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Welthungerhilfe: "Dürre bedroht Millionen"

Esther Felden17. Juni 2015

Kein Regen, keine Ernten: Nordkorea ist offenbar akut von einer neuen Hungersnot bedroht. Wie die Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe die Lage vor Ort beurteilen, schildert Pressesprecherin Simone Pott.

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Welthungerhilfe Nordkorea
Bild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Die nordkoreanischen Staatsmedien berichten, dass das Land derzeit die schlimmste Dürre seit 100 Jahren erlebt. Solche Meldungen lassen sich von außen nicht so leicht nachprüfen. Die Welthungerhilfe ist eine von nur wenigen Organisationen im Land. Seit mehr als 15 Jahren sind Sie in Nordkorea tätig. Inwieweit haben Sie von Ihren Mitarbeitern vor Ort etwas mitbekommen von einer solchen Dürre?

Simone Pott: In der Tat ist die Situation vor Ort sehr, sehr angespannt durch die Dürre. Es gab Anfang Juni eine sogenannte "Fact-finding-Mission", eine Reise von Vertretern von UN-Organisationen, Hilfsorganisationen und nordkoreanischen Behörden in einzelne Gebiete im Süden des Landes. Die Situation, die sich dort darbot, war schon sehr dramatisch. Die Dürre führt zu großen Problemen im Land. Etwa 18 Millionen Menschen sind davon derzeit betroffen. Und wir gehen davon aus, dass die Situation vor allem im Norden des Landes - wo die Anbaubedingungen nicht so günstig sind wie im Süden - wahrscheinlich noch sehr viel schlimmer sein wird.

Wie gravierend wären die Auswirkungen einer solchen Dürre für die Menschen im Land? Bestünde die Gefahr, dass es zu einer vergleichbaren Hungerkatastrophe kommt wie in den 90er Jahren – als Schätzungen zufolge hunderttausende Menschen starben?

Also solche Vergleiche sind in Nordkorea sehr schwierig anzustellen. Die Welthungerhilfe ist selbst Ende der 90er Jahre in das Land gekommen, als die die Situation ziemlich kritisch war. Ob man das jetzt mit damals vergleichen kann, ist schwer zu sagen. Dafür müsste man im Grunde genommen einen Überblick über das ganze Land sowie gesicherte Informationen und Statistiken haben. Das gibt es leider bislang nicht. Es gab jetzt, wie gesagt, diese gemeinsame Reise, wo bestimmte Gebiete besichtigt wurden und wo man ganz gutes Material hat. Aber ich denke, den landesweiten Überblick hat im Moment kein Außenstehender.

Normalerweise ist die nordkoreanische Führung ja darauf bedacht, nach Möglichkeit nicht den Eindruck zu erwecken, dass sie Hilfe von außen benötigt. Auch, wenn das Land traditionell auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen ist. Wie ist es zu erklären, dass die nordkoreanische Regierung jetzt damit an die Öffentlichkeit gegangen ist?

Porträt Simone Pott
Simone PottBild: Eva Haeberle

Den Grund können wir nicht einschätzen. Es ist sicherlich so, dass die Lage jetzt durchaus schwieriger und dramatischer ist als in den letzten Jahren. Es war immer schon so, dass eine gewisse Nahrungsmittelknappheit und Nahrungsmittelunsicherheit im Land geherrscht haben. Einige haben immer schon von Hungerzahlen gesprochen. Wir waren da sehr vorsichtig. Wir wissen, dass es ein strukturelles Nahrungsmitteldefizit gab. Und das hat sich durch diese Dürre jetzt massiv verstärkt. Das wäre in jedem anderen Land genauso. Und damit sind in solchen Ländern dann auch die nationalen Einrichtungen überfordert. Ich glaube, dass Nordkorea erkannt hat, dass es jetzt an einem Punkt ist, an dem es allein dieses Problem nicht wird lösen können.

Zielen die Meldungen darauf ab, mehr internationale Hilfe ins Land zu holen?

Auf jeden Fall. Es gab wie gesagt diese Mission auch mit UN-Vertretern, und es ist relativ klar, dass es jetzt Hilfe geben, und dass es im Grunde genommen ein gemeinsames Vorgehen geben muss. Man braucht noch mehr Daten aus dem Rest des Landes, und dann muss es einen gemeinsamen Plan geben, wie man diese akute aktuelle Notlage lindert, aber wie man vielleicht auch strukturell versuchen kann, dort Dinge zu verbessern. Denn Dürreperioden aufgrund des Klimawandels wird es immer wieder geben. Es wird auch zu stärkeren Fluten kommen. Auch das hat Nordkorea schon erlebt: Starke Regenfälle, die dann zu Überschwemmungen geführt haben. Und da muss es darum gehen, strukturelle Verbesserungen zu erreichen.

Wie könnten diese strukturellen Verbesserungen aussehen?

Indem man z.B. ein anderes Management der landwirtschaftlich genutzten Fläche überlegt. Die Welthungerhilfe ist gerade dabei, für sehr prekäre Hanglagen, wo noch Anbau betrieben wird, mit den Menschen gemeinsam neue Landnutzungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Es muss vielleicht auch weiterhin darum gehen, andere Formen von Gemüseanbau zu nutzen, wo der Wasserverbrauch deutlich geringer ist. Also es geht schon darum, im Land eine strukturell bessere Anbausituation von Nahrungsmitteln zu schaffen.

Wie schwierig ist es denn in einem derartigen Umfeld zu arbeiten? Nordkorea ist ja kein Land wie viele andere, sondern sehr restriktiv und die Mitarbeiter sind immer in Begleitung, werden von den Behörden sozusagen auf Schritt und Tritt überwacht. Was können sie dazu sagen?

Also die Welthungerhilfe arbeitet schon seit fast 20 Jahren in Nordkorea und hat dort auch ohne Unterbrechung gearbeitet. Wir haben festgestellt, dass im Rahmen der Möglichkeiten, die dieses Land bietet - es ist natürlich nicht mit anderen Ländern zu vergleichen - eine sehr erfolgreiche Arbeit möglich ist, die eben auch am Ende das bewirkt, was wir wollen, nämlich die Nahrungssituation und die Ernährungssituation zu verbessern. Natürlich ist das im Falle von Nordkorea auch ein ständiges Diskutieren und Ringen mit den staatlichen Stellen, wo man hinfahren kann, welche Projekte man besuchen kann, ob man angemeldet sein muss und ähnliches. Das sind sehr intensive Diskussionen, die man führen muss, aber das gehört in diesem Land eben auch dazu.

Jetzt sind sie selber, als Welthungerhilfe, auch in diesem Jahr mit Problemen konfrontiert worden, die typisch für das Land sind. Die Leiterin des Nordkorea Programms wurde in diesem Frühjahr ausgewiesen. Was ist da der Stand der Dinge, wie ist es da weiter gegangen?

Wir haben mit den nordkoreanischen Behörden diesen Fall sehr intensiv und auch auf sehr hochrangingen Ebenen besprochen. Wir sind gerade dabei, die Stelle neu zu besetzen. Es gab jetzt erst einmal intern ein Auswahlverfahren, weil es eben nicht so viele Menschen gibt, die bereit sind, nach Nordkorea zu gehen und auch geeignet dafür sind. Sobald der neue Kandidat feststeht, den wir hier aussuchen, gehen wir davon aus, dass dann relativ unproblematisch die Ausreise erfolgen wird und wir dann dort auch einen Teil der Projekte, die im Moment nicht durchgeführt werden können, wieder aufnehmen.

Bedeutet das, das die Ausweisung Gründe hatte, die direkt mit der Person zusammenhingen?

Das wissen wir überhaupt nicht. Das ist bei Nordkorea auch nicht so einfach. Am Ende des Tages war das für uns auch nicht mehr so relevant. Sondern uns ging es darum, ob wir dort Arbeitsbedingungen haben, die es uns ermöglichen, unsere Projekte dort fortzuführen. Die scheinen wir jetzt wieder zu haben und deshalb wird dann wieder neues Personal entsandt.

War denn ihre Arbeit durch diese Ausweisung zeitweise unterbrochen oder gefährdet? Oder ging trotz allem alles weiter seinen Gang?

Nein, es waren weiter Mitarbeiter vor Ort und die, die für diese Projekte zuständig waren. Die Projektarbeit ging weiter. Aber die Mitarbeiterin hatte nicht nur die Landesdirektion innegehabt, sondern hatte auch ein größeres Projekt betreut, welches dann in der Zeit natürlich hat ruhen müssen. Das ist dann ganz normal.

Simone Pott ist Pressesprecherin der Deutschen Welthungerhilfe in Bonn.