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Welter: "Zölle dämpfen den Solarausbau"

Gero Rueter16. September 2013

Die Solarenergie boomt, EU-Strafzölle sorgen für Unruhe und Firmen gehen Pleite. Was ist los in der dynamischen Branche? Muss man sich Sorgen machen? Eigentlich nicht, meint Solarexperte Philippe Welter im DW-Gespräch.

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Philippe Welter, Herausgeber vom Solarstrom-Magazin Photon (Foto: Photon)
Solarexperte Philippe Welter sieht Zölle als Bremse beim Ausbau der Photovoltaik in der EUBild: Frederic Neema/photon-pictures.com.

Deutsche Welle: Herr Welter, chinesische Solarunternehmen erhalten hohe Subventionen. Diese finanzielle Unterstützung wird stark kritisiert und dafür verantwortlich gemacht, dass in Deutschland, ja in ganz Europa viele Solarunternehmen pleite gehen, weil sie ihre Produkte nicht so billig anbieten können wie ihre chinesischen Konkurrenten. Wie schätzen Sie das ein?

Philippe Welter: Man muss das ganze Bild sehen. Viele europäische Anbieter von Solarprodukten haben in ihrer Aufbauphase verbilligte Grundstücke bekommen, sie haben hohe Zuschüsse für den Bau der Fabriken bekommen. Es hat teilweise sogar Zuschüsse zu den Löhnen gegeben, wenn man in strukturschwachen Regionen Langzeitarbeitslose eingestellt hat. Ich will nicht sagen, dass die Diskussion scheinheilig ist, aber man muss schon den Vergleich zu den europäischen Produzenten ziehen, die ähnliche Vergünstigungen bekommen haben. Also, man muss die Kirche im Dorf lassen!

Aber es gibt schon einen Überlebenskampf in der Photovoltaikindustrie ...

Ja. Die europäische Photovoltaikindustrie hat einen taktischen Fehler gemacht, das war um die Jahre 2007, 2008, 2009 herum. Man hat damals selber nicht geglaubt, wie schnell sich der europäische Solarmarkt entwickeln würde und war deshalb sehr zurückhaltend beim Ausbau von Produktionskapazitäten. Chinesische Hersteller hatten da eine andere Einschätzung der Marktentwicklung und bauten wesentlich schneller größere Kapazitäten auf. Jetzt haben sie größere Fabriken, können günstiger einkaufen und haben im Zweifelsfall modernere Produktionsanlagen.

Es ist ein Wettrennen und wenn man zu den Großen gehören und vorne dabei bleiben will, ist man gezwungen, ständig neu zu investieren. Wer zwischendurch eine Pause einlegt, gerät automatisch ins Hintertreffen.

Also einfach Pech für die europäische Solarindustrie? Wie sehen Sie deren Zukunft?

Man muss da unterscheiden. Wir haben eine sehr große Rohstoffindustrie, wir haben zum Beispiel einen der weltweit größten Hersteller von Solarsilizium mitten in Deutschland - die Firma Wacker, die auch nach China große Mengen liefert. Und wir haben - das ist eigentlich auch die deutsche Kernkompetenz - den Maschinen- und Anlagenbau, der im Solarbereich wirklich zur absoluten Weltspitze gehört. Wenn man sich eine gute Produktionsanlage kaufen will, dann kauft man die in aller Regel in Deutschland.

Es heißt, China strebe bei der Solarmodulherstellung ein Monopol an. Wie  schätzen Sie das ein?

Meine Wahrnehmung der Situation ist folgende: China hat einen enormen Nachholbedarf an wirtschaftlicher, industrieller Entwicklung und damit einen extremen Bedarf an Energie. Das ist lange Zeit über dreckige Kohlekraftwerke gelöst worden. Aber man weiß eben auch, dass die Kohlevorräte nicht ewig reichen und der häufige Smog nicht gesund ist.

Deswegen entwickelt China für sich eine Erneuerbare-Energie-Strategie, bei der die Photovoltaik neben der Windenergie die zweitwichtigste Rolle spielt. Und dafür muss China für sich riesige Produktionskapazitäten aufbauen.

Werden die von der EU verhängten Strafzölle die angeschlagene Branche in Europa weiter gefährden?

Es werden sich dadurch weniger Anlagen rechnen und das wird die schwache Nachfrage in Europa noch einmal dämpfen. Das wird viele Betriebe der Solarbranche zwar nicht unbedingt die Existenz kosten, sie aber zumindest zwingen, stark Personal abzubauen. Ob durch die Zölle wirklich ein Solarmodul- oder Solarzellhersteller gerettet wird, das möchte ich infrage stellen. Denn wenn es sich für einen Bauherren nicht mehr rechnet, eine Solaranlage aufs Dach zu setzen, weil chinesische Module wegen Zöllen zu teuer sind, dann wird es sich auch nicht rechnen, ein gleichteures deutsches Modul aufs Dach zu setzen.

Das Institut Prognos sagt, dass etwa 200.000 Arbeitsplätze in Europa verloren gehen könnten. Halten Sie das für realistisch?

Wenn die vorläufigen Zölle als dauerhafte Zölle kommen, dann ist dieses Szenario nicht von der Hand zu weisen.

Die Zölle gelten vorläufig bis Dezember. Was bedeutet das für die Branche?

Sechs Monate Hängepartie. Dann wird man sehen müssen, wie es weitergeht. Im Moment sieht es so aus, dass es wohl nicht zu dauerhaften Zöllen kommt, zumindest wenn das derzeitige Abstimmungsverhältnis so bleibt, wie es ist. Aktuell sind 17 Staaten in der EU gegen Zölle, das heißt, es würde dann nicht zu dauerhaften Zöllen kommen. Aber in den sechs Monaten wird mit Sicherheit sehr viel Porzellan zerschlagen.

Philippe Welter ist Herausgeber von Photon. Das Solarstrom-Magazin erscheint in den Sprachen Deutsch, Englisch, Mandarin und Italienisch und gilt als das führende Fachmagazin für Solarenergie in der Welt.