Weiblich, jung, vielfältig
28. Oktober 2019Oyinkan Braithwaite ist mit "My Sister, the Serial Killer" ein großer Erfolg gelungen. Seit der Erstveröffentlichung im November 2018 hat der Krimi hervorragende Rezensionen erhalten und war sogar für den Booker Prize nominiert. In zahlreichen Ländern wurde er schon veröffentlicht. Die Autorin lebt in der Megacity Lagos und hat Kreatives Schreiben und Jura an der Kingston University in London studiert. In vielen Buchhandlungen weltweit hat Braithwaite ihr Werk schon entdeckt. "Ich schaue immer nach, wenn ich reise", sagt die 31-Jährige, die sich mit ihrem Berufswunsch stets absolut sicher war: "Ich wollte immer Schriftstellerin werden." Gefallen habe ihr das Jura-Studium aber trotzdem.
Nigeria hat eine lange Literaturtradition und weltbekannte Autoren wie Wole Soyinka, Chinua Achebe und Ken Saro-Wiwa. Zu den großen Stimmen des Landes gehört seit vielen Jahren auch Chimamanda Ngozi Adichie. Ihre Romane, wie "Die Hälfte der Sonne" und "Americanah", wurden schon vielfach ausgezeichnet. Zuletzt erhielt die 42-Jährige im September in Deutschland den Kasseler Bürgerpreis "Glas der Vernunft".
Bislang waren es allerdings überwiegend männliche Schriftsteller, deren Romane verlegt wurden und auf die sich deshalb das Augenmerk richtete. Doch genau das ändert sich gerade in Nigeria. Autorinnen werden wie nie zuvor gefeiert.
Nominierungen und Preise für Autorinnen
"Wir rocken es", freut sich Oyinkan Braithwaite über den Trend in ihrem Heimatland. "Ich liebe zum Beispiel 'Bleib' bei mir' von Ayọ̀bámi Adébáyọ̀. Wir sind gute Freunde geworden und treffen uns, wann immer es möglich ist." Eine klare Leseempfehlung gibt sie auch "What It Means When A Man Falls From The Sky" von Lesley Nneka Arimah, deren Kurzgeschichte "Skinned" in diesem Jahr den mit 10.000 US-Dollar dotierten Caine Prize for African Writing gewonnen hat.
Möglich wurde der Wandel im Literaturbetrieb durch bessere Bildungschancen für Frauen, sagt Helon Habila. Er ist selbst Autor und zudem Professor für Kreatives Schreiben an der George Mason University in Washington DC. In seinem neuen Roman "Travellers" verarbeitet Habila das hochpolitische Thema Migration. Davor schrieb er "The Chibok Girls". "Frauen werden sichtbarer und sprechen über Dinge, über die bisher geschwiegen wurde", sagt Habila.
Auch für Jumoke Verissimo, deren Debütroman "A small Silence" Mitte des Jahres erschien, ist das eine positive Entwicklung: "Darauf bin ich stolz, da ich eine Frau bin." Gleichzeitig würde es aber auch zeigen, wie schlecht es bisher um weibliche Literatur bestellt war.
Globale Bewegungen bringen Veränderung
Laut Habila sei es zudem hilfreich, dass nigerianische Verlage wie Cassava Republic und Ouida Books von Frauen geleitet werden. Darüber hinaus beeinflussen globale Entwicklungen wie feministische Bewegungen die nigerianische Literatur. Jumoke Verissimo will das jedoch nicht nur auf Nigeria begrenzen, sondern sieht einen globalen Trend. "Diskussionen, die weltweit geführt werden, bringen neue Schriftsteller zum Vorschein." Die Inhalte seien anders als das, was man bisher kennt.
Vor allem wird das Spektrum sehr viel breiter. Romane erscheinen zu politischen wie gesellschaftlichen Themen. Jumoke Verissimos Geschichte spielt beispielsweise im Südwesten Nigerias und behandelt ein bisher nicht aufgearbeitetes Thema: die Präsidentenwahl im Juni 1993, bei der Moshood Abiola siegte. Eine Wahl, die später jedoch von Militärherrscher Ibrahim Babangida annulliert wurde. Oyinkan Braithwaite, die ihren Krimi bewusst in Lagos und nicht London spielen lässt, freut das.
Auch die Genres, in denen geschrieben wird, sind breit gefächert. Im Trend sind in Nigeria gerade Science-Fiction-Romane, die ebenfalls oft von jungen Autorinnen wie Temi Oh verfasst werden.
Schriftstellerinnen, die niemand kennt
Auffällig ist jedoch auch, dass die große Mehrheit der Autorinnen aus dem Südwesten oder Südosten Nigerias stammt. Zu den Ausnahmen gehört Hauwa Shaffii Nuhu. Sie ist in Minna aufgewachsen, der Hauptstadt des westlichen Bundesstaates Niger, und hat in der nordnigerianischen Metropole Kano studiert. Die Poetin, Essayistin und #MeToo-Aktivistin schreibt auf Englisch und nicht auf Haussa, wodurch ihre Arbeiten landesweit bekannt geworden sind.
Autorinnen in Nordnigeria würde bis heute eine Plattform fehlen, kritisiert Hauwa Shaffii Nuhu: "Kürzlich wurde ich gefragt, warum es keine muslimischen Schriftstellerinnen aus Nordnigeria gibt. Ich konnte auf der Stelle 20 und mehr aufzählen." Doch seien deren Namen nicht bekannt, weil sie schlichtweg kaum beachtet würden.