Weitergabe von Passagierdaten illegal
31. Mai 2006Für den Beschluss des Ministerrats, mit dem ein Abkommen zur Übermittlung der Daten an die USA genehmigt wurde, gibt es laut Urteil vom Dienstag (30.5.2006) keine geeignete Rechtsgrundlage. Das gleiche gelte für eine Entscheidung der EU-Kommission, die einen angemessenen Datenschutz in den Vereinigten Staaten feststellte. Das Europa-Parlament hatte gegen die beiden Beschlüsse vom Mai 2004 vor dem EuGH geklagt.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 erließen die USA Vorschriften, wonach amerikanische Behörden die Daten aller Flugpassagiere überprüfen sollen, die in, aus oder über das Gebiet der Vereinigten Staaten fliegen. Die Europäische Kommission sah mögliche Konflikte mit dem Datenschutz und verhandelte deshalb mit den USA. Nach dem danach geschlossenen Abkommen müssen die europäischen Fluggesellschaften ihre Flugdatensätze an die amerikanische Kontrollbehörde übermitteln, im Gegenzug sichern die USA einen nach Einschätzung der Kommission ausreichenden Datenschutz zu. Der Rat der EU billigte dies, das Abkommen wurde am 28. Mai 2004 in Washington unterzeichnet.
Drei Monate Kündigungsfrist
Dagegen klagte das Europäische Parlament: Die Privatsphäre der Fluggäste sei nicht ausreichend gewahrt, zudem habe das Parlament vor dem Vertragsabschluss stärker beteiligt werden müssen. Der EuGH ließ diese Fragen jedoch offen und stellte fest, dass Kommission und Rat das Abkommen nicht auf eine ausreichende rechtliche Grundlage stellten (Az: C-317/04 und C-318/04). Die Passagierdaten würden erhoben, um die Flüge ordnungsgemäß abwickeln zu können. Die Verarbeitung dieser Daten zur Bekämpfung des Terrorismus sei von der europäischen Datenschutzrichtlinie nicht gedeckt. Als Konsequenz muss die Kommission das Abkommen im kommenden Monat kündigen; die vertragliche Kündigungsfrist beträgt 90 Tage.
Offen bleibt dem EuGH zufolge, ob es im europäischen Recht überhaupt eine Grundlage für solch ein Abkommen gibt. Der Generalanwalt beim EuGH, Philippe Léger, hatte im November in einem Rechtsgutachten von einer "heiklen Frage" gesprochen, diese aber ebenfalls nicht beantwortet. Wenn diese Antwort nicht erfolgt, müsste jedes EU-Land einzeln mit den USA verhandeln.
Zunächst keine Änderung
Auch nach dem Urteil werden die Fluggesellschaften ihre bisherige Praxis voraussichtlich vorerst nicht ändern. "Für den Passagier wird sich vorerst nichts ändern. Die Fluggesellschaften werden der Forderung der USA, die Passagierdaten weiterzugeben, nachkommen müssen", sagte Martin Gaebges, Generalsekretär des Verbandes Barig, der mehr als 100 in Deutschland aktive Fluggesellschaften vertritt. Solange die US-Behörden Flugzeugen die Landerechte verweigerten, wenn von Passagieren Fluggastdaten nicht vorlägen, bleibe den Fluggesellschaften nichts anderes übrig, sagte Gaebges.
Die Europäische Kommission und die US-Regierung müssten nach der Gerichtsentscheidung nun klären, ob die USA künftig auf die Daten verzichten oder aber in Europa dafür eine Rechtsgrundlage geschaffen werde. "Derzeit sitzen die Fluggesellschaften zwischen den Stühlen", sagte Gaebges. Es sei davon auszugehen, dass das Urteil des EuGH nicht umgehend rechtskräftig werde, um das weitere Vorgehen für die Fluggesellschaften zwischen Europa und den USA klären zu können. (stl)