„Weil sie uns versteht“
23. Oktober 2019Ein Schwätzchen hier, ein Grußwort dort und immer wieder Hände schütteln. Buumba Malambo ist in ihrem Element. Gewöhnlich ist das 2.000-Seelen-Dorf im Kafue-Distrikt ein ruhiger Flecken, keine 100 Kilometer von der sambischem Hauptstadt Lusaka entfernt. Doch wenn die junge Abgeordnete kommt, wollen alle sie sehen – die junge Frau mit ihren bunten Kopftüchern, die nach Jahren des Stillstands wieder Leben und Entwicklung in diese abgeschiedene Region Sambias gebracht hat.
Wenn sie in den Dörfern ihres Wahlkreises Magoba unterwegs ist, trägt Malambo stets Kopftuch mit traditionellen Mustern und Farben. Ein Zeichen des Respekts, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. „Hier in Sambia haben wir Fotos auf den Wahlzetteln. Die Frauen haben immer gesagt: Macht euer Kreuz bei der mit dem Kopftuch“, erklärt Malambo, während sie zum nächsten Grüppchen eilt, um Hallo zu sagen.
Dort sitzt Media Simonga, fast 80 Jahre alt. Eine bekennende Wählerin Malambos, die sie nicht nur wegen ihres Kopftuchs schätzt. „Uns Frauen hat noch nie jemand gefragt, was wir wollen. Wir haben sie gewählt, weil sie eine Frau ist. Weil sie uns versteht“, erklärt Simonga.
Von der Aktivistin zur Politikerin
Politik wird auch in Afrika weiterhin von Männern dominiert. Buumba Malambo gehört zu den Ausnahmen. 2016 wurde sie als Sambias jüngste Repräsentantin in das Regionalparlament des Kafue-Distrikts gewählt. Seitdem hat die 26-Jährige einiges angepackt: 300 Mädchen erhielten Schulkleidung und ein Bildungsstipendium. Schulen und Kliniken wurden renoviert. Ein Polizeiposten wurde eingeweiht. Und derzeit sammelt Malambo Mittel für den Bau einer kleinen Geburtsklinik – es wäre die einzige weit und breit. Wenn man sie auf ihre Erfolge anspricht, ist sie ganz die professionelle Politikerin: „Ich möchte ein Afrika, in dem Frauen und Mädchen in Würde leben. Das fängt mit der Geburt an.“
Ihre Karriere als Volksrepräsentantin kam eher unverhofft. Malambo studierte Sozialarbeit in Lusaka und machte ein Praktikum in Magoba. Dort erlebte sie, wie Mädchen mit 13, 14 Jahren die Schule verließen und heirateten – ohne Abschluss, ohne Perspektive. Um sie länger in der Schule zu halten, sammelte Malambo via Social Media Schulbücher und Uniformen. Freunde und Bekannte aus Lusaka spendeten. Als dann der Platz im Regionalparlament frei wurde, forderten die Frauen im Dorf Malambo auf zu kandidieren.
Auch die Männer ins Boot holen
Frauen sind in Sambias Parlamenten nur marginal vertreten: 18 Prozent sind es auf nationaler Ebene und nur neun Prozent in den Regionen. In Kafue sitzt Malambo als eine von zwei Frauen in der Volksvertretung – ohne Kopftuch, dafür im Hosenanzug und mit modischem Kurzhaarschnitt. Beim Eintreten salutieren die Sicherheitskräfte. Unlängst wurde die junge Politikerin zur Vizevorsitzenden des Distrikt-Parlaments und zur Vorsitzenden des Finanzausschusses gewählt.
Als Honorable Chair of Finance beginnt Malambo eine Ausschusssitzung, als ein männlicher Kollege verspätet hereinplatzt. Jovial spricht er Malambo mit ihrem Vornamen an: „Buumba, lass uns doch später über die Finanzen reden.“ Unter Johlen der übrigen Sitzungsteilnehmer verweist Malambo ihn des Saales. Angriffe auf ihre Autorität kann sie nicht zulassen. „So etwas bekomme ich oft zu hören. Männliche Kollegen in meinem Alter können es einfach nicht ertragen, dass ich schon all diese Positionen innehabe. Die denken, sie hätten ein Geburtsrecht darauf.“
Solche Episoden hakt Malambo ungerührt ab. 2021 wird wieder gewählt. Bis dahin möchte sie, dass die Geburtsklinik steht. Ihr nächstes großes Ding ist eine schlaglochdurchsiebte Schotterpiste, die endlich durch eine asphaltierte Straße ersetzt werden soll. Zu einseitig dürfe sie sich nicht auf die Frauen verlassen, meint Malambo. Auch die Männer müsse sie mit ins Boot holen.
77 Prozent der afrikanischen Bevölkerung sind jünger als 35. Die Deutsche Welle gibt dieser jungen Mehrheit eine Stimme und eine Adresse für den Dialog: In dem Multimedia-Projekt The 77 Percent greift die DW die Themen auf, die junge Menschen bewegen – lebendig, jung, politisch, kritisch. Als Radioformat, TV-Magazin und Online-Präsenz. Jede Woche eine neue Debatte, auf sechs Plattformen, in sechs Sprachen: Amharisch, Englisch, Französisch, Haussa, Kisuaheli, Portugiesisch. Auch die „Street Debates“ vor Ort sind ein Kernelement des Projekts. Dieser unmittelbare Dialog mit dem Publikum stößt auf großes Interesse, ob in Kampala (Uganda), Mamou (Guinea) oder Accra (Ghana).