da, kritisierte der SPD-Politiker bei der Vorlage seines Jahresberichtes. Bartels bemängelte die geringer werdende Personaldecke und die unzureichende Ausstattung der Truppe. Die Bundeswehr sei am Wendepunkt. Noch mehr Reduzierung gehe nicht. Einige Bereiche der Truppe seien klar am Limit. Die über Gebühr geschrumpfte Bundeswehr dürfe nicht noch mehr reduziert werden. Um die Lücken zu füllen, sei die Bundesregierung gefordert. Die Politik müsse hier ein Konzept vorlegen. Alles gehe viel zu langsam, die Truppe sei es leid, es fehle zu viel, schildert Bartels die Stimmungslage der Soldaten. Es fehle an Material vom Panzer bis zur Schutzweste auch bei der Ausbildung und Übung. Das könne eine Gefahr für den Einsatz darstellen.

"Wir brauchen eine Vollausstattung der Bundeswehr." Es müsse das, was auf dem Papier vorhanden sein soll, auch tatsächlich da sein. Wenn die Bundeswehr zur Landesverteidigung wieder in der Lage sein solle, brauche sie eine materielle Vollausstattung. Zudem dürfe der Einsatz der Bundeswehr im Innern nicht zur Daueraufgabe werden, mahnte Bartels und spielte damit offenbar auf die Flüchtlingskrise an. Bei deren Bewältigung hilft die Bundeswehr derzeit mit bis zu 9000 Soldaten am Tag. Der Kernauftrag der Bundeswehr sei es, die äußere Sicherheit zu gewährleisten, erinnerte Bartels.

Personalsollstärke unterschritten

Auch die unerreichte Sollstärke von 185.000 Soldatinnen und Soldaten mache der Bundeswehr zu schaffen. Nur rund 177.000 aktive Soldaten seien im Dezember 2015 gemeldet worden. Es müsse das Ziel sein, wenigstens die vereinbarte Sollstärke voll aufzufüllen. Wenn dies so wäre, wäre schon viel erreicht, sagte Bartels. Die Bundeswehr hatte 1990 nach der Wiedervereinigung noch fast 600.000 Soldaten und ist seitdem schrittweise verkleinert worden.

Auch die Soldaten selbst sind unzufrieden. Zwar befasste sich der Wehrbeauftragte im Vergleich zu 2014 im vergangenen Jahre mit 300 Beschwerden weniger, aber es waren immer noch 4108 Eingaben. Fast 1000 davon befassten sich mit Fragen der Menschenführung und der "Soldatischen Ordnung". Auf Platz zwei folgten Beschwerden zu Besoldung, dann kommen Fragen zur Vereinbarkeit von Dienst und Familie und Mängel in der Verwendungsplanung.

Der Jahresbericht 2015 ist der erste des Wehrbeauftragten Bartels, der das Amt im vergangenen Mai übernommen hat. Der Bericht informiert traditionell über den inneren Zustand der Bundeswehr, wobei vor allem die Einschätzungen der Soldaten selbst berücksichtigt werden. Der Wehrbeauftragte gilt als "Anwalt der Soldaten" und fungiert laut Grundgesetz als Hilfsorgan des Bundestags bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle der Streitkräfte.

Besserung in Sicht?

Der Verteidigungsetat betrug im vergangenen Jahr 2015 insgesamt 1,16 Prozent am Bruttosozialprodukt. In 2016 soll er leicht steigen auf 1,17 Prozent. Eine Absenkung in den Jahren danach, wie gerade im Finanzplan beschlossen, dürfe es nicht geben, warnte Bartels.

Der Wehrbeauftragte dürfte bei dieser Forderung die Kanzlerin auf seiner Seite wissen. Angela Merkel habe Mitte Januar bei ihrem Besuch des Verteidigungsausschusses des Bundestags ein Plädoyer für höhere Verteidigungsausgaben gehalten, wie aus Teilnehmerkreisen berichtet wurde. Denn die Amerikaner, so Merkel, würden ihr weiteres Engagement jenseits des Atlantiks davon abhängig machen, dass Deutschland entsprechend in seine Streitkräfte investiere. Die USA fordern seit langem, dass ihre Nato-Partner den Etat ihrer Streitkräfte auf zwei Prozent erhöhen.

Ein Schritt dorthin könnte ein Vorstoß von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sein, der am Dienstag bekannt wurde. Aus Ministeriumskreisen hieß es, dass bis 2030 insgesamt 130 Milliarden Euro in die militärische Ausrüstung gesteckt werden sollen. Um die marode Ausrüstung der Bundeswehr zu modernisieren, wie es weiter hieß. Mögliche Mehrausgaben sollen nun mit dem Finanzministerium abgestimmt werden.

qu, kas/as (Phoenix, rtr, AFP, Bundestag)