1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Weißrussische Polizei löst Protestaktion auf

13. Juni 2011

Proteste sind im autoritär regierten Weißrussland eher selten. Umso mehr fällt auf, wenn hunderte wütende Autofahrer einen Grenzübergang nach Polen blockieren. Die Polizei ließ nicht lange auf sich warten.

https://p.dw.com/p/11ZZn
Ein protestierender Autofahrer in Weißrussland (Foto: dpa/picture alliance)
Ein protestierender Autofahrer in WeißrusslandBild: picture alliance / dpa

Die Polizei in Weißrussland ist mit Tränengas gegen schätzungsweise 300 Autofahrer vorgegangen, die gegen die Rationierung von Benzin und andere Beschränkungen protestiert haben. 15 Fahrer wurden festgenommen, wie die Polizei am Montag (13.06.2011) mitteilte. Sie hatten sich an einer Protestaktion am späten Sonntagabend beteiligt, bei der sie einen Grenzübergang im Westen des Landes stundenlang blockierten.

Betroffen war die Schnellstraße zwischen Grodno in Weißrussland und Bialystok in Polen. Den Festgenommenen wird Störung der öffentlichen Ordnung und Widerstand gegen die Sicherheitskräfte vorgeworfen. Die protestierenden Autofahrer hatten eine Menschenkette gebildet und dabei patriotische Lieder gesungen. Auf Handy-Videos war zu sehen, dass einige von ihnen Polizisten beschimpften.

Kurz vor der Pleite

Wegen der Inflation tauschen viele Weißrussen ihre Rubel gegen ausländische Währungen, so wie hier in der Belarusbank (Foto: dpa)
Wegen der Inflation tauschen viele Weißrussen ihre Rubel gegen harte WährungenBild: picture alliance/dpa

Weißrussland befindet sich derzeit in der schwersten Finanzkrise seit dem Untergang der Sowjetunion und ist stark auf ausländische Kredite angewiesen. Anlass zur Sorge bereitet unter anderem die massive Entwertung des weißrussischen Rubels. Die Inflationsrate stieg nach amtlichen Angaben zwischen Januar und Mai um 25,4 Prozent.

Am Samstag verhängte die autoritäre Regierung des seit 17 Jahren herrschenden Staatschefs Alexander Lukaschenko Exportbeschränkungen für Lebensmittel und Industriegüter, um den Abfluss relativ günstiger weißrussischer Produkte ins Ausland einzudämmen. Mit der Neuregelung will die Regierung unter anderem den Schmuggel von Treibstoff ins Ausland unterbinden. Derzeit ist Benzin in Weißrussland etwa 30 Prozent billiger als im benachbarten Polen.

Autofahrer sind besonders protestfreudig

Auch in Minsk haben Autofahrer vor kurzem einen Boulevard lahmgelegt (Foto: dpa/picture alliance)
In Minsk haben Autofahrer vor kurzem einen Boulevard lahmgelegtBild: picture alliance / dpa

Erst am 8. Juni hatte Lukaschenko nach dem Protest empörter Autofahrer überraschend die Benzinpreise senken lassen. Damit machte der oft als "letzter Diktator Europas" kritisierte Präsident eine 30-prozentige Erhöhung der Preise rückgängig, die erst am Vortag in Kraft getreten war. Aus Wut über die Benzinpreiserhöhung hatten Dutzende Autofahrer die Hauptverkehrsstraße der Metropole Minsk blockiert. Die Staatsmacht nahm zahlreiche Menschen fest. In Weißrussland werden regierungskritische Demonstrationen strikt unterbunden.

Symptomatisch für die prekäre Finanzlage ist der Fakt, dass Weißrussland am Freitag den kompletten Verkauf des Düngemittelherstellers Belaruskali für 30 Milliarden US-Dollar in Aussicht gestellt hat. "Legen Sie mir das Geld auf den Tisch, dann sind Sie morgen Chef des Unternehmens", sagte Staatspräsident Alexander Lukaschenko in Minsk. Nach Medienberichten soll der russische Oligarch Sulejman Kerimow vor einer Beteiligung am drittgrößten Kali-Hersteller der Welt stehen.

Präsident Alexander Lukaschenko (Foto: AP)
Beginnt Präsident Lukaschenko mit dem Verkauf des Tafelsilbers?Bild: AP

"Es gibt Interessenten, aber es wird nicht billig", sagte Lukaschenko nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Belapan. "Mit 30 Milliarden Dollar können wir drei andere Unternehmen wie Belaruskali mit neuer Technologie aufbauen und haben noch Geld übrig für das Volk."

IWF und Russland machen Druck

Bisher hieß es, die Führung in Minsk wolle höchstens die Hälfte des Unternehmens verkaufen. Zuletzt forderten aber Russland und der Internationale Währungsfonds (IWF) von Weißrussland, im Kampf gegen den Staatsbankrott verstärkt Staatsvermögen zu verkaufen. Erst in der Vorwoche hatte Russland wegen unbezahlter Rechnungen von 1,5 Milliarden Rubel (etwa 37 Millionen Euro) zeitweise Stromlieferungen an Weißrussland reduziert.

Autor: Reinhard Kleber (dpa, dapd, afp, rtr)
Redaktion: Eleonore Uhlich