Weidel & Gauland: von allem etwas
24. April 2017Die beiden, die nebeneinander wie Großvater mit Enkelin wirken, sollen die AfD - so der Anschein - programmatisch möglichst breit erscheinen lassen. Der Herr mit dem englischen Sakko und die Dame im Manageroutfit (einfarbiger Hosenanzug, weiße Bluse) sind nicht nur stilistisch ein Gegensatzpaar. Sie senden auch unterschiedliche Locksignale an potentielle Wähler.
Zusammen sind sie nicht nur der demografische Querschnitt, sie sind auch sonst Repräsentanten gegensätzlicher Lebensmodelle. Zusammen decken sie das stramm Rechte und das Wirtschaftsliberale ab, das Erzkonservative und die Selbstverständlichkeit der gleichgeschlechtlichen Beziehung, das Grandseigneurhafte und das Jugendliche. Die AfD als Partei für alle Lebenslagen. Ein geschickter Schachzug, wenn das Absicht war.
Blond-graue Angriffszange
Gauland, der 76-jährige Parteivize, steht schon jetzt für Kontinuität in der noch jungen AfD, in der die Meinungsführerschaft und damit die Machtfrage in der Partei noch nicht endgültig geklärt ist. Der Mann, der so gütig dreinschauen kann und doch als knallharter Deutschnationaler gilt, ist medienbekannt und ein alter Polithase. Das Gegenteil gilt für seine Mitstreiterin. Mit 38 Jahren ist die promovierte und selbständige Unternehmensberaterin politisch eine Elevin. Sie könnte junge Rechte mobilisieren, die der Wirtschaft längere Leine geben wollen.
Stramm rechts sind hingegen beide. Die Positionierung der Partei in Richtung mehr bürgerliche Akzeptanz ist mit Frauke Petrys Kaltstellung vorläufig abgeblasen. Die AfD ist nach dem Parteitag rechter als vorher. Dabei wird der polyglotten Weidel, die lange im Ausland gelebt hat und leidlich gut Mandarin sprechen soll, der Part der schrillen nationalen Töne zugetraut. Die könnten im Vergleich zum Altmeister des Populismus, Gauland, sogar noch schärfer ausfallen.
Kostproben gab es in Köln schon reichlich. Die politische Korrektheit im Lande gehöre auf den Müllhaufen der Geschichte, rief sie den Delegierten zu. Das kam genauso gut an wie ihr pathetischer Ausruf, sie werde für Deutschland kämpfen "so wahr mir Gott helfe."
Töne wie diese passten bislang gut in die Wortwahl deutschnationaler Kreise. Sie sind neu und wirken fremd aus dem Munde einer Frau, die mit ihren zwei Söhnen in einer lesbischen Beziehung lebt. Der Versuch der gesellschaftlichen Öffnung für andere Familienmodelle neben Vater, Mutter, Kind läuft ab sofort in der AfD.
Moderat oder stramm rechts?
Wirtschaftspolitisch steht Weidel für den Ausschluss Spaniens und Portugals aus der Eurozone und für den Erhalt des Bargeldes. Als Eurokritikerin leitet sie den AfD-Fachausschuss "Euro und Währung". Warum ihr das Etikett moderat umgehängt wird, ist bestenfalls im Vergleich zu radikaleren Tönen aus der Partei nachvollziehbar. Sie ist eine strikte Verfechterin von Asylrechtsverschärfungen. Und obwohl sie das Parteiausschlussverfahren gegen den ultrarechten Parteifreund Björn Höcke mitgetragen hat, will sie nun gemeinsam mit ihm Wahlkampf machen.
Weidel ist seit dem Wochenende das neue Gesicht der AfD. Ihren Aufstieg in die erste Reihe verdankt sie Gauland, der im kleinen Kreis ihre Kandidatur schon vor dem Parteitag gefordert und gefördert hatte. "Nur zusammen", rief er den Delegierten zu, seien sie für das Spitzenduo zu haben gewesen. Die Wahl mit gut zwei Drittel Mehrheit war fast eine Überrumpelung.
Gauland heute, Gauland damals
Während Weidel ab sofort politisch unter scharfer Beobachtung steht, fragen sich ältere Wegbegleiter Gaulands immer noch, warum der Strippenzieher der AfD das geworden ist, was er heute ist. Denn der frühere CDU-Politiker war mal ein Flüchtlingsexperte. Ende der 70er Jahre organisierte er als Büroleiter für den damaligen Frankfurter Oberbürgermeister Walter Wallmann die Aufnahme von 250 vietnamesischen Flüchtlingen in der Stadt. Er kannte die Not der Menschen, der sogenannten "Boat People", die aus dem Chinesischen Meer gefischt wurden. Heute spricht er von einer "menschlichen Überflutung" Deutschlands.
Verwunderlich an seinem Werdegang ist auch dies: In seiner frühen Politzeit war der junge Konservative ein häufig aufgesuchter Verhandlungspartner der linken bürgerlichen Kreise der Goethestadt. Er unterstützte in der traditionell eher SPD-orientierten Kommune die Museumspolitik der politischen Konkurrenz und ermöglichte dadurch maßgeblich den Ankauf moderner Kunst und die Eröffnung eines Museums für die erworbenen Liechtensteins, Warhols und Beuys.
Enge Wegbegleiter von damals attestieren Gauland großes politisches Gespür. Denn der CDU-Politiker hatte persönlich keinerlei Interesse an den modernen Kunstschätzen. Wohl hatte er aber begriffen, was für ein Prestigegewinn das Museum für Frankfurt war. Es ist nicht auszuschließen, dass sein Coup mit Weidel an seiner Seite ein neuerlicher Beweis seines strategischen Kalküls sein könnte.