Kopten feiern zwischen Trauer und Trotz
7. Januar 2011Anfangs ist die Kirche noch ziemlich leer, doch sie füllt sich nach und nach. Pater Boules Shehata singt vor der eigentlichen Christmette mit einigen Messdienern Kirchenlieder auf Deutsch, Koptisch und Arabisch. Ein fröhliches Weihnachtsfest wird es für seine Gemeinde dieses Jahr aber nicht geben. Die meisten Gemeindemitglieder kommen aus Ägypten und sind sehr besorgt über die jüngsten Entwicklungen zwischen Christen und Moslems dort.
Schmerz über das Schicksal der Gemeinden in Ägypten
Die Kopten in Deutschland, sagt Boules Shehata, sind wütend darüber, dass Kopten in Ägypten schon seit vielen Jahren bedrängt werden. Die ägyptische Regierung schaue tatenlos zu. Trotz der Drohungen von radikal-islamistischer Seite, Anschläge auf Kopten zu verüben, vertraut Pater Shehata auf Gott: Er und seine Gemeinde hätten keine Angst vor Anschlägen.
"Ich muss leider sagen, dass wir der deutschen Polizei mehr vertrauen als der ägyptischen." Anders als die ägyptischen Beamten hätte die deutsche Polizei sofort die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen getroffen, um die koptischen Gemeinden zu schützen. Es schmerze ihn und seine Gemeinde, was den Kopten in Ägypten angetan werde, sagt der Geistliche. Trotzdem könnten weder Gewalt noch der Tod ihnen die Freude am Weihnachtsfest nehmen, bekräftigt Pater Boules Shehata.
Überkonfessionelle Solidarität
Um 19 Uhr beginnt die Messe: Gesang und Musik sind für die koptische Liturgie zentrale Elemente. Zwei Gemeindemitglieder begleiten den Gesang auf Zimbeln und Triangeln. Die Kirche ist inzwischen bis auf den letzten Platz gefüllt. Nicht nur Ägypter sind anwesend, sondern auch Gläubige aus Deutschland, Äthiopien und anderen Ländern.
Besuch kommt auch von anderen Konfessionen und Religionen in Deutschland. Als Zeichen der Solidarität Nikolaus Schneider da, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er liest aus dem Evangelium. Die zunehmende Christenverfolgung im Nahen Osten bereite ihm Sorgen, sagt er. Deshalb hofft Schneider, dass die Regierungen in den betroffenen Ländern die Christen dort in Zukunft besser schützen. "Und ich hoffe, dass auch die muslimischen Autoritäten noch viel deutlicher auftreten und gegen diesen Hass, gegen diese Fanatiker, predigen werden."
"Historische Verbundenheit zwischen Muslimen und Kopten"
Solidaritätsbekundungen kommen auch von muslimischer Seite. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat eine Delegation geschickt, die vor der Messe von Pater Boules Shehata persönlich begrüßt wird. In einer Ansprache vor der gesamten Gemeinde verurteilt der Vorsitzende des Zentralrats, Ayman Mazyek, das Attentat in Alexandria. Er betont die tiefe Verbundenheit und die besondere historische Beziehung zwischen Muslimen und koptischen Christen: "Abessinische Kopten waren es, die der ersten muslimischen Gemeinde, der Gemeinde Mohammads, Asyl gewährten", erinnert Mazyek. Das würden die Muslime niemals vergessen, es bleibe im Kollektivgedächtnis.
Der Sprecher des Zentralrats der Muslime, Karim Moustafa, verurteilt das Attentat von Alexandria. Den Vorwurf einiger deutscher Politiker weist er zurück, der Zentralrat habe sich nicht deutlich und schnell genug vom Anschlag distanziert: "Aus welchen Gründen auch immer, vielleicht aus wahltaktischen, haben es sich leider manche Politiker nicht nehmen lassen, den Muslimen eins mitzugeben." Nicht erst heute hätten sich die Muslime zu den Terrorakten vom Sylvesterabend geäußert, sondern direkt nach der Tat.
Angespannte Atmosphäre nach dem Gottesdienst
Zeichen der Verbundenheit und Worte des Trostes kommen nicht nur von offizieller muslimischer Seite. Eine ägyptische Studentin, die in Deutschland Koptologie studiert, tritt nach der Predigt vor die Gemeinde und hält eine kurze Rede. Die junge Frau kommt aus Alexandria und ist Stipendiatin einer katholischen Organisation. Unter Tränen erzählt sie, wie sehr es ihr weh tue, solche schrecklichen Nachrichten aus Alexandria zu hören. Auch als Muslima sei es für sie schmerzhaft, mitzuerleben, wie Christen in Ägypten oft diskriminiert und verfolgt werden.
Nach der Messe ist die Stimmung in der Düsseldorfer Gemeinde eher angespannt. Normalerweise versammelt sich die Gemeinde nach dem Gottesdienst zu einem gemeinsamen Weihnachtsessen. Doch dieses Jahr bekommen die Gläubigen beim Verlassen der Kirche nur eine kleine Tüte mit Keksen und einem Bibelvers. Der Verzicht auf Feierlichkeiten soll ein Zeichen der Trauer und der Solidarität mit den Opfern und Verletzten von Alexandria sein.
Doch so sehr der blutige Anschlag die in Deutschland lebenden Kopten traurig und besorgt macht – dieses Ereignis habe sie näher zusammenrücken und sich auf ihren Glauben zurückbesinnen lassen, sagt der Ägypter Bassem Mikhail, ein junger Arzt aus Bochum. Für ihn ist Weihnachten ein Fest der Freude, das er mit seiner Gemeinde auch feiern möchte. Sein Glaube gebe ihm die Stärke, diese schwierige Zeit zu durchstehen. Vor allem für das Liturgische und das Seelische sei er heute Abend gekommen, sagt Bassem Mikhail. "Und niemand wird uns davon abhalten, das wir das feiern.“
Autor: Nader Alsarras
Redaktion: Sven Töniges