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Kein Hunger mehr

Bernd Riegert, z. Zt. Rom19. November 2014

Die Vereinten Nationen erklären in Rom feierlich, dass Hunger und Mangelernährung beseitigt werden sollen. Doch der Aktionsplan ist unverbindlich und könnte ohne Wirkung bleiben, berichtet Bernd Riegert aus Rom.

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Unterernährtes drei Monate altes Baby (Foto: picture-alliance/dpa/EPA/Yahya Arhab)
800 Millionen Menschen sind unterernährt - auch dieses drei Monate alte Baby im JemenBild: picture-alliance/dpa/EPA/Yahya Arhab

Millionen von Menschen sterben jedes Jahr, weil sie nicht genug zu essen bekommen. Millionen werden krank und sterben früher, weil sie zu viel und das Falsche essen. "Daraus kann man ja nur den Schluss ziehen, dass das ganze Ernährungssystem der Welt aus den Fugen geraten ist und dringend repariert werden muss", sagte die Chefin der Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO), Margaret Chan, bei der Eröffnung der zweiten "Internationalen Ernährungskonferenz" in Rom. Vertreter von 190 Staaten und Organisationen verabschiedeten die "Erklärung von Rom" zur Welternährung und das dazu passende Aktionsprogramm. Feierlich gelobten die Staaten der Welt bis 2025 den Hunger, an dem rund 800 Millionen Menschen nach wie vor leiden, zu beseitigen. Zwei Milliarden Menschen weltweit mangelt es an gesunder Nahrung mit allen lebenswichtigen Bestandteilen. Immerhin schon 500 Millionen Menschen essen viel zu viel, zu fett, zu süß und zu salzig. Sie sind fettleibig. Hunger und Überfluss seien die zwei Seiten der gleichen Medaille, so Chan.

Zahnlose "Erklärung von Rom"?

Margaret Chan von der WHO kritisiert, dass es für viele Länder in Afrika und Asien inzwischen billiger und bequemer ist, Nahrungsmittel zu importieren als sie selbst zu produzieren. Nichtregierungsorganisationen wie die deutsche Aktion "Brot für die Welt" haben allerdings starke Zweifel, ob die unverbindliche Erklärung des Welternährungsgipfels von Rom daran viel ändern wird. "Die Rom-Erklärung ist zahnlos. Es könnten Milchzähne wachsen, wenn es gelingt, bei der Überwachung der Maßnahmen von Rom dann entsprechend auch die Bevölkerung so zu beteiligen, dass die Betroffenen, Kleinbauern, Fischer, Eingeborene auch ein Wörtchen mitzureden haben", sagte Sascha Hach, Vertreter von "Brot für die Welt" in Rom, der Deutschen Welle.

Porträt von Sascha Hach (Foto: DW/Bernd Riegert)
Sascha Hach: Ziele müssen überwacht werdenBild: DW/Bernd Riegert
Infografik Welthunger-Index 2014

Die Welternährungskonferenz in Rom gibt 80 Empfehlungen für die Politiker weltweit ab, wie Nahrung besser erzeugt und verteilt werden kann. Zu den Empfehlungen gehören besserer Zugang zu sauberem Wasser, zu Toiletten und zu ausreichendem Gesundheitssystem. Bildungsprogramme für ausgewogene Ernährung gehören ebenso dazu wie gerechte Handelssysteme in einer globalisierten Welt. Bei Freihandelsabkommen sollten immer die Konsequenzen für die Nahrungsmittelversorgung beachtet werden, fordert die römische Erklärung. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, bat die Vertreter der Regierungen, sich an diese Verpflichtungen auch zu halten und sie in Politik umzusetzen: "Wir müssen unsere Anstrengungen jetzt verdoppeln. Ich freue mich auf die Verpflichtungen, die jeder von Ihnen hier abgeben wird. Im Gegenzug verspreche ich, dass das System der Vereinten Nationen jede Unterstützung geben wird, die wir leisten können." Der Vertreter des Jemen räumte ein, dass in seinem krisengeschüttelten Land fast die Hälfte aller Bewohner nicht richtig ernährt würde. Der Jemen allein brauche eine Milliarde US-Dollar an Hilfen von der internationalen Gemeinschaft. Ein positives Bespiel ist Brasilien. Dort wird es nach Einschätzung der Vereinten Nationen durch wirtschaftliches Wachstum, Schulspeisung und öffentliche Bildungsprogramm möglich sein, Hunger auszurotten.

Interessenkonflikte in der Landwirtschaft

Die hochentwickelten Staaten müssten auch mehr tun, fordern Hilfsorganisationen wie "Brot für die Welt" aus Deutschland. Die Landwirtschaft sei weltweit immer mehr industrialisiert worden. Großkonzerne drückten ihre Produkte in die Märkte der Entwicklungsländer und bedrohten die lokale Nahrungsmittelerzeugung, kritisiert Sascha Hach von "Brot für die Welt" in Rom: "Es gibt große Interessenkonflikte. Der Nahrungsmittelmarkt ist auch ein großer Absatzmarkt für die Industrie. Der internationale Handel schadet sehr stark der lokalen Nahrungsmittelproduktion, auf die es vor allem auch ankommt, um Mangelernährung zu beseitigen." Viele Regierungen in betroffenen Ländern machten aber auch Fehler, wenn sie zum Bespiel den großen Nahrungsmittelkonzernen und den Versprechungen des globalisierten Handels blind folgten.

Hunderte Delegierte bei der Welternährungskonferenz (Foto: picture alliance/AP/Riccardo De Luca)
Hunderte Delegierte beraten in RomBild: picture alliance/AP/Riccardo De Luca

Der Landwirtschaftsminister von Ost-Timor, Assanami Sabino, sagte vor den Delegierten, dass sein Land noch viel Arbeit vor sich habe, um Nahrung gerechter und effizienter zu erzeugen und zu verteilen. "Allgemein gilt, dass Nahrung in unserem Land erhältlich und zugänglich ist, obwohl unsere eigene Nahrungsmittelerzeugung nicht ausreicht, um den jährlichen Bedarf zu decken. Es gibt immer noch Gemeinden und Regionen, wo die Menschen unter Nahrungsmittelknappheit leiden, obwohl wir versuchen, das mit Importen auszugleichen", so Assanami Sabino. Das werde Ost-Timor in den kommenden Jahren ändern, versprach der Minister.

Es gibt auf der Welt genügend Nahrungsmittel, um alle zu ernähren. An diese Erkenntnis erinnerte der Direktor der Ernährungsbehörde der Vereinten Nationen, Jose Graziano da Silva, die Vertreter aus aller Welt in Rom. Schon bei der ersten Gipfelkonferenz zur Ernährung vor 22 Jahren - ebenfalls im Gebäude der FAO - sei das festgestellt worden. Es gebe leichte Fortschritte, aber vom generellen Ziel, den Hunger der Menschheit abzustellen, sei man noch weit entfernt.

Porträt von Jose Graziano da Silva (Foto: Alberto Pizzoli/AFP/Getty Images)
Chef der FAO: Jose Graziano da SilvaBild: Alberto Pizzoli/AFP/Getty Images

"Wir müssen kämpfen als ginge es um unser eigenes Leben"

Die Vertreterin der wohlhabenden Vereinigten Arabischen Emirate, Prinzessin Haya Bint Al Hussein, schilderte ihre ganz persönlichen Erlebnisse als UN-Botschafterin in Afrika. Sie habe dort verhungerte Kinder in den Armen ihrer unterernährten Mutter sterben sehen. Das werde sie niemals vergessen, so die Prinzessin. Dieses Drama gehe auch die Reichen an, sagte sie. Man müsse handeln, trotz der vielen Konflikte in der Welt, die zur höchsten Zahl von Flüchtlingen geführt hat, die die Welt je gesehen habe. Eine ungerechte Verteilung der Ressourcen sei auch für die wohlsituierten Staaten wie ihren eigenen eine existenzielle Gefahr, weil die globale Sicherheit bedroht sei. "Das ist der Anfang: Wir müssen anerkennen, dass wir nicht nur Millionen von Leben retten können, sondern dass wir uns auch selbst retten. Wir müssen den Hunger so bekämpfen als ginge es um unser eigenes Leben. Wir müssen die Nationen der Welt davon überzeugen, dass sie so viel für Nahrungsmittelhilfen ausgeben wie für Waffenkäufe", sagte Prinzessin Haya Bint Al Hussein. Das wären rund 1000 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Am Donnerstag wird Papst Franziskus zu den Delegierten sprechen. Bereits auf der ersten Konferenz zur Welternährung im Jahr 1992 trat das Oberhaupt der katholischen Kirche auf, damals noch Papst Johannes Paul II. Die Organisatoren der Konferenz erhoffen sich vom Auftritt des Papstes einen moralischen Anstoß und mehr Interesse für das Thema in der Öffentlichkeit. Die Hungerkatastrophe fordere mehr Menschenleben als alle andere Katastrophen und Kriege in der Welt. Dennoch sei ihre Überwindung so schwer.